Vom Steinkreuz
zu Frickenfelden

Die Geschichte von Schuld und Sühne

Glockenturm

Der Glockenturm von Frickenfelden

Einleitung

Wer das Gunzenhäuser Land durchstreift, nicht auf Asphaltstraßen und ausgebauten Radfahrwegen, sondern auf abgelegenen, kaum mehr begangenen Feld- und Waldpfaden, der stößt mitunter unerwartet auf ein, manchmal auch in Gruppen beisammen stehendes wuchtiges Steinkreuz. Bisweilen erwartet es den Wanderer auch am Ortsrand oder mitten im Dorf. Selbst auf uns moderne Menschen, die wir heute an glitzernd geschliffene Grabdenkmale mit präzise aufgetragenen Inschriften gewöhnt sind, mag so ein roh zubehauener Sandsteinklotz in Kreuzform noch ein wenig ein Gefühl des Schauderns erwecken.

"Was geschah hier an diesem Ort? Warum steht dieses unförmliche, oft schon halbzertrümmerte Kreuz an dieser Stelle?", so fragen wir uns. Der Volksmund hat früher, als das Herz der Menschen noch für Sagen und Geschichten empfänglich war, sein Füllhorn der unerschöpflichen Phantasie über diese Steinkreuze ausgeschüttet. Da erzählt man beim einen, zwei Zigeuner hätten sich hier im Streit erschlagen; beim andern: Zwei Schäfer seien in einer Auseinandersetzung um das Weidrecht ums Leben gekommen. Beim dritten: zwei Schlotfeger hätten sich zu Tode gekitzelt, zwei Schnitterinnen sich aus Eifersucht gegenseitig umgebracht und dergleichen mehr.

So wuchert auch die Sage über das Steinkreuz in Frickenfelden. Horst Keppler hat in seinem schönen Heimatbuch über Frickenfelden ihm einen liebevollen Beitrag gewidmet und angeführt, was er an Meinungen über die Entstehung dieses Kreuzes in Erfahrung bringen konnte: Es sei ein Gedenkstein für einen beim Arbeiten vom Blitz erschlagenen Knecht. Schließlich musste auch der sogenannte "Wilde Markgraf" zur Erklärung herhalten: Beim Jagdausflug habe er im Spitalwald einen ungetreuen Untertanen beim Fallenstellen angetroffen. Der Wilde Markgraf, für seinen Jähzorn bekannt, habe den Wilderer an den Schweif eines Pferdes binden und zu Tode schleifen lassen. Zur Sühne für diese begangene Untat sei dann später das Steinkreuz gesetzt worden (1).

Doch als der Wilde Markgraf lebte (1712-1757) war die Zeit der Steinkreuze längst vorbei. Die Steinkreuzforschung vermochte in jahrelangem Bemühen um die Frage der Entstehung dieser einst geheimnisvollen Flurdenkmäler in großräumigen Bereichen ein ziemlich einheitliches Bild erarbeiten, das mit Hilfe archivalischer Quellen vertieft werden konnte (2).

Demnach sind die meisten dieser Steinkreuze in Deutschland als Rechtsdenkmale aus dem ausgehenden 13. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts entstanden. Sie führen uns in eine Zeit zurück, in der bei jedem einzelnen noch eine gewisse Selbsthilfe auf Vergeltung bestand, die heute vom Staat als ungesetzlich verurteilt wird. Über keines der vielen Steinkreuze die im Gunzenhäuser Land noch erhalten sind, kennen wir die genauen Gründe seiner Errichtung. Eine Ausnahme könnte für das Steinkreuz in Frickenfelden vorliegen. Doch um die Ursachen seiner Entstehung voll verstehen zu können, müssen wir ein wenig in das Rechtsleben unserer Ahnen im Mittelalter hineinblicken.

Anmerkungen: