Heidenheim

Geschichten aus der Geschichte

Geschichte der Propstei Mariabrunn

Südlich von Heidenheim am Weg nach dem Weiler Eggenthal liegen auf einer Anhöhe einige Gebäude am Fuße des bewaldeten Schildsberges und grüßen aus stiller Einsamkeit hinunter in den kühlen Rohrachgrund und hinauf nach Hohentrüdingen. Mariabrunn werden sie genannt, im Volksmund "Mälchäbrunn". Aus Kindermund erschallte einst das lustige Spottliedlein: "Eggethal und Mälchäbrunn, dös sen zwei große Städt, doch wenn mers recht betrachta tuat, geht rumetrum a Heck."

Alte Schriften berichten, dass in Mariabrunn einmal eine Kirche stand, ähnlich groß und geräumig wie die Ruine der Katharinenkapelle hoch auf dem Berg über dem Nachbarort Hechlingen. Im schön geschriebenen Salbuch des Klosters Heidenheim, das um 1400 verfasst wurde, ist allerdings von einem Ort Mariabrunn nichts zu finden, auch nichts von einer Kirche, die dort einst stand. Hätte Mariabrunn um das Jahr 1400 schon bestanden, wäre der Ort als Besitztum des Klosters Heidenheim in dem Salbuch sicherlich irgendwie erwähnt worden. In einem Orts- oder Flurnamen hätte sich zumindest eine Spur von ihm niederschlagen müssen. Doch nichts ist davon zu finden.

Gelehrte Abhandlungen aus neuerer Zeit setzen den in einer Urkunde aus dem Jahre 899 neben Hechlingen, Ursheim und Appenberg genannten Ort Prunnon mit dem erst im 15. Jahrhundert entstandenen Mariabrunn gleich und nehmen damit die Gründung dieses Ortes um fünfhundert Jahre früher an, was in der altbesiedelten Landschaft des Hahnenkamms nicht verwundern würde. Doch der in der Urkunde Kaiser Arnulfs von Kärnten um 899 erwähnte Ort Prunnon ist heute verschwunden. Friedrich Lutz konnte ihn in seinem hervorragenden Heimatbuch von Hechlingen zwischen Hechlingen und Degersheim lokalisieren, wo heute noch der Flurname Eschelbrunn von ihm berichtet und in seiner unmittelbaren Nähe der 1535 genannte Königsbühl erscheint und römische Ruinen dort an alte Siedlung erinnern (1).

Römische Mauern wurden freilich auch unterhalb Mariabrunns entdeckt (2). Die Flurbezeichnungen "auf der Mauer" und "Weilerwiese" erinnern an eine römische Niederlassung. Doch der Ort Mariabrunn ist viel jünger als sie. Über seine Gründung sind wir im Einzelnen durch Urkunden sicher unterrichtet. Mariabrunn ist erst kurz vor 1423 entstanden, deshalb erscheint der Ort auch nicht im Salbuch des Klosters Heidenheim, das schon um 1400 angelegt wurde.

Mariabrunn
Mariabrunn heute

Gründung

Ein gewisser Gabriel Kellner, Mönch und Priester aus dem Kloster Heidenheim, ließ im Jahre 1423 auf einem Grundstück des Klosters eine Viertelstunde vom Markt Heidenheim entfernt am Fußweg nach Eggenthal eine Kapelle errichten. Er entstammte wohl einer alteingesessenen Familie aus Heidenheim. Der Familienname Kellner ist hier schon Ende des 14. Jahrhunderts geläufig. Ob die Vorfahren einmal den klösterlichen Weinkeller verwalteten und man sie darum Keller oder Kellner benannte, kann nicht mehr mit letzter Sicherheit gesagt werden. Ein Hans Kellner gehörte um 1427 als weltlicher Bediensteter in das Haus des Abtes. Doch schon 1391 reicht ein Chontz (Konrad) Kellner von seinem Haus bei dem Pfarrkirchhof 2 ½ Schilling Haller am heiligen Veitstag an das Kloster (3).

1395 erscheint ein Fritz Kellner. Nach dem Salbuch aus dem Jahre 1400 gibt ein Erhart Kellner 2 Schilling Haller an das Kloster (4). 1430 ist von einer Witwe namens Chontzen Kellerin die Rede. Um die gleiche Zeit gibt ein Gabriel Kellner vom eichstättischen Meierhof 2 Schilling zu Weihnachten, 1 Fastnachthenne, 2 Schilling zu Ostern, 2 Lämmer zu Ostern, 1 Malter Kern (enthülster Dinkel) und 2 Malter Hafer an den Burggrafen (später Markgrafen zu Brandenburg-Ansbach) als Vogteiabgabe (5).

Nun erhebt sich die Frage: Ist der Besitzer des Meierhofes zu Heidenheim namens Gabriel Kellner gleichzusetzen mit dem Gabriel Kellner, der 1423 die Kapelle in Mariabrunn erbauen ließ? Ausgeschlossen kann dies wohl nicht werden. Da der Gründer der Kapelle zu Mariabrunn Mönch und Priester war, müsste angenommen werden, dass er als Mönch nach der Ordensregel über kein Privatvermögen verfügen konnte. Das Kloster als Ganzes, als mönchische Gemeinschaft, war stets bedacht, seinen Besitz an Grund und Boden zu vergrößern; hier waren dem Reichtum keine Grenzen gesetzt, aber der einzelne Mönch sollte nach der Regel des heiligen Benedikt dem Armutsideal huldigen. Doch im 15. Jahrhundert hatte man sich davon weit entfernt. Auch in den benachbarten Klöstern Wülzburg und Auhausen verfügten die Mönche über private Pfründe (6).

So könnte man sich denken, dass auch unser Gabriel Kellner, der die Kapelle in Mariabrunn errichten ließ, ein wohlhabender Mönch und Priester war, der auch über Einnahmen aus dem eichstättischen Meierhof verfügte. Womöglich hatte er sich als Pfründner in seinen alten Tagen in das Kloster eingekauft, um dort eine sichere Versorgung zu erlangen. Eine gewisse private Wohlhabenheit dürfen wir dem Gründer der Kapelle in Mariabrunn wohl zugestehen, sonst hätte er aus seinem eigenen Vermögen diese nicht errichten können.

Absprache mit dem Kloster

Die Stiftung der Kapelle durch den Mönch und Priester Gabriel Kellner im Jahre 1423 geschah sicherlich im Einvernehmen mit dem damaligen Abt des Klosters Heidenheim, Albert Pflant (1407-1427), dessen Grabplatte sich am Aufgang zur Orgel in der Klosterkirche befindet. Die Gründung wurde von dessen Nachfolger Wilhelm von Vestenberg (1427-1446) wohlwollend gefördert. Die Errichtung einer Kapelle außerhalb des Marktes Heidenheim in einer vom Verkehr abgelegenen Gegend erfolgte mit der Absicht, sie zu einer Wallfahrtskirche zu erheben, wobei man dem Zeitgeist entsprechend religiöse und wirtschaftliche Bestrebungen zu vereinigen suchte. Im Jahrhundert der "Frömmigkeit ohne Grenzen" empfand man es für durchaus angebracht, geistlich- religiöse Innerlichkeit mit wirtschaftlichen Gewinnen zu verbinden.

