Heidenheim

Stützpunkt der angelsächsischen Mission

Kloster Heidenheim und die angelsächsiche Mission

Heidenheim
Das Münster zu Heidenheim

Wer an einem Sommertag nach Heidenheim kommt, sieht dort auf dem Marktplatz vor der Kirche bisweilen einen oder mehrere Omnibusse stehen. Von weither sind sie gekommen. Findet etwa ein Fest oder eine Versammlung statt? Nein, die Wagen gehören Ausflüglern. Einige von ihnen suchen in den Wäldern um Heidenheim frische Luft zu genießen. Die meisten sind aber nur auf der Durchreise. Sie wollen die einzig schöne Kirche in Heidenheim besichtigen, für einige Minuten stille werden und die feierliche Wirkung dieses geweihten Raumes erleben. Diese Kirche war einmal eine Klosterkirche. Rings um die Kirche standen einst die Häuser, Scheunen und Ställe, die nun einmal ein Kloster im Mittelalter zu seinem Unterhalt brauchte.

Sie sind längst verschwunden, die Kirche aber ist bis in unsere Tage erhalten geblieben, ein Zeuge des sich durch die Jahrhunderte immer wieder erneuernden Glaubensdranges der Menschen zu Gott. Das Kloster Heidenheim selbst ist freilich noch viel älter als die jetzige Kirche. Es wurde um 752 gegründet und ist damit eines der ältesten Klöster unserer fränkischen Heimat. Der Mann, der den Anstoß zu dieser Klostergründung gab, war Wunibald, ein Angelsachse von Geburt. Wir würden heute sagen: Wunibald war ein Engländer. Nun wird man natürlich mit Recht die Frage erheben: Wie kommt ein Angelsachse aus der damals so fernen Insel England vor 1250 Jahren dazu, ausgerechnet hier im Hahnenkamm ein Kloster zu gründen?

Wollen wir diese edle Tat verstehen, so müssen wir einen Blick in Wunibalds angelsächsische Heimat richten und die dortigen Menschen in ihrem Glaubenseifer beobachten.

Die Angelsachsen

Früher als ihre germanischen Stammesgenossen auf dem Festland, wurden die Angelsachsen auf der Insel England für das Christentum gewonnen. Papst Gregor der Große (590-604) sandte im Jahre 596 den Vorsteher seines römischen Andreasklosters, Augustin, mit einer Schar von etwa 40 Mönchen aus, um den germanischen Eroberern Britanniens die Lehre von Jesus Christus zu predigen. Den Gedanken soll ihm, schon ehe er Papst geworden, der Anblick angelsächsischer Jünglinge auf dem Sklavenmarkt in Rom eingegeben haben. Es war ein staunenswertes Unternehmen, zu dem Gregor der Große hier den Anstoß gab, eine Tat von wahrhaft geschichtlicher Tragweite. Der äußerste Süden der lateinischen Kirche und der ferne Nordwesten reichten sich durch diese Missionsarbeit die Hand und ermöglichten dadurch die Idee eines gesamtkirchlichen Zusammenhaltes des Abendlandes, die dem Auseinanderleben in verschiedene Landeskirchen entgegenwirken konnte. Von größter Bedeutung war es, dass den Angelsachsen der neue Christengott zuerst durch römische Missionare unmittelbar gepredigt wurde.

Die neubekehrten Germanen machten sich die Religion, der sie sich anschlossen, nach ihrer Art und ihren Vorstellungen mundgerecht. Für vieles fehlte ihnen zunächst überhaupt das Verständnis. Ihre früheren Götter hatten mit Gut und Böse nichts zu tun, sie waren Naturkräfte und darum sittlich gleichgültig. Dass man Gott beleidigen könnte durch sittlich schlechtes Handeln, war ihnen unbekannt. Vollends unbegreiflich war den Germanen die Gestalt eines leidenden und duldenden Gottes. Mit dem Freund des armen und niederen Volkes, der die Mühseligen und Beladenen zu sich ruft, wussten sie nichts anzufangen. Reue und Buße in späterem christlichen Sinne war ihnen unbekannt.

