Die Gelbe Bürg

in fränkischer Zeit

Vorgeschobene Befestigungen

Wohl eine der ersten Aufgaben, die sich die fränkischen Herren nach der Besetzung des ursprünglich alemannisch besiedelten Freilandes um den Hahnenkamm stellten, bestand darin, die Gelbe Bürg als Stützpunkt der fränkischen Königsherrschaft fest und für immer in der Hand zu behalten. Zunächst einmal wurde die Gelbe Bürg selbst besetzt und zur Verteidigung eingerichtet. Ob ein Ausbau der Burg in merowingischer Zeit erfolgte, kann, solange nicht exakte moderne Grabungen darüber Klarheit geben, nicht mit Sicherheit gesagt werden. Jedenfalls aber wird man die noch vorhandenen vorgeschichtlichen Befestigungen auf der Bürg zur Verteidigung in dem neu eroberten Lande ausgenützt und vielleicht auch notdürftig eingerichtet haben. Alle diese Maßnahmen zur Festigung der Königsherrschaft und zur politischen und militärischen Raumbeherrschung wurden aber nicht zentral geleitet, gleichsam wie von einem modernen Generalstab aus, sondern waren Aufgaben der örtlichen fränkischen Adelsfamilien, die hier den Königswillen durchzusetzen hatten.

Die Gelbe Bürg war ein Herrschaftsinstrument des fränkischen Königs im mittleren Altmühltal. Wer diese Bastion beherrschte, der konnte auch die an ihrem Fuße vorbeiziehenden Heerstraßen kontrollieren und das weite Freiland südlich des Keuperwaldes um Gunzenhausen politisch erschließen. Darum war es nicht einmal so wichtig, diese Burg auf die Dauer mit einer Besatzung zu belegen, sondern sie für immer in der Hand zu behalten und dafür zu sorgen, daß sie nicht in fremde Hände fällt, die der politischen Planung des fränkischen Königs entgegenstehen. Die Großburg mußte also als Fundament fränkischer Macht bewacht werden. Das bedeutet, daß ihr Vorfeld von kleineren mit einer zahlenmäßig schwachen Besatzung erfüllten Stützpunkten gesichert werden mußte. Man mußte auf der Hut sein und durch weit vorgeschobene Türme oder befestigte Höfe die Annäherung an die Bastion überwachen. Eine wirkungsvolle Verteidigung dieser Großburg hätte eine ständige Besatzung und eine zahlenmäßig starke Mannschaft erfordert. Um zu verhindern, daß sie nicht in feindliche Hände fiel, dazu genügte die stützpunktartige Befestigung ihres Vorfeldes. Lassen sich nun im Raume der Gelben Bürg derartige Kleinbefestigungen nachweisen?

Gegen Norden nach Gunzenhausen zu war das Land offen und gut zu kontrollieren. Hier konnte man auf besondere Wehranlagen verzichten. Es genügten die wohl mit Palisaden oder mit einem Flechtwerkzaun umhegten fränkischen Edelhöfe, die wir uns in Dittenheim, Sammenheim und Meinheim vorstellen müssen. Rings um die Höfe lagen die Behausungen der unfreien Knechte, die die Höfe im Eigenbau bewirtschafteten. Auch Königsfreie, deren Höfe auf fränkischen Königsland errichtet waren, konnten in den einzelnen Orten zur Bewachung und zu Streifendiensten aufgeboten werden. Das tiefer gelegene, wenig bewaldete Land nördlich der Gelben Bürg ermöglichte freie Sicht über das Albvorland und Altmühltal bis hinüber zu den Keuperwäldern nördlich von Gunzenhausen.

Weniger günstig war die Lage in der südlichen Umgebung der Gelben Bürg. Hier überragt der vom dichten Laubwald gekrönte Steilanstieg des Hahnenkamms die Gelbe Bürg und versperrt so den freien Blick nach Süden. Von hier aus konnte der Großburg Gefahr drohen. Man mußte also auf der Hut sein und durch kleine Wehranlagen das südliche, höher gelegene Vorfeld sichern.