So lag es im Sinne des Klosters, in seiner Nähe eine spätmittelalterliche Wallfahrt zu gründen, die Einnahmen daraus zu verwerten und die Kapellenstiftung des Priestermönches Gabriel Kellner sollte der Anstoß dafür werden. Alle diese Vorhaben waren sicherlich mit dem Abt des Klosters abgesprochen, das sich davon gewinnbringende Erfolge erhoffte. Man beeilte sich, die von Gabriel Kellner gestiftete Kapelle in das Eigentum des Klosters zu überführen. Noch im gleichen Jahr 1423 erreichte dieses die Inkorporation (Einverleibung) der Kapelle in seinen Besitz durch Papst Martin V. (7).

Damit war gesichert, dass alle zukünftigen Schenkungen an die Kapelle auch dem Kloster zugute kamen. Doch der Weg zu einer Wallfahrtskirche, die zahlreiche Menschen in ihren Bann ziehen konnte, war noch lange nicht erreicht und hielt sich auch in Zukunft in bescheidenen Grenzen. Von einer Gründungslegende, die von Wunderwirkungen in Mariabrunn berichten und im Volke propagiert werden hätten können, ist nichts bekannt. Ebenso vernehmen wir in der Frühzeit dieser als Wallfahrtsort vorgesehenen Kapelle nichts von einem Gnadenbild oder einer Reliquie, die ihre Anziehungskraft auf die Leute in der Umgebung ausgeübt hätte.

Dagegen scheint mit der Gründung der Kapelle schon ein landwirtschaftliches Anwesen von geringer Größe errichtet worden zu sein, eine Hofstatt, auf der ein gewisser Conz (Konrad) Weinberger saß, der an den Burggrafen von Nürnberg als Vogtherrn eine Fastnachthenne alljährlich zu reichen hatte (8). Wie stand es nun in Wirklichkeit um den Weiler Mariabrunn? Wie ist er entstanden? Der Name der heiligen Maria lässt vermuten, dass hier einmal vor langer Zeit ein Marienheiligtum dem Ort den Namen verlieh.

Papst Martin V.
Papst Martin V
Reliquienbüste der hl. Walburga

Reliquienbüste der hl. Walburga,

Anfang 13. Jahrhundert

Die Entwicklung der Wallfahrt

Die Vorstellung, dass das Gebet an einem bestimmten Ort besonders wirksam sei, ist uralt. Perser, Inder, Griechen und Römer, Juden und Mohammedaner unternahmen weite Reisen nach fernen heiligen Stätten und Tempeln. In der Welt des christlichen Abendlandes entstanden schon seit dem 4. Jahrhundert Wallfahrten zu den Gräbern von Märtyrern. Im Mittelalter wuchsen Rom und Aachen, Santiago de Compostela in Spanien, Maria Einsiedeln in der Schweiz, Altötting in Bayern, Wilsnack in der Mark Brandenburg und viele andere durch Reliquien und Gnadenbilder ausgezeichnete Orte zu Pilgerstätten von hohem Rang empor, die von weither aufgesucht wurden.

Vom Glanz solcher berühmten Wallfahrtsstätten konnte man in Heidenheim nur träumen. Die Voraussetzungen für eine angesehene Wallfahrtsstätte wären allerdings hier in dem Hahnenkammort gegeben gewesen. Hier gründeten Willibald und sein Bruder Wunibald im 8. Jahrhundert nach dem Vorbild des heiligen Bonifatius in Fulda ein Kloster. Hier ruhen die Gebeine Wunibalds; hier wirkte ihre Schwester, die heilige Walburgis, als Äbtissin eines angelsächsischen Doppelklosters. Ihre Verehrung als Heilige setzte allerdings erst bei der feierlichen Übertragung ihrer Gebeine nach Eichstätt um 870-79 ein. Sie wurde noch gesteigert durch die Teilung ihrer Reliquien und deren Übertragung nach Monheim bei Donauwörth am 1. Mai (Walpurgistag) im Jahre 893.

Da sich bei der Überbringung und Niederlegung von Teilen ihrer Gebeine in Monheim zahlreiche Wunder ereigneten, die aufgeschrieben und in den Klöstern vervielfältigt wurden, wanderte ihre Verehrung, getragen durch glaubenseifrige Bischöfe, Äbte, Mönche und Nonnen, hinaus über den gesamten nördlichen abendländischen Kulturkreis. Die Voraussetzung für die spätere Entstehung einer bedeutenden Wallfahrt in Heidenheim wäre also gegeben gewesen.

Doch hier in Heidenheim geriet die Wirkungsstätte der bedeutenden angelsächsischen Schüler und Blutsverwandten des heiligen Bonifatius durch die erste Säkularisation des Doppelklosters Heidenheim um 790 in den Einfluss einheimischer Weltgeistlicher (9). Obwohl sich nun urkundliches Dunkel über drei Jahrhunderte über das Stift von Säkularkanonikern hier in Heidenheim legte, darf angenommen werden, dass diese die Verehrung ihrer heiligen Stifter Willibald, Wunibald und Walburgis nicht sehr pflegten (10).

Ihre Überlieferung wurde erst durch die Heidenheimer Reform in der Mitte des zwölften Jahrhunderts wieder belebt. Die stark mit weltlichem und wirtschaftlichem Denken verbundenen Kanoniker mussten das Kloster verlassen. Manche hatten ihre kirchlichen Pfründen mit Geld erworben. An ihre Stelle traten Benediktiner Hirsauer Prägung, die strengen kirchlichen Lebensgewohnheiten huldigten und der Heiligenverehrung wieder ihre Herzen öffneten.

Allerdings Willibald, Wunibald und Walburgis kamen aus England und waren Fremde im Land. Im 10. Jahrhundert entwickelte sich in Eichstätt die Vorstellung, die drei Missionsgeschwister wären Königskinder aus England gewesen, vornehmer Herkunft also. Walburgis wurde daher in Adelskreisen sehr verehrt. Für die wachsende Volksfrömmigkeit des ausgehenden Mittelalters schienen sie zunächst nicht die passenden Idealgestalten zu sein.

Man konnte sie im 12. und 13. Jahrhundert als Stifter des Klosters in Heidenheim nicht umgehen, aber für die religiösen Bedürfnisse der kleinen Leute und der allmählich einsetzenden Wallfahrtsbewegung auch der bäuerlichen Unterschichten schienen doch der heilige Nikolaus und die heilige Anna geeigneter zu sein, als die vom Königsglanz umwobene Walburgis oder ihr Bruder Wunibald.. Ihre monumentalen Verehrungsstätten in der heutigen Klosterkirche fanden erst im 15. Jahrhundert eine für das Wallfahrtswesen gemäße Ausprägung, so dass die Gläubigen auch mit den Reliquien der beiden Gründerheiligen Kontakt aufnehmen konnten (11).