Dagegen fesselte sie eine andere Seite an der Gestalt Jesu: der mächtige Gottessohn, der siegreich gegen Hölle und Teufel kämpft, der, umgeben von der Schar seiner Jünger, durch die Lande zieht und durch Zeichen und Wunder seine Macht erweist. Unter dem Herrn Christus verstanden die Angelsachsen darum ganz von selbst einen Gefolgsherrn. In das Gefolge des mächtigen und milden Himmelskönig eintreten, sich ihm angeloben zum Dienst, das hieß für die Germanen Christ werden. Nicht jeder kann nun dem Himmelskönig persönlich dienen. In das unmittelbare Gefolge eines großen Fürsten werden nur die Vornehmsten aufgenommen. Das waren nach ihrer Vorstellung die Apostel und die Heiligen. Aber vornehme Gefolgsmannen eines großen Königs haben selbst wieder um sich ein Gefolge. Hier kommen dann die minder vornehmen Leute unter. Da wählt sich der Mann, der in den Kriegsdienst des großen Himmelskönigs treten will, einen der mächtigen Gefolgsleute des Königs zu seinem Herrn und Beschützer und tritt in seinen Dienst. Wenn er ihm im Leben treu dient, dann kann er am Tag des Gerichts ein mildes Urteil erwarten, denn die Heiligen sitzen beim Weltgericht auf der Bank des Richters.

Wer nun unter den vielen Heiligen, die das Gefolge des Himmelskönigs bilden, nach einem besonders mächtigen und einflussreichen Umschau hielt, der musste ohne weiteres auf den Apostel Petrus kommen. Er war ja der Apostelfürst, also der vornehmste und mächtigste von allen. Er war ein kriegerischer Heiliger, in Gethsemane hatte er ja zum Schutz seines Herrn mit dem Schwert dreingeschlagen und er hatte das wichtigste Amt am Hof des Himmelskönigs, er hatte die Schlüssel und hütete die Pforte. Wer in den Himmel hinein wollte, der musste sich vor allem mit dem mächtigen Mann gut stellen, der die Wacht an der Tür hatte.

Verbindung mit Rom

Wenn die Angelsachsen nun hörten, der Leichnam des heiligen Petrus liege in Rom begraben und seine Macht sei übergegangen auf den, der auf seinem Stuhl sitze, so war für ihre Phantasie die Vorstellung gegeben, dass dort in Rom, der Stadt, die einst den Erdkreis beherrschte, der Fürst der Apostel gegenwärtig sei, dass dort die Schlüssel zum himmlischen Reich gehandhabt würden und das Tor zum Paradies offenstehe.
Um den Apostelfürsten nahe und seines Schutzes sicher zu sein, ließen die angelsächsischen Könige sich in seinen, ihm geweihten Kirchen bestatten. Nichts jedoch war für einen adeligen Angelsachsen um das Jahr 700 so erstrebenswert, wie ein Besuch in Rom, wo Petrus selbst begraben liegt. Dem hochverehrten mächtigen Heiligen im Leben wie im Tode nahe zu sein, wurde jetzt das Anliegen vieler frommer Angelsachsen. In Scharen wallfahrtete man nach Rom. Könige legten ihre Krone nieder, ließen sich auf den Namen Petrus taufen und wurden Mönche. Frauen nahmen die Mühe der weiten Pilgerschaft auf sich. Höchstes Glück: hier zu sterben und bei St. Peter begraben zu werden. Ein eigenes Sachsenviertel in Rom diente den Pilgern zur Herberge.

Glaubenseifer der Angelsachsen

Der Glaubenseifer der jungen angelsächsischen Kirche übertraf alle Erwartungen. Den Bindungen an St. Petrus kam dabei der unstreitige Vorrang zu, denn der Angelsachse war nun in der Überzeugung aufgewachsen, dass das römische Vorbild der Kirche als Richtschnur zu dienen habe. Zu dem neuen kraftvollen Glaubensdrang der Angelsachsen gesellte sich ein glühender Bildungseifer. Die angelsächsische Kirche knüpfte hier auch an die alte irische Überlieferung an, die das asketische Ideal mit ernstem Bildungswillen verband. Sie wurde so zur Trägerin eines geistigen Lebens von überraschendem Hochstand, das ihr die Führungsrolle in der gesamten lateinischen Kirche eintrug.