Blick zum Hesselberg

Blick vom Spielberg zum Hesselberg

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Raumbeherrschender Punkt an der Nordwestspitze des Hahnenkamms ist Spielberg. Von hier aus kontrolliert man das gesamte westliche und nördliche Freiland vor dem Hahnenkamm. Die Lage dieses Berges in der Landschaft ist noch wesentlich eindrucksvoller als die der Gelben Bürg selbst. Vom Spielberg aus schweift der Blick in südlicher Richtung über das alte Siedelland zwischen dem westlichen Hahnenkamm und dem Öttinger Forst, durch das einst die Römerstraße von Gunzenhausen und Theilenhofen über Gnotzheim, Ostheim, Westheim zur Wörnitzfurt bei Munningen zog. Hier besteht Sichtverbindung zum Hesselbergland mit seinen alten Straßen. Im 12. Jahrhundert herrschte auf dem Spielberg das Geschlecht der freien Herren von Spielberg, die den Hohenstaufen verbunden waren (1).

Wir haben die Frage zu stellen, ob auf dem Spielberg in fränkischer Zeit nicht schon eine Art Turm oder Wachstation bestand, dessen Aufgabe war, das westliche Vorfeld der fränkischen Burg auf dem Gelben Berg zu sichern. Die eigenartige Rundform der Burg Spielberg, vor allem des Grabens, könnte auf eine frühmittelalterliche Wallanlage deuten. Die Freien von Spielberg, ein Geschlecht freien Standes mit geringer Begüterung, wären durchaus denkbar als Nachkommen einer Familie von Königsfreien, die im 9. Jahrhundert die Wachdienste und die Unterhaltung der Wehranlage auf dem Spielberg im Auftrage des Königs zu versehen hatte (2). Vom Namen Spielberg her auf eine fränkische Wachstation schließen zu wollen, ist zwar verlockend, aber nicht ganz ungefährlich. Die Flurnamenforschung kennt für die Spielberge mehrere Erklärungen. Sachlich würde für unseren Spielberg drei Kilometer westlich der Gelben Bürg wohl am besten die Beziehung zum lateinischen Wort specula = Warte überzeugen. Der Spielberg ist also nach dieser Deutung ein Ort, von dem man schaut oder späht.

Nach einer Beobachtung von E. Christmann liegen fast alle Spielberge in der Pfalz an alten Römerstraßen (3). Auch unser Spielberg an der Nordwestecke des Hahnenkamms überwacht ein ganzes Bündel vorbeiziehender Römerstraßen. Ein zweiter Spielberg östlich Hechlingen kann ebenfalls mit Römerstraßen in Zusammenhang gebracht werden. Sachlich gesehen würde als unser Name Spielberg im Sinne von Spähberg oder Warte geradezu vollendet für die Annahme einer der fränkischen Burg auf dem Gelben Berg vorgeschobenen Wehranlage sprechen. Gegen die Auslegung des Namens Spielberg im Sinne von Spähberg = Warte erheben aber die Sprachforscher Bedenken. Sie treten für die einfachen Schwierigkeiten bereitet und bringen die Spielberge mit dem ahd. Wort spil = Scherz, Spiel in Verbindung. Damit treten bei der Auslegung des Namens alte Volksbräuche in den Vordergrund. Spielberge sind nach ihrer Meinung Berge, auf denen Volksspiele veranstaltet wurden, wobei an kultische Spiele wie Winteraustreiben, Sonnwendfeiern, Viehaustreiben um Pfingsten gedacht werden kann (4).

Ob man auch bei unserem Spielberg, der in dieser Deutung folgen oder trotz sprachlicher Bedenken eine merowingische Warte oder eine Wachstation annehmen darf? Vom Namen Spielberg her gewinnen wir keine Klarheit. Man hat jedoch anderwärts bei fränkischen Großburgen und Königshöfen derartige vorgeschobene Wehrsysteme beobachtet. Hans Jännichen, ein scharfsinniger Beobachter siedlungsgeschichtlicher Zusammenhänge, glaubt, daß der merowingischen Stöckenburg bei Schwäbisch Hall mehrere gezimmerte Türme vorgelagert waren, die den Kern für die dortigen "-zimmern"-Orte bilden (5).