Die Tumba des heiligen Wunibald stammt aus dem Jahre 1483, die der heiligen Walburgis 1484. Zu dieser Zeit dürfte auch die Wallfahrtsbewegung nach Mariabrunn und zur Katharinenkapelle auf dem Berg bei Hechlingen in stärkerem Maße eingesetzt haben. Man rechnete, dass vor allem an Markttagen bei gelenkten oder Einzelwallfahrten auch Leute in die Klosterkirche kamen, um an den Heiligengräbern St. Wunibald und Walburgis zu beten. Das hatte auch Opfergaben zur Folge. Einen Wallfahrtsrummel, wie er sich bei solchen Massenveranstaltungen notgedrungen entwickelte, wollte man in der Klosterkirche nicht haben, aber der Besuch von einzelnen Teilnehmern an diesen Tagen war sicherlich erwünscht. Darum verlegte man die Wallfahrtskirche außerhalb des Ortes nach Mariabrunn, wo der Ablass zu erhalten war und das Wallfahrtsvolk seine besondere Frömmigkeit darlegen konnte.

Mariabrunn und St. Katharina bei Hechlingen, zwei benachbarte Wallfahrtsstätten

Im westlichen Rohrachtal zwischen Heidenheim und Hechlingen standen einst in nur 2 Kilometer Entfernung voneinander 2 Kirchen, von denen heute die Kunde geht, sie seien Wallfahrtskirchen gewesen: Mariabrunn bei Heidenheim und St. Katharina, hoch auf dem Berg über Hechlingen. An Stelle von Mariabrunn steht heute ein Bauernhof mit ein paar Häusern; St. Katharina grüßt als Ruine und Wahrzeichen von Hechlingen herab in den kühlen Rohrachgrund.

Wir Menschen der Gegenwart, befreit von der Gebundenheit an den Raum durch die moderne Mobilität, fragen uns heute: Wozu brauchte man im späten Mittelalter auf so einem engen Bereich zwei Wallfahrtskirchen, hätte da nicht eine genügt? Gar manche Einrichtung vergangener Zeit erscheint uns heute rätselhaft wie z. B. zwei Kirchen in einem Dorf (Stetten, Obermögersheim, Gnotzheim, Dittenheim, Berolzheim und Wettelsheim als Folge des Eigenkirchenwesens). Es liegt nahe, bei der Frage nach zwei Wallfahrtskirchen zwischen Heidenheim und Hechlingen auf so einem engen Raum an ein Konkurrenzunternehmen zu denken, vergleichbar mit zwei Bäckereien, die nahe beisammen liegen und deren Kundenkreis ineinander greift. Verkehrt wäre es zu glauben, die Heidenheimer wären einst nur nach Mariabrunn und die Hechlinger nur auf den St. Katharinenberg gewallfahrtet.

Im 15. Jahrhundert, der "Zeit der unbegrenzten Frömmigkeit", blühte das Wallfahrtswesen mächtig auf. Fernwallfahrten nach dem Heiligen Land, nach Rom oder Santiago de Compostela in Spanien konnten sich nur Leute gehobenen Standes leisten. Aber im 15. Jahrhundert kamen mit steigender Volksfrömmigkeit auch Wallfahrten des Volkes zu benachbarten Gnadenstätten in Bewegung. Da ist irgendwo in der Nachbarschaft ein wundersames Ereignis geschehen, einem einsamen Schäfer die Gottesmutter erschienen, da verwahrte einer an einer Stelle kostbare Reliquien, da brachte irgend jemand ein religiöses Bild oder einen angeblichen Splitter vom Heiligen Kreuz mit nach Hause, da wurde einer vom Wasser einer heilenden Quelle gesund und schon lösten sich Besuche dahin aus, die zu Massenwallfahrten heranwuchsen. Kapellen und Kirchen entstanden und wurden aufgrund der Wunderberichte zu bedeutenden Wallfahrtsstätten.

Ruine der Katharinenkapelle Hechlingen

Von all diesen Wunderberichten ist bei unseren beiden Wallfahrtsorten Mariabrunn und St. Katharina nichts zu vernehmen, es sei denn, sie wären nur mündlich überliefert worden und nach der Reformation schnell der Vergessenheit anheimgefallen. Wieso konnten dann auf so engem Raum zwischen Heidenheim und Hechlingen gleich zwei solcher Gnadenstätten ziemlich gleichzeitig entstehen?

Hier müssen andere Gründe wirksam gewesen sein. Bei jeder Wallfahrt, ob sie nun eine Einzelwallfahrt Hilfe suchender Bittsteller um Vergebung ihrer Sünden oder eine vom Geistlichen organisierte Gemeinschaftswallfahrt war, fiel für die jeweilige Kirche eine ansehnliche Einnahmequelle an. Die Wallfahrtskirchen mit ihrem Heiligen, dem sie geweiht waren, verfügten über ein engeres oder weiteres Einzugsgebiet, vergleichbar mit der Kundschaft eines Metzgers oder Bäckers von heute. Das Kloster Heidenheim erkannte schon vor 1423 die wirtschaftliche Kraft einer Wallfahrtsstätte, errichtete durch Gabriel Kellner eine Kapelle auf der landschaftlich schönen Höhe bei Eggenthal, ließ sie sich im gleichen Jahr vom Papst inkorporieren (einverleiben ) und erneuerte die Anziehungskraft im Laufe der Zeit immer wieder durch den Erwerb von Ablassbriefen. Irgendwann um 1450 wurde eine neue Wallfahrtskirche in Mariabrunn errichtet und 1472 zur Propstei erhoben. Als "Kunden" für seine Wallfahrt dachte das Kloster in erster Linie an seine Hintersassen in den Hahnenkammorten Heidenheim, Hechlingen, Hüssingen, Geilsheim, Ostheim, Dittenheim, Meinheim usw., war aber auch erfreut über fremdherrische Untertanen der nahen und weiteren Umgebung.

Nun wohnten in dem Bereich der Grundherrschaft des Klosters Heidenheim auch viele Leute, die dem Grafen von Oettingen untertan waren, in Hechlingen, in Sammenheim, in Sausenhofen, Dittenheim, Westheim Obermögersheim und im Ries. Die Grafen von Oettingen betrachteten mit Argwohn, wie die Gelder ihrer Untertanen durch die Wallfahrer "außer Landes" flossen und schritten zu Gegenmaßnahmen. Sie errichteten auf ihrem Kappelbuck bei Hechlingen eine eigene Wallfahrtskirche und wirkten auf ihre Hintersassen im Ort und im Umland ein, ihre Gnadenstätte auf dem Kappelbuck bei Hechlingen zu besuchen. Der Bischof von Eichstätt, Johann von Eich, unterstützte die Maßnahmen der Grafen von Oettingen, indem er, nachdem die Kapelle errichtet war, einen Stiftungsbrief "zum Lobe Gottes, der Jungfrau Maria und der heiligen Katharina und aller Heiligen ausstellte" (12).