Die geistige Kraft der angelsächsischen Kirche, ihr Reichtum an religiösem Eifer ruhte gerade auf dem Mönchtum. Das ganze Land überzog sich mit Klöstern aller Größenordnungen. Die Jahrzehnte um 700 gelten daher mit Recht als das Goldene Zeitalter der englischen Kirchengeschichte. Diese großartige Entfaltung der angelsächsischen Kirche mit ihrer glühenden Verehrung und Gefolgschaftstreue gegenüber dem heiligen Petrus, mit ihren mönchischen Idealen, die sich nicht mit Weltflucht begnügten, sondern die asketische Heimatlosigkeit bewusst in den Dienst eines weitschauenden Missionswerks stellten, konnte später auf das Festland überstrahlen. Nie war bei den Angelsachsen das Gefühl der Stammesverwandtschaft mit den Germanen auf dem Festland geschwunden. Ihnen das reine Evangelium zu bringen, wie sie es von Rom empfangen hatten, war das Ziel jener Männer, die von der Insel auszogen und mit vollem Einsatz ihres Lebens sich dieser Arbeit hingaben.

Wunibald, der Gründer des Klosters Heidenheim, war einer der Schüler des heiligen Bonifatius, einer der vielen, die die Führungsrolle der angelsächsischen Kirche auf das Festland trugen. Vor seinen Augen vollzog sich die Formung der angelsächsischen Kirche zur geistigen Führungsmacht im Abendland. Heidenheim war einer der Stützpunkte der angelsächsischen Mission und zugleich ihr einziges Doppelkloster. Darin liegt die außerordentliche geschichtliche Bedeutung dieses Ortes. Zucht und Weisheit benediktinischen Mönchtums, lebendiges Bewusstsein kirchlicher Verbundenheit mit Rom, das waren die verpflichtenden Werte und Ideale. die einen Wunibald beseelten Diese Welt der Angelsachsen muss man erst kennen, wenn man die Klostergründung Heidenheim in ihrer geschichtlichen Bedeutung würdigen will.

Aus dem Leben des heiligen Wunibald

Wunibald, der Gründer des Klosters Heidenheim, entstammte einer vornehmen angelsächsischen Familie. Im 10. Jahrhundert bildete sich die Legende aus, Wunibald sei ein englischer Königssohn gewesen. Nun, wenn man hier nicht an einen modernen englischen König denkt, der über ein Land oder gar über ein Weltreich regiert, sondern an einen angelsächsischen Stammeskönig, so hat die Legende gar nicht so unrecht, wenn sie Wunibalds königliche Abstammung rühmt. Jedenfalls steht seine vornehme Abkunft aus angelsächsischem Adel fest. Der Name seiner Eltern bleibt uns verborgen. Die Legende hat auch hier wieder helfend eingegriffen, um seine vornehme Herkunft zu unterstreichen. Sie nennt als Vater den König Richard und als Mutter eine gewisse Wunna. Sie soll eine Schwester des heiligen Bonifatius gewesen sein. Von seinen Geschwistern kennen wir mit Namen einen älteren Bruder Willibald, den ersten Bischof von Eichstätt, und eine Schwester Walburga, eine im Abendlande weit verehrte Heilige, die nach Wunibalds Tod nach Heidenheim kam und sein junges Kloster als Doppelkloster leitete, das einzige der angelsächsischen Mission. Wunibald wurde etwa im Jahre 701 geboren. Wir kennen nicht die Stätte, wo er das Licht der Welt erblickte, irgendwo in Südengland in dem Königreich Wessex (Westsachsen) muss es gewesen sein, jenem Land, dem auch Bonifatius entstammte, mit dem er ja blutsverwandt war. Ob er wie sein Bruder Willibald die Jugendjahre in einem Kloster verbrachte, bleibt unbekannt. Wir wissen nur, dass er sich frei hielt von jugendlichen Verirrungen und zu einem glaubensstarken und körperlich schönen Jüngling heranreifte.

Rom

Rom, Blick von der Kuppel des Petersdoms

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Reise nach Rom

Wie alle adeligen Angelsachsen seiner Zeit wurde Wunibald ein glühender Verehrer des Apostelfürsten Petrus in Rom. Zu seinem Grabe zu pilgern, war die Sehnsucht vieler angelsächsischer Jünglinge. Sein Bruder Willibald bewog ihn im Jahre 720 zusammen mit ihrem Vater die beschwerliche Pilgerreise anzutreten. Wunibald war damals etwa 19 Jahre alt.

