Der Raum Gunzenhausen

im Kräftespiel territorialer Bestrebungen

im 12. und 13. Jahrhundert

 

Die Bauinschrift an der Pfofelder Kirche St. Michael

Neben dem heutigen südlichen Haupteingang an der Pfarrkirche zu Pfofeld ist eine lateinische Bauinschrift eingeritzt. Die meisten Menschen, die hier ein- und ausgehen, beachten sie kaum. Selbst dem aufmerksamen Betrachter, auch dem Kenner der lateinischen Sprache, gelingt es nur mit großer Mühe, ein paar Worte aus den rätselhaften Zeilen herauszulesen. Ihren Sinn zu erschließen, erscheint fast unmöglich, weil beim Umbau des alten romanischen Kirchenschiffes im Jahre 1734 die Bauinschrift, die wohl einst über dem Portal eingelassen war, versetzt wurde und dadurch Beschädigungen erlitt. Das Landesamt für Denkmalpflege bemühte sich 1937 anlässlich der Herausgabe des Buches "Die Kunstdenkmäler von Bayern, Mittelfranken Band VI, Bezirksamt Gunzenhausen", die Schriftreste zu ergänzen und ihren Inhalt zu erschließen. Die Inschrift lautet:

Zu deutsch:

Diese Inschrift zählt trotz ihrer starken Verwitterung zu den wichtigsten Dokumenten unserer Heimatgeschichte. Zwei bedeutende Bischofsgestalten des 12. Jahrhunderts werden in dieser Inschrift erwähnt: der heilige Otto von Bamberg, 1102 - 1139, Bischof von Bamberg, und Bischof Gebhard von Eichstätt (1125 - 1146), ein Angehöriger des Geschlechtes der Grafen von Grögling, ab etwa 1200 v. Hirschberg.

Über den am 30. Juni 1139 im hohen Alter von fast 80 Jahren aus dem Leben geschiedenen bedeutendsten Bamberger Bischof, den Freiherr v. Guttenberg "eine der edelsten Erscheinungen in dieser zwiespältigen Zeit voll heißer Inbrunst und glühenden Leidenschaften" nennt, ist nach seinem Tod im Laufe der Jahrhunderte eine Fülle von Lebensbeschreibungen und auch wissenschaftlichen Arbeiten entstanden (3). Schon kurze Zeit nach seinem Tod hat der im Kloster auf dem St. Michelsberg in Bamberg lebende Benidiktinermönch Ebo in den Jahren zwischen 1151 und 1159 eine Vita, eine Lebensbeschreibung, Ottos verfasst. Wir dürfen hier aber keine moderne Biographie eines Menschen erwarten mit allen Fragen über seinen Geburtsort, seine berufliche Laufbahn und politische Tätigkeit. All dies darf dem Hagiographen, dem Verfasser solcher Lebensbeschreibungen, nur nebenbei in die Feder fließen. Die mittelalterliche Literaturgattung der Heiligenviten wurzelte ganz in der Heilsgeschichte und hatte der religiösen Erbauung und Belehrung zu dienen. Die Frage nach dem Endschicksal des einzelnen Menschen und der Welt, die Eschatologie, hatte die Vita zu durchdringen, nicht das Wissen um Dinge, die wir modernen Menschen heutzutage von einer Persönlichkeit erwarten. Die Lichtseiten eines Menschen werden von einem mittelalterlichen Hagiographen oft ins Überschwengliche glorifiziert, die Schatten seines Handelns werden gnädig verschwiegen. In dem gleichen Geist wenn auch mit unterschiedlichem Schwerpunkt entstand im 12. Jahrhundert eine zweite Ottovita von dem Michelsberger Mönch Herbord, der zwar die Gleichstellung Ottos mit einem Apostel (Otto als Apostel der Pommern), die Ebo als Ehrenbezeichnung aufführte, verschweigt, die aber dafür Züge eines monastischen Bischofsideals in Ottos Leben einführt. So wurden im Laufe der Jahrhunderte viele Lebensbeschreibungen, Wunderberichte und liturgische Texte über Otto zeitgemäß verarbeitet. Die einen rühmen den Bamberger Bischof als den "liebebrennenden Boten Gottes, als unermüdlichen Prediger und Vermittler", die anderen als "Menschenfreund und mutigen Bekenner, als Vater der Armen und Tröster der Bedrängten".

So wertvoll auch die hochmittelalterlichen Ottoviten mit den eingestreuten Angaben über Ottos Leben und Wirken sind, einem modernen Lebensbild des großen Bamberger Kirchenfürsten können sie heute nicht mehr genügen. Das Wirken Ottos als Kirchen- und Klostergründer, seine politische Tätigkeit unter den Königsgeschlechtern der Salier und Staufer, seine Anwesenheit auf Hoftagen und diplomatischen Missionen, seine vermittelnde Rolle im Gezänke der verschiedenen Parteigruppen während des Investiturstreites, alle diese Vorgänge im Leben dieses 1189 heiliggesprochenen Bamberger Kirchenfürsten können nicht durch die Brille hochmittelalterlicher Viten gesehen werden, sondern bedürfen einer ausgiebigen Untersuchung und Quellenkritik in Urkunden und Akten. Nur so werden die großen Zusammenhänge offenbar, in die sein Leben eingebunden war und in denen sich seine Persönlichkeit gebend und nehmend entfalten konnte. Vorläufig müssen wir uns mit dem begnügen, was der unvergessliche fränkische Historiker Freiherr von Guttenberg über den bedeutenden Bamberger Kirchenfürsten schreibt: "In der Persönlichkeit Ottos vereinigten sich Weltkenntnis und diplomatisches Geschick, Tatkraft und praktischer Blick in seltenem Maße mit einer tief innerlichen Auffassung seines geistlichen Amtes. Er hat aus den harten Ideenkämpfen der Zeit nicht die politischen Leidenschaften, sondern ihr Bestes, die wirkende Sehnsucht nach einer Erneuerung des kirchlichen Wesens, herausgegriffen. Kein Mann des Schwertes, aber ein klar und folgerichtig handelnder Kopf, verstand er es wohl als einer der Ersten, Geistliches und Weltliches in diesem Kampfe zu scheiden" (4). Die Bauinschrift an der Pfofelder Kirche ist ein bedeutendes schriftliches Denkmal, das in unserem Gunzenhäuser Land die Erinnerung an diese große Persönlichkeit der deutschen Geschichte erinnert.

Inschrift an der Pfofelder Kirche

Weiheinschrift an der Pfofelder Kirche St. Michael

Von Rensi - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18879655

Anmerkungen

  1. Die Kunstdenkmäler von Bayern, Mittelfranken, Bezirksamt Gunzenhausen, München 1937 S. 256.
  2. Martin Templin, Evang. Luth. Pfarrkirche St. Michael in Pfofeld (Kirchenführer).
  3. Darüber näher: Jürgen Petersohn: Otto von Bamberg und seine Biographien, in Ztschr. f. bayer. Landesgeschichte 1980 Bd. 43 Heft 1 S. 4 Anmerkung 2.
  4. Frhr. v. Guttenberg, Die Territorienbildung am Obermain, in 79. Bericht des Hist. Vereins Bamberg S. 145.