Ob freilich die Gemeinde Hechlingen (13) diese Frühmesse allein stiftete mag bezweifelt werden. Um eine derartig große Kapelle, wie die auf dem Katharinenberg zu errichten, bedurfte es schon eines Mächtigen, der über die Arbeitskraft seiner Untertanen verfügte und die nötigen Mittel bereitstellen konnte. Das waren im 15. Jahrhundert die Grafen von Oettingen, die in Hechlingen in Konkurrenz zu den Burggrafen von Nürnberg eine eigene Adelsherrschaft aufbauen wollten, die zur Landesherrschaft führen sollte, was noch bis in das 18. Jahrhundert nachwirkte. Nicht ohne Grund beruft sich Graf Ludwig der Ältere zu Oettingen 1544 darauf, dass "seine Voreltern nit wenig sondern das mehrere an der Fühmeß oder Kaplanei St. Katherina daselbst auf dem Berg gegeben, auch diese Kaplanei begabet hätten" (14).

Die Grafen von Oettingen spielten in Hechlingen wie auch im Bereich der Grundherrschaft des Klosters Heidenheim im hohen und ausgehenden Mittelalter eine bedeutende Rolle. In Hechlichen selbst wie im unteren Rohrachtal waren sie seit alter Zeit begütert und standen in Konkurrenz zuerst zu den Grafen von Truhendingen und dann zu deren Nachfolgern, den Burggrafen von Nürnberg, den späteren Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Die Besitz- und Rechtsverhältnisse lagen aber bunt durcheinander. In dem Bestreben, diese zerstreut liegenden Flecken von Besitz und Herrschaftsanteilen zu einer flächengreifenden Territorialherrschaft auszubauen, entdeckten die Grafen von Oettingen im 15. Jahrhundert als einigendes Band auch die Wallfahrtsbewegung. Um ihre eigenen Untertanen in diesem Rankenwerk von Grundherrschaft und Gerichtsherrschaft durchwirkten Raum durch eigene geistliche Betreuung ideologisch auszurichten, wurde auf dem Kappelbuck die Katharinenkapelle errichtet. Sie galt als Gnadenstätte und Verbindungselement für die in Hechlingen, Ursheim, in Sammenheim, in Dittenheim und Umgebung wohnenden oettingischen Untertanen und als religiöser Kontakt für die einer gemeinsamen Herrschaft zugehörigen Menschen. Helmut Lausser hat in seinem Aufsatz "Die Wallfahrten des Landkreises Dillingen" den "Versuch einer Wallfahrtstypologie unter dem Gesichtspunkt ihrer Verwendung als Mittel zum Ausbau oder zur Festigung von Herrschaft durch ideologische Einflussnahmen auf die Untertanen" unternommen und Beispiele gebracht, wie die Grafen von Oettingen Wallfahrtsstätten im Dillinger Raum dazu benutzten, um ihre Herrschaft auszubauen (15).

Die beiden auf benachbarter Position in Mariabrunn bei Heidenheim und St. Katharinenberg in Hechlingen stehenden Wallfahrtskirchen dürfen wir ebenfalls als Konkurrenzunternehmen zwischen der Herrschaft Oettingen und den Burggrafen von Nürnberg betrachten. Das Kloster Heidenheim gelangte schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter den Einfluss des Burggrafen von Nürnberg. Abt Wilhelm von Vestenberg (1427-1446) nennt 1428 den Markgrafen "seinen Herrn" (16). Mit dem Kloster Heidenheim wanderte auch die Gnadenstätte Mariabrunn unter die Herrschaft der Markgrafen.

Wappen der Grafen von Oettingen
Wappen der Grafen von Oettingen

Als gegenseitige Positionen zwischen der Markgrafschaft Ansbach und der Grafschaft Oettingen könnte man die Wallfahrtskirche Mariabrunn in Heidenheim und St. Katharina in Hechlingen betrachten. Das Einzugsgebiet für die Wallfahrtskirche Mariabrunn waren die zahlreichen Untertanen des von den Markgrafen beherrschten Klosters Heidenheim. Das Einzugsgebiet für St. Katharina die oettingischen Untertanen im Hahnenkamm und Altmühltal. Es ist bemerkenswert, dass die Gruppe der spätmittelalterlichen Wallfahrtskirchen nur sehr spärlich sich mit schriftlichen Quellen belegen lässt. Dies gilt vor allem für St. Katharina in Hechlingen, aber auch Mariabrunn wird unter der Bezeichnung Wallfahrtskirche kaum genannt. Trotzdem wird man beiden Gnadenstätten den Charakter als Wallfahrtsort nicht absprechen können, wenn man alle auch oft unbedeutend erscheinenden Elemente zusammenfügt.

Für die Großzahl der spätmittelalterlichen Wallfahrtskirchen wurde Maria, unsere liebe Frau, als Patronin gewählt. Auch im Stiftungsbrief für die Frühmesse in Hechlingen, die die Wallfahrtskirche zu betreuen hatte, lautet die Widmung: "zum Lobe Gottes, der Jungfrau Maria und der Heiligen Katharina und aller Heiligen". Da aber in Mariabrunn schon die Mutter Gottes als Patronin der Wahlfahrtsstätte hatte und in Heidenheim an der Klosterkirche noch eine Marienkapelle angebaut war, sollte wohl für die Hechlinger Wallfahrtskirche die heilige Katharina als Schutzherrin zur Unterscheidung dienen. Die Tatsache, dass beide Wallfahrtskirchen in der Reformationszeit gleichzeitig erloschen sind, ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, dass die Hechlinger Gnadenstätte von der evangelischen Linie der Grafen von Oettingen gegründet wurde, die im 16. Jahrhundert zum Luthertum übertrat und 1731 erlosch. Wie häufig zu beobachten ist, dass im Zuge der Herrschaftsbildung (Territorialisierung) zwei Burgen in unmittelbarer Nähe als Stützpunkt territorialer Bestrebungen in unmittelbarer Nähe nebeneinander stehen und doch zweien Herren gehören, so auch unsere zwei Wallfahrtskirchen in Mariabrunn und Hechlingen. Sie waren nicht nur Gnadenstätten für Hilfesuchende, sondern Stützpunkte zur Durchführung herrschaftlicher Ansprüche und zur geistlichen Einflussnahme auf die Untertanen.