Im Bereich des Königshofes Würzburg hat man auf engstem Raum eine Ballung von Befestigungsnamen beobachtet, einen fränkischen Bezirk, in dem sich Türme und befestigte Höfe um eine Martinskirche konzentrieren (6). Dieses vorgelagerte Wehrsystem läßt sich auch in unmittelbarer Umgebung der Gelben Bürg noch feststellen. Richten wir unseren Blick nach Südosten, in der Talbucht von Kurzenaltheim, wo wir dort eine rückwärtige Höhe mit dem Namen "Dürrer Berg" (7). Wer den Namen dieser bewaldeten Höhe zu deuten versucht, der wird zunächst einmal an das Eigenschaftswort dürre Berg wäre demnach ein wasserarmer, ausgetrockneter Berg. Dies trifft nun allerdings auf unseren Dürren Berg bei Kurzenaltheim zu. Aber wasserarm und trocken sind alle aus durchlässigen Werkkalk aufgebauten Höhen des Hahnenkamms. Darum wird wohl das Eigenschaftswort dürr nicht der Anstoß für die Namengebung dieses Berges gewesen sein. Wir werden keinen Irrweg beschreiten, wenn wir den dürren Berg (1591: "Thurrenberg") bei Kurzenaltheim mit einem Turm (mundartlich dura) in Verbindung bringen (8). Ein Turm etwa 2 km südöstlich der Gelben Bürg diente der Überwachung der Höhenwege, die bei Wolfsbronn auf den Hahnenkamm führten und bildete eine Sicherung gegen die ausgedehnten Waldungen des südöstlichen Hahnenkamms, von denen aus eine überraschende Annäherung an den Königshof Altheim und an die Gelbe Bürg möglich war. Den Standort des Turmes auf dem dürren Berg dürfen wir uns weit an die Straße Kurzenaltheim - Wolfsbronn vorgesetzt denken, auf jene Höhe, die noch heute den Namen Burgstall (mundartlich Buschl) führt.

Lunkenburg

Lunkenburg bei Wolfsbronn

Von Rensi - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18080980

Dort am Osthang des dürren Berges zeigen sich noch deutliche Spuren einer Wehranlage. Ein Halsgraben und verstürzte Mauerreste zeugen von einer vielleicht hochmittelalterlichen Burg, die schon lange verlassen sein muß, da durch den Burgbereich tiefeingeschnittene Holzabfuhrwege in Richtung Wolfsbronn hinunterziehen. 1448 ist dieser Burgstall in dem Lagerbuch des Klosters Heidenheim genannt (9). Die Burg war wohl um 1180 Besitz der Bischöfe von Eichstätt, da in einer Urkunde ein Eichstätter Ministeriale Chono de Woluesprunnen auftritt, dem diese Burg als Amtssitz zugewiesen war (10). An ihrer Stelle läßt sich für die fränkische Zeit hier eine Befestigung einfacher Art denken, die die Zugänge zum Königshof Kurzenaltheim und zur Gelben Bürg bewachte. Vielleicht darf man auch den Namen Wolfsbronn selbst mit einer Wehranlage in Verbindung bringen. Der Höhenweg nach Degersheim, wo Schornbaum eine Martinskirche erwähnt, war noch durch eine weitere Kleinbefestigung gesichert. Unmittelbar vor dem Aufstieg von Wolfsbronn nach Degersheim lag die Lunkenburg. Ein halbkreisförmiger Graben umzieht einen Hügel, auf dem wohl einst ein Turm oder ein einfaches Gebäude stand. Davor sind noch mehrere Wälle deutlich zu erkennen (11).