Sie rüsteten ein Schiff aus und fuhren damit über die salzigen Fluten des Kanals nach Nordfrankreich. Drüben auf dem Festland dankten sie Gott, dass sie glücklich über das Meer gelangt waren. Nun reisten sie zu Pferde weiter. Sie trachteten schnell vorwärts, denn sie fürchteten die Unbilden des Herbstes und wollten vor Einbruch des Winters in der ewigen Stadt Rom sein.

So zogen sie durch die weiten Gefilde Frankreichs. Wenn ein Kloster an ihrem Reiseweg lag, kehrten sie dort ein und fanden gastliche Aufnahme. Oft aber nächtigten sie in der Wildnis, unter hohen Bäumen, in Sturm und Regen. Als sie glücklich das Gebirge überstiegen und die Lombardische Tiefebene erreicht hatten, wurde der Vater schwer krank. Er sollte nicht mehr genesen. Fern der Heimat musste er sterben.

In der Stadt Lucca in Italien wurde der König aus England in einem Kloster begraben. Er starb in dem Glauben, durch die Pilgerfahrt zum Grabe des Apostelfürsten Petrus, in dem Himmelspförtner einen besonderen Fürsprecher bei Gott zu haben und so auch im fremden Lande des ewigen Seelenheiles teilhaftig zu werden.

Nach langer Fahrt kamen die beiden Brüder Willibald und Wunibald am Martinstag des Jahres 720 in der heiligen Stadt Rom an. Sie betraten sogleich die Basilika, in der der von ihnen so verehrte Apostelfürst und Himmelspförtner Petrus begraben liegt und baten Gott um Nachlass ihrer Sünden. Dann traten beide Brüder in der heiligen Stadt in ein Kloster ein.

Aufenthalt in Rom

Die Stadt Rom wurde in jenen Tagen von einer Pest heimgesucht. In den Sümpfen vor der Stadt brütete das Sumpffieber, das vor allem diejenigen befiel, die aus den Ländern des Nordens nach der heiligen Stadt gekommen waren. Hunderte, ja Tausende raffte die Seuche dahin. Auch Wunibald und Willibald wurden von der Krankheit befallen, doch wie ein Wunder kamen sie mit dem Leben davon. Wunibald fand Gefallen an der heiligen Stadt Rom. Er blieb dort in der Stille eines Klosters, sich den Übungen der Frömmigkeit und dem Studium hingebend. In der großen Stadt war freilich zu Wunibalds Zeiten die antike Welt schon grundsätzlich verändert, dass das breite Feld der antiken Bildung mit der Alleinherrschaft des Christentums mehr und mehr nur noch in einer religiös bestimmten Auswahl überliefert wurde. Ob Wunibald auch hier der Gefahr ausgesetzt war, die der Zauber der antiken Literatur und der heidnischen Bildung nun einmal auf die Menschen dieser Stadt ausübte, wissen wir nicht.

Jedenfalls befleißigte er sich im Studium der Psalterien, dass er eher als Lehrer denn als Schüler gelten konnte. Große Liebe und hohe Achtung wurde ihm im Kreise aller seiner Landsleute entgegengebracht. Um 727 verließ er sein Kloster, um auf kurze Zeit die angelsächsische Heimat aufzusuchen. Es war nicht Heimweh, das ihn wieder nach England trieb, sondern der Wunsch, unter seinen Landsleuten, besonders unter seiner Verwandtschaft, Anhänger für das Klosterleben zu gewinnen, für das er so begeistert war. Er hatte Erfolg. Als er wieder in Rom eintraf, hatte er neben anderen einen jüngeren Bruder bei sich, dessen Namen wir nicht kennen.