Die Ausstattung der Wallfahrtsstätte Mariabrunn

Handwerker
Bauhandwerker

Die von Gabriel Kellner um 1423 gestiftete und dem Kloster inkorporierte Kapelle mag für die Anfangsjahre der Wallfahrtsstätte Mariabrunn ausgereicht haben. Mit Besucherströmen aus weiter Ferne konnten die Mönche des Klosters Heidenheim ohnedies nicht rechnen, denn Wallfahrtskirchen niederen Ranges für Zusammenkünfte an Gnadenstätten entstanden in dem Jahrhundert der "Frömmigkeit ohne Grenzen" vor der Reformation an vielen Orten. Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir vermuten, dass zu gleicher Zeit in unmittelbarer Nähe von Marienbrunn auch die benachbarte Katharinenkapelle auf dem Berg über Hechlingen mit Hilfe der Grafen von Oettingen als Wallfahrtsstätte geplant wurde.

Um diese Zeit des frühen 15. Jahrhunderts darf man freilich noch nicht erwarten, dass großartige Wallfahrtskirchen wie später in der Barockzeit entstanden, wo man förmlich - bildhaft gesprochen - den Himmel aufgerissen und auf die Erde niedergeholt hat. Nein, die Wallfahrtsstätten des 15. Jahrhunderts wuchsen aus bescheidenen Anfängen empor und blieben meist Gnadenstätten der Volksfrömmigkeit in bescheidenen Ausmaßen. Die um 1423 genannte, von Gabriel Kellner gegründete Kapelle mag wohl um die Mitte des 15. Jahrhunderts durch eine größere Wallfahrtskirche ersetzt worden sein, die Heinrich Keerl im Jahre 1794 beschrieb und von ihr ein Bild veröffentlichte (17).

Die Quellen über Bau und Inneneinrichtung der Wallfahrtskirche fließen sehr spärlich. In den Rechnungsbüchern des Klosters Heidenheim steht zwar eine Fülle von Ausgaben, die Maurer, Maler und Zimmerleute betreffen, aber meist fehlt die Angabe, wo sie gearbeitet haben, ob im Kloster oder an der Wallfahrtskirche Mariabrunn. Über einfache Karrenknechte und Steinschlager, die vom Abt gedingt wurden, ist oft mehr niedergeschrieben als über Maler, Bildschnitzer und Meister des Bauhandwerks. Über Bauten in Mariabrunn erfahren wir:

Es fragt sich nur, um welches Haus es sich bei dem Eintrag handelt? Sicherlich nicht um die Wallfahrtskirche, sondern um das Wohnhaus des Propstes, ein Fachwerkhaus, an dem 2 Jahre von Maurern und Zimmerleuten gearbeitet wurde, wobei man wohl die Wintertage mitrechnen muss, denn die Einträge sprechen von Sommer- und Winterlohn. Es dürfte ein für damalige Verhältnisse stattlicher Wohnbau gewesen sein. 1537 anlässlich der Inventarisierung der Propstei ist von einer "oberen Stuben, einem kleinen Stüblein daneben, von einem Soler (Flur im ersten Stockwerk) von der oberen Stuben, von einem kleinen hinteren Stüblein, einer Kammer dabei, einer Kammer neben dem kleinen Stüblein, der Gesindestuben, vom Soler vor der Gesindestuben, von der Magdkammer, der Knechtkammer und der Küche" die Rede (19).

Die Wirtschaftsgebäude des Bauhofes mit dem Stall der Baupferde (Zugpferde), wo die Knechte liegen, dem Kuhstadel, dem oberen Stadel, dem Hennenhaus, der Speisekammer lagen getrennt vom Wohnhaus. Beschäftigt war als Zimmermann ein Meister Matthes, der um unterschiedlichen Winter- und Sommerlohn arbeitete (20). Von einem Wirtshaus, das auch schon um 1450 zu einer größeren Wallfahrtsstätte gehörte und in der Barockzeit fast unentbehrlich erschien, ist in Mariabrunn nichts zu finden. Man wird wohl nach dem Besuch der Wallfahrtsstätte an Markttagen in den Schenken des Marktes eingekehrt sein, wo man Bekannte und Verwandte traf und den bescheidenen Freuden des Tages huldigte, vielleicht auch etwas zu tief n den Weinkrug schaute.

Das bedeutendste Bauwerk einer Wallfahrtsstätte war natürlich die Kirche. Über ihr ursprüngliches Aussehen ist nicht viel zu erfahren, ebenso wenig wie über ihre Ausstattung. Dass sie der heiligen Maria, unserer lieben Frau, geweiht war, ist für eine Wallfahrtskirche üblich, aber sie wird in den Quellen kaum unter der Bezeichnung Wallfahrtskirche genannt. Merkwürdig erscheint, dass ihrer Entstehung keine Gründungslegende vorausgeht. Sie wird aber als Wallfahrtskirche planmäßig ausgestattet.

Abt Peter Hagen, der vorher schon Propst von Mariabrunn war, bevor er mit der Leitung des Klosters betraut wurde, holte nach, was eine Wallfahrtskirche jener Zeit brauchte: ein Marienbild. Er wählte aber kein Gemälde aus, sondern eine Tonfigur. So steht im Rechnungsbuch geschrieben:

Es ist anzunehmen, dass diese Figuren aus Ton geformt waren, da sie von dem Hafner Vogel von Dietfurt bezogen wurden. In Dietfurt wurde schon seit unvordenklicher Zeit aus einer Grube hervorragende Tonerde gegraben (22). Womöglich wollte der Abt hier seine Wallfahrtskirche mit einem besonderen Kunstwerk ausstatten, aber es sollte nach dem Kunstgeschmack der Zeit farbig gefasst werden. Das geschah denn auch und so finden wir auf Seite 60 im Rechnungsbuch wieder die Notiz:

Als Fassmaler für die Tonfiguren wirkte wohl der Oettinger Maler, den man "den alten Hansen" nannte, der auch 1478 ein Hungertuch für die Klosterkirche malte (24). Dass er auch in der Kirche zu Mariabrunn arbeitete, wird aus folgendem Eintrag klar:

Dieser Meister Hansen der Alte aus Oettingen hat in dieser Zeit in Heidenheim viel gemalt, wie folgender Eintrag berichtet:

Ob er freilich die einzelnen Bilder und Holzfiguren für die Klosterkirche oder für die Wallfahrtskirche in Mariabrunn bearbeitete, wird in den Einträgen oft nicht unterschieden. So lassen sich nur wenige sichere Zeugnisse über die Ausstattung der Wallfahrtskirche finden.

Georg von Ansbach
Markgraf Georg der Fromme von Brandenburg-Ansbach
Gemälde von Lucas Cranach dem Jüngeren

1530 - 1551: Streit um die Besetzung der Propstei Mariabrunn

Nach den Wirren der Reformation und des Bauernkrieges kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung der Konventualen im Kloster Heidenheim um die Leitung der klostereigenen Propstei Mariabrunn. Diese war wohl als gediegene Versorgungsstätte für einen Konventualen sehr begehrt. Deshalb buhlte man förmlich um die Gunst des Markgrafen Georg, der nach dem Tode seines Bruders, des Markgrafen Kasimir im Jahre 1527 die Leitung des Fürstentums Brandenburg-Ansbach übernahm.