Überblicken wir schließlich noch den Raum um die Gelbe Bürg gegen Südwesten hin, so war hier wieder ein fränkischer Edelsitz in Heidenheim vorgelagert, der das Vorfeld der Gelben Bürg nach Süden und Südwesten hin abschirmen konnte. Bevor das Kloster Heidenheim 752 gegründet wurde, war hier Adelsgut oder Königsgut, mit dem das Kloster dotiert wurde. So ist die Gelbe Bürg als Stützpunkt fränkischer Herrschaft in ihrem Umland durch befestigte Edelhöfe und Wachstationen, Türme, Gräben und Wälle gesichert. Eine fränkische Burg setzte eine andere Verteidigungstaktik voraus als eine mittelalterliche Ritterburg. Man mag vielleicht dagegen Bedenken erheben, ob alle diese Burgen im Umkreis der Gelben Bürg ihre Wurzel noch in fränkischer Zeit haben. Mag sein, daß die eine oder andere erst im hohen Mittelalter entstand. Wesentlich aber war, daß das Umland mit zuverlässigen fränkischen Siedlern erfüllt wurde, die darüber zu wachen hatten, daß die Gelbe Bürg ein Fundament fränkischer Königsherrschaft in dem alten Siedelland südlich des Limes wurde. Für dieses fränkische Interesse an diesem Raum sprechen aber nicht nur die Ortsnamen und die Befestigungen, sondern die Ansiedlung von Königsfreien, die wir nun zu Betrachten haben.

Anmerkungen

  1. Heilsbronner Urk. Reg. Nr. 7
  2. 1183 erscheint ein Vdalricus de Spyleberc in der Zeugenreihe hinter Fridericus de Truhentingen und Perhtoldus Spaete. (Heidingsfelder Nr.467)
  3. 70. Jahresber. D. Hist. V. f. Mfr. 1950, S. 10, Anm. 5
  4. Ernst Schwarz, Deutsche Namensforschung, Bd. II, S. 282, und E. Fechter, Die Ortsnamen des Landkreises Ansbach, Masch. Schr. Erlangen, S. 174
  5. Hans Jänichen, Altdorf-Alachdorf in Württ. Franken N.F. 30/1955, S. 20-32
  6. Karl Bosl, Würzburg als Pfalzort in Jahrb. f. fr. Landesf. Nr. 19/1959, S. 39-41
  7. St.A. Nbg. Rep. 165a, Nr. 733 vom Jahre 1559: Item ain Holz der Durrberg genannt ungeheuerlich bei funfzig morgen, seind Anstößer der Meier zu Heidenheim , ein Gemeind zu Kurtzen-Altheim...
  8. St.A. Nbg., Rep. 113, Nr. 46 vom Jahre 1591: Kaufbrief über 10einhalb Morgen Holz weniger 15 Ruthen am Thurrenberg bey Kurzenaltheim neben des Closters Heydenheim Hölzer gelegen ...
  9. St.A. Nbg., Rep. 165a, Nr. 705 unter Wolfsbronn: Item an dem purkstall ligt ein loh holtz, sol getailt werden in vier loher ...
  10. Heidingsfelder N. 455
  11. St.A. Nbg., Rep. 165a, Nr. 707, S. 69; Der Eintrag in das Rechnungsbuch des Abtes Wilhelm von Vestenberg lautet: "It(em)" ich han v(er)lihen Master Erharten den paw tzv(zu) der Luch(e)n an dem purckstall tzu ainern(erneuern?) vnd gyb ym v(o)n der Ruten achteinhalb lb(libra) vnd dye ruet schol(soll) vngeferlich 14 schue hoben vnd gyb ein pesserung von chuchen speys er schol(soll) auch einen Mawrer tzv (zu) m haben vnd all chnecht vnd dye Mauer schol 4 schuch dickh sein." Es handelt sich hier wohl um den Wiederaufbau der Lunkenburg nach der Zerstörung durch Jörg Gumpenberg. Siehe Oskar Maurer, Die Lunkenburg und der Burgstall bei Wolfsbronn in G.H.B. Bd. VII, S. 178/179