Da war ein Konventuale namens Johann Muntscheller, der Neffe des alten Abtes Christoph Muntscheller, der glaubte, die erste Anwartschaft auf die Stelle eines Propstes zu Mariabrunn zu haben, denn er war schon vor dem Bauernkrieg von seinem Onkel Christoph Muntscheller, dem letzten geweihten Abt des Klosters Heidenheim, zum Propst von Mariabrunn bestimmt worden. Er wandte sich an Markgrafen Georg und bat um die Wiedereinsetzung als Propst. Er legte dem Markgrafen dar, dass er während des

Dieser Darstellung widersprach der Titularabt Balthasar Rößner des Klosters energisch bei Markgraf Georg: Johann Muntscheller habe von Markgraf Kasimir eine solche Vertröstung nie erhalten. Er habe kein Vieh zu einem Kuchenfleisch gegeben, sondern sich

Nicht Hans Muntscheller, sondern Peter Hörnlein wurde zu einem Propst von Mariabrunn verordnet. Markgraf Georg entschied sich 1530 für Hans Muntscheller als Propst von Mariabrunn und schrieb an den Titularabt Balthasar Rößner:

Balthasar Rößner wurde am 27.12.1529 zum Abt des Klosters Heidenheim ernannt. Allerdings hatte er nicht mehr den Einfluss seiner Vorgänger, die durch den Konvent gewählt waren. Mit dem Verlust der freien Abtwahl durch die Mönche ging auch die Selbständigkeit des Klosters verloren und der weltlichen Einflussnahme durch den Markgrafen waren nun Tür und Tor geöffnet. Der neue Abt Balthasar Rößner war in Wirklichkeit nur Verwalter des Klosters mit dem Titel Abt. Er musste versprechen, bei der Verwaltung des Klosters allen Anordnungen des Landesherren zu folgen und jederzeit bereit sein, seinen Titel wieder abzutreten. Diese Einsetzung des Abtes in ein Dienstverhältnis gegenüber dem Markgrafen hatte nun auch Auswirkungen auf die Besetzung der Propstei Mariabrunn. Hans Muntscheller, der schon einmal durch die Gunst seines Onkels, des alten Abts Christoph Muntscheller, Propst von Mariabrunn war und vom Konvent zum Verwalter des Klosters präsentiert worden war, musste unter dem Einfluss des Kanzlers Vogel dem vom Markgrafen als Verwalter eingesetzten Balthasar Rößner weichen (29).

Johann Muntscheller trat in den Konvent zurück, wohl verärgert, weil sein Gegner Balthasar Rößner nun auf Anordnung des Markgrafen Georg Verwalter des Klosters geworden war. Deshalb erhob er jetzt beim Markgrafen Georg Anspruch auf die Propstei Mariabrunn. Der Markgraf wollte ihm diesen Wunsch auch erfüllen. Doch auf der Propstei saß schon Peter Hörnlein als Propst. Der Markgraf verlangte vom Titularabt Rößner:

Es kam aber nicht mehr soweit. Peter Hörnlein, der damalige Propst, widersetzte sich allen markgräflichen Anordnungen.

Streit zwischen Peter Hörnlein und Jakob Türk

Inzwischen war ein junger Konventuale namens Jakob Türk, der zum Studium nach Ansbach gelassen worden war, wo er sich auch fleißig im Predigen übte, zurückgekommen und bat, man solle ihm die Rückkehr ins Kloster erlassen. Er fühle sich nicht berufen, Kutten anzuziehen und sich Platten scheren zu lassen, sondern zur Predigt des Wortes Gottes. Er schlug dem Markgrafen vor, in Degersheim, das er früher schon 3 Jahre vom Kloster Heidenheim aus versehen hatte, eine eigene Pfarrei zu errichten und ihm diese dann zu verleihen. Von dort aus wolle er auch Rohrach versehen. Gelinge dieses Vorhaben aber nicht, wolle er auch von der Propstei Mariabrunn aus auch Degersheim und Rohrach betreuen.

Doch dieser Gedanke, in Degersheim eine eigene Pfarrei zu errichten, fand beim Titularabt Balthasar Rößner keinen Gefallen, weil man dort erst einen eigenen Pfarrhof errichten und Güter erwerben müsse. Doch der Vorschlag Türks, er wolle von Mariabrunn aus Degersheim und Rohrach seelsorgerlich betreuen, gefiel dem Abt. Peter Hörnlein müsse dabei die Propstei räumen und ins Kloster zurückkehren. Um diesem Plan Nachdruck zu verleihen, wurden Peter Hörnlein als Propst von Mariabrunn noch rückständiges Verhalten nachgesagt.

Daraufhin verfügte der Markgraf am 18.8.1534, dass Peter Hörnlein ins Kloster zurückkehren und seine Propstei J. Türk übergeben solle, der nun von da aus Degersheim mit Predigt und Sakrament zu versehen hätte (32). Doch auch diesmal weigerte sich der alte Propst Peter Hörnlein, Mariabrunn zu verlassen. Die Mönche im Konvent des Klosters stellten sich auf seine Seite. Sie waren auf Türk sehr verhasst. Sie erklärten, "Mariabrunn sei ihr bestes Solacium (Zuflucht), wenn sie spazieren gingen" (33). Der Titularabt Balthasar Rößner wusste nicht, wie er den Streit zwischen J. Türk und Peter Hörnlein entscheiden sollte. Eine eigene Pfarrei für Türk in Degersheim zu errichten, ließ sich der Kosten wegen nicht ermöglichen und den alten Propst Peter Hörnlein gewaltsam von der Propstei zu entfernen, wagte er auch nicht. Auch durch einen neuen Befehl des Markgrafen ließ sich der alte Propst Peter Hörnlein nicht bewegen, die Propstei für Jakob Türk zu räumen. Er begründete seine starre Haltung damit, dass nach dem Bauernkrieg ihm die Propstei Mariabrunn übergeben worden sei und dass man, so er sich "ehrbarlich" halte, ihn nicht vertreiben werde. Des papistischen Meßhaltens habe er sich seit Ausgang der Kirchenordnung enthalten, das Sakrament nicht nur unter beiderlei Gestalt ausgeteilt, sondern selbst im Kloster empfangen. Er selbst habe 14 Jahre vor dem Bauernkrieg Degersheim von Heidenheim aus versehen und das könne Jakob Türk auch tun.

Am 18.9.1534 wurde der letzte Versuch unternommen Peter Hörnlein, den Propst von Mariabrunn, zur Rückkehr ins Kloster zu bewegen. Balthasar von Rechenberg, der Kastner Wolf Gravenstetter und der Rat von Heidenheim wurden beauftragt, zwischen Jakob Türk, der die Propstei beziehen und Peter Hörnlein, der sie räumen sollte, zu vermitteln. O Wunder! Der Streit um die Propstei schien zu Ende zu gehen. Peter Hörnlein willigte ein, ins Kloster zurückzukehren. Als Begründung gab er an, er könne wegen Schwachheit und hohen Alters die Propstei Mariabrunn und die Pfarrei Degersheim zu gleicher Zeit, wie der Markgraf wünsche, nicht mehr versehen. Am Weißen Sonntag wolle er ins Kloster zurückkehren. Doch als der Termin herankam, weigerte sich der Propst Peter Hörnlein sein warmes Nest in Mariabrunn zu verlassen. Er erklärte, der Markgraf habe kein Recht ihn zu vertreiben. Er habe die Propstei gut verwaltet, predigen könne er nicht mehr wegen seiner schlechten Augen. Die Räte hatten Einsicht mit ihm. Sie entschieden, Jakob Türk solle sich nicht mehr um die Propstei bemühen. Solange keine Klosterpfarrei frei werde, solle Türk von Heidenheim aus die Orte Degersheim und Rohrach versehen und vom Kloster unterhalten werden. Ins Kloster könne er nicht mehr eintreten, weil er verheiratet war. Das erregte natürlich den Neid der älteren Konventualen. Doch dieser Zustand dauerte nicht lange. Bereits am 3. November 1535 bezog Jakob Türk die klostereigene Pfarrei Ursheim. Damit war der Streit zwischen Peter Hörnlein und Jakob Türk um die Propstei Mariabrunn entschieden.

Balthasar Rößner wird Propst von Mariabrunn

Am 27. Dezember 1529 wurde Balthasar Rößner zum Abt des Klosters Heidenheim von Markgraf Georg ernannt (nicht von den Mönchen frei gewählt). Im Kloster regte sich heftiger Widerstand. Der alte Abt Christoph Muntscheller(1500-1528), der mit seiner Metze Walburga in Wassertrüdingen lebte und selbst in seinem sittlichen Lebenswandel nicht tadelfrei war, ersuchte den Markgrafen, diesen Schritt rückgängig zu machen. Balthasar Rößner habe jüngst in Ansbach sich an einem Mädchen vergangen und 2 junge Mönche zu dem gleichen Schritt verleitet. Außerdem wurde er von neidischen Konventbrüdern beschuldigt, widernatürliche Unzucht getrieben zu haben.

Falsche Beschuldigungen und allgemeines Gerede im Markt trugen dazu bei, den neuen Abt ordentlich zu beschmutzen, obwohl die Konventbrüder nur aus Neid Balthasar Rößner seinen Einstand erschwerten und selbst nicht frei von Schuld waren. Nachdem er sich mehrere Jahre mit den Konventualen herumgestritten und 1535 den evangelischen Gottesdienst im Kloster durch die Berufung des Pfarrers Hansen Bierbräu aus Ursheim nach Heidenheim bewirkt hatte, trat trotz allem kein Friede im Kloster ein.

In Ansbach war man erbost darüber, dass der Abt Balthasar Rößner keine Rechnungen vorlegte und Misswirtschaft im Kloster walten ließ. Öfters wurde er mit Konventualen nach Ansbach bestellt, wo diese ihn wegen Verheiratung anklagten. Er hatte die Schwester des Klosterbäckers und Müllers Kaspar Peuerlein geheiratet und kam dadurch in Verdacht, durch seine Verheiratung gingen Zinsen und Gülten des Klosters verloren.

Doch von den Konventualen hatte auch jeder seine Metze (Dirne), die alle aus- und einstiegen. Und so reihten sich Vorwürfe an Vorwürfe. Die Räte in Ansbach, die öfters die gegenseitigen Anschuldigungen verhörten, kamen zu dem Entschluss, dass Friede in Heidenheim nur einkehren könnte, wenn einer der streitenden Teile entfernt würde. Titularabt Rößner solle auf seine Stelle verzichten, aber auch der Prior und die ehemaligen Mönche führten kein sittenreines Leben und hatten sich verheiratet oder hielten sich eine Metze.

Angesichts solcher Zustände bat der Titularabt Balthasar Rößner den Markgrafen, ihn gegen ein Deputat zu entlassen oder ihm die Propstei Mariabrunn zu überlassen. Rößner hoffte, die Propstei umso sicherer erlangen zu können, nachdem er manche Dienste der Markgräfin Hedwig geleistet hatte. In Ansbach war man froh, dass die widerlichen Streitigkeiten zwischen dem Titularabt Rößner und dem Konvent so leicht aus dem Weg geräumt werden konnten. Peter Hörnlein, der bisherige Propst kehrte nun ins Kloster zurück und erhielt dafür Geld. Balthasar Rößner, der Titularabt, bezog die Propstei Mariabrunn, hatte von dort aus Degersheim und Rohrach zu versehen und blieb Propst von Mariabrunn bis zu seinem Tode 1550. Er hat dreimal geheiratet.

Teufel und Augustin
Der Hl. Augustinus und der Teufel
Gemälde von Michael Pacher um 1470

Petrus Eck, der letzte Propst von Mariabrunn

Am 12. August 1537 wurden Johann Muntscheller und Peter Hörnlein als Verwalter des Klosters Heidenheim bestätigt. Das Kloster war nun völlig in die Verwaltung des Markgrafen gelangt. Am 18 Dezember 1550 starb Balthasar Rößner auf seiner Propstei Mariabrunn. Wieder war die "gnädiglich bewilligte, die zur Notdurft meiner Leibsnahrung samt dem Vieh und Hausrat" (Rößner) versehene Stelle eines Propstes frei geworden und sofort fanden sich auch wieder Bewerber.

Johann Muntscheller, der zusammen mit Peter Hörnlein seit 1537 Verwalter des Klosters war, allerdings unter Mitwirkung weltlicher Beamter des Markgrafen, richtete mit der Todesanzeige des Propstes Balthasar Rößner am 18.12.1550 zugleich die Bitte an die gnädigen und günstigen Herren in Ansbach, weil er "Alters halben die Verwaltung des Klosters nicht mehr verwesen könne" die Bitte nach Ansbach, man möge ihm die Propstei "vor anderen" gnädiglich verleihen. Er war schon einmal vor dem Bauernkrieg durch die Gunst seines Verwandten, des alten Abtes Christoph Muntscheller, Propst von Mariabrunn gewesen und kannte wohl die Vorzüge, die diese Stelle einem Bewerber bot. Nun aber war er alt geworden und sollte von Mariabrunn aus auch noch Degersheim und Rohrach versehen.

Es bewarb sich aber noch ein jüngerer aus dem Kreis der ehemaligen Konventualen des Klosters. Er hieß Peter Eck, stammte aus Weißenburg, war mit 12 Jahren in das Kloster Heidenheim gekommen und hatte vom Kloster aus die Pfarrei Degersheim versehen. Später erhielt er die Pfarrei Sausenhofen und Obermögersheim. Nach dem Tode Balthasar Rößners am 18.12.1550 bewarb er sich um die Propstei Mariabrunn. Der Markgraf und seine Räte waren nicht abgeneigt, ihm diese zu verleihen, holten aber zuvor Rat beim Klosterverwalter Johann Muntscheller ein. Dieser wollte ja selbst die Propstei erlangen.

Er (Muntscheller) plante, seinem Schwager namens Briefzeiger den

Doch aus diesem Plan Johann Muntschellers wurde nichts. Nach dem die Witwe Balthasar Rößners die Propstei verlassen hatte, zog Peter Eck auf. Er, der letzte Mönch des Benediktinerklosters Heidenheim, verwaltete die Propstei und die Pfarre Degersheim bis zu seinem Tod.

Verfall der Wallfahrtskirche

Mit der Einführung des evangelischen Bekenntnisses im Kloster um 1535 war der Zeitpunkt gekommen, in dem auch die Wallfahrten nach Mariabrunn zu Ende gingen. Die Konventualen im Kloster mussten nach der Brandenburgischen Kirchenordnung leben. Dem seit dem Bauernkrieg 1525 als Propst in Mariabrunn tätigen Peter Hörnlein warf man allerdings vor, er warte nur auf ein neues Papsttum. Er habe nur dann eine Messe zu halten, falls die Kapelle besucht würde. Peter Hörnlein habe allerdings nichts anderes zu tun, als den Leuten die Kapelle aufzusperren und eine Messe zu halten. Die halte er für ein Gotteswerk und rühme die Jungfrau Maria über Christus (35). Doch schließlich musste er sich hinfort nach der Brandenburgischen Kirchenordnung richten.

Damit hörten wohl auch die Einzelwallfahrten auf. Die Kirche konnte nicht mehr ihren Zweck erfüllen, die Gebäude begannen langsam zu verwahrlosen. 1551 schrieb Johann Reimann, der frühere Überreiter und jetzige Verwalter an die Räte nach Ansbach,

Aus Ansbach kam der Befehl an den Verwalter Reimann:

Es geschah anscheinend nichts. Daraufhin berichtete der Klosterverwalter wieder an die Räte nach Ansbach

Deshalb wieder die Bitte um einen verständigen Baumeister und wie dem zu tun wäre.

Dem Verwalter überkam wohl die Angst, der Dachstuhl könnte einstürzen und der Markgraf würde ihn dafür zur Verantwortung ziehen. In Ansbach hatte man wohl andere Sorgen, als sich um die verfallende Wallfahrtskirche in Heidenheim zu kümmern. Alsbald wurde diese zum Ziel von Dieben. Nun fühlte sich der pflichtbewusste Verwalter und ehemaliger Überreiter des Klosters Heidenheim wieder nach Ansbach zu berichten,

Er stellt wieder an Ansbach die Frage, wie er sich

Ob die untertänig Bitte mit schriftlichem Bericht in Ansbach Gehör gefunden hat, ist nicht bekannt. Die ehemalige Wallfahrtskirche zu Mariabrunn begann um die Mitte des 16. Jahrhunderts zu verfallen und dieser Prozess setzte sich fort. Heute sind die letzten Spuren einer ehemaligen Wallfahrtskirche verschwunden, nur noch der Name Marienbrunn erinnert an sie.

Anmerkungen:

  1. Friedrich Lutz, Hechlingen am See, 1100 Jahre Heimatgeschichte, Herausgeber Marktgemeinde Heidenheim 1999, S.53 - 56.
  2. "Gunzenhäuser Heimatbote" Bd. III, Nr.14, S. 54.
  3. St.A. Nürnberg, Rep.165a, Nr.697 unter Heidenheim
  4. St.A. Nürnberg, Rep. 122, Nr.53, S.53
  5. Urbar des Burggrafentums Nürnberg, Mon. Boica, Neue Folge I, S. 37r
  6. Klaus Sturm, Geschichte des Klosters Auhausen a. d. Wörnitz, S.51 in Sammelblatt d. Hist. Vereins Eichstätt, 63 Jhg. Gerhard Leidel, Geschichte der Benediktinerabtei Wülzburg, Mittelfränkische Studien Bd. 4, S. 363
  7. Robert Schuh, Hist. Ortsnamenbuch v. Bayern, Landkreis Gunzenhausen Nr. 168, Mariabrunn.
  8. Urbar des Burggrafentums Nürnberg, Mon. Boica, Neue Folge I, S. 37r
  9. Heidingsfelder, Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 26, Erlangen 1938
  10. Karl Puchner, Patrozinienforschung und Eigenkirchenwesen mit besonderer Berücksichtigung des Bistums Eichstätt, Nürnberg 1932
  11. Walter Haas, Stiftergrab und Heiligengrab, in Jahrbuch d. bay. Denkmalpflege, Bd. 28, Sonderdruck, München 1973.
  12. Wie Anmerkung 1, S. 186 ff.
  13. Wie Anmerkung 1, S. 186
  14. Wie Anmerkung 1, S. 188
  15. Helmut Lausser, Die Wallfahrten des Landkreises Dillingen, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 1977 Bd. 40, Heft 1, S. 75 -119.
  16. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 707, S. 37: Was ich meinem herrn, dem Margrafen dien. Item ich habe meinem Herrn dem Margrafen zwu Fert (Fuhren) gen der Kadolzburg, do haben die Knecht zu jeglicher Fahrt verzehrt 7 liber.
  17. Karl Dehm, Die Propstei Mariabronn, in: Fränkische Heimat 1933, Jhg. 12, S. 415-417.
  18. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 703, S. 102b
  19. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730, S. 67-69
  20. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 703, S. 103
  21. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 704, S. 47
  22. Darüber: Ingolf Bauer, Treuchtlinger Geschirr, Deutscher Kunstverlag 1971, S. 36 ff.
  23. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 704, S. 60
  24. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 704, S. 56
  25. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 704, S. 56
  26. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 704, S. 57
  27. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730 S. 3
  28. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730 S. 3
  29. K. Schornbaum, Die Säkularisation des Klosters Heidenheim, Neuendettelsau 1906, S. 14/15
  30. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730 S. 16
  31. K. Schornbaum, Die Säkularisation des Klosters Heidenheim, Neuendettelsau 1906, S. 29
  32. K. Schornbaum, Die Säkularisation des Klosters Heidenheim, Neuendettelsau 1906, S. 29/30
  33. K. Schornbaum, Die Säkularisation des Klosters Heidenheim, Neuendettelsau 1906, S. 30
  34. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730 S. 37
  35. K. Schornbaum, Die Säkularisation des Klosters Heidenheim, Neuendettelsau 1906, S. 29
  36. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730, S. 57
  37. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730, S. 58
  38. St.A. Nürnberg, Rep. 165a, Nr. 730, S. 59

Staatsarchiv Nürnberg Rep. 165a Nr. 730:

Folium 66:

Fol. 67:

Fol. 68

Seite 71:

Fol.73:

Tegerschaim

Schobdach

PEROLTZHAIM