Bonifatius
Denkmal des heiligen Bonifatius von Johann Kaspar Hiernle

In der Nachfolge des Heiligen Bonifatius

Im Jahre 738/39 pilgerte der heilige Bonifatius in Begleitung einer Schar von Jüngern in die Apostelstadt. Wie ein Fürst mit großem Gefolge war er erschienen. Der Aufenthalt in Rom wurde für ihn in jeder Weise fruchtbar. Die Römer selbst, aber auch die fremden Pilger aus den Germanenländern bezeigten ihm ihre Verehrung. Für die Angelsachsen, die zur Wallfahrt oder zum dauernden Aufenthalt in der ewigen Stadt weilten, war die Begegnung mit dem Landsmann, der vor zwanzig Jahren zum Dienst am Wort Gottes aus der Heimat geschieden, ein besonderes Erlebnis. Hier in Rom erfolgte im Jahre 738 jenes entscheidende Zusammentreffen des bildungsbeflissenen Mönches Wunibald mit dem zum großen Stellvertreter des Papstes in Germanien emporgewachsenen Bonifatius, mit dem ihm außerdem noch Bande des Blutes verbanden. Bonifatius forderte seinen Verwandten Wunibald auf, als Helfer am Werk der Germanenmission in seinen Dienst zu treten. Wunibald ließ sich von dem großen Organisator überzeugen, dass neben den asketischen Idealen am Grabe des Apostelfürsten auch der Dienst in der Heidenmission zur ewigen Seligkeit verhelfen kann.

Wunibald begleitete den Meister zwar nicht sofort auf der Rückreise ins Germanenland. Er holte zuvor die Zustimmung seines Bruders und anderer Verwandter ein, sammelte einige Genossen und begab sich durch das Land der Langobarden und Bayern nach Thüringen zu Bonifatius. Der Erzbischof weihte ihn zum Priester und übertrug ihm die Verwaltung von sieben Kirchen. Sülzenbrücken in der Nähe von Arnstadt bei Erfurt, wo sich eines der Gotteshäuser befand, wurde Wunibalds Wohnsitz. In der Vollkraft des Lebens stehend, etwa 38 Jahre alt, und in der langen Zeit seines Klosterlebens in Rom wissenschaftlich hervorragend gebildet und im Glauben gefestigt, war der Missionar der ihm anvertrauten Aufgabe voll gewachsen. In diese Zeit der Wirksamkeit in Thüringen fällt ein für die Geschichte des Bistums Eichstätt bedeutsames Ereignis. Wunibalds Bruder, Willibald, war nach Rückkehr von seiner sechsjährigen Pilgerfahrt in das Heilige Land in Monte Casino, der Wiege des Benediktinerordens, ins Kloster eingetreten. Dort verblieb er zehn Jahre. Als Verwalter mehrerer Klosterämter machte er durch Lehre und Vorbild benediktinischen Geist und monastische Norm an der ehrwürdigen Stätte wieder heimisch. Bonifatius hatte, als er 741 in Bayern weilte, nach Rom den Wunsch übermittelt, dass Wunibalds Bruder Willibald, der Mönch von Monte Casino, als Gefährte zu ihm nach Germanien komme. Willibald, der sich Ende 740 in Rom einfand, erhielt vom Papst die Weisung, sich zu Bonifatius zu begeben. Ostern 741 brach er von Rom auf und reiste über Lucca, Pavia, Brescia nach Bayern zum Herzog Odilo und von ihm weiter zu Suidger, einem mächtigen Grundherrn im bayerischen Norden. Willibald und sein neuer Gönner suchten gemeinsam Bonifatius in Linthart zwischen Regensburg und Landshut auf. Er begab sich mit ihnen nach Eichstätt und erteilte Willibald am 22. Juli 741 dort die Priesterweihe. Der Erzbischof von Deutschland hatte in Willibald einen bedeutenden neuen Mitarbeiter gefunden in einer Landschaft, die die Lücke zwischen dem Maintal und Bayern schließen konnte. Schon im nächsten Jahr am 21. Oktober 741 wurde im thüringischen Sülzenbrücken, dem Wirkungsort Wunibalds, dessen Bruder Willibald vom heiligen Bonifatius zum Bischof geweiht. Nach einer Trennung von vielen Jahren konnten so die beiden Brüder im Gefolge des großen Meisters Bonifatius ein frohes Wiedersehen feiern.

Etwa 3 Jahre nach der Bischofsweihe seines Bruders Willibald verließ Wunibald Thüringen. Ein neues und selbständiges Arbeitsfeld war ihm zuteil: die Mission in Bayern. Herzog Odilo, der sich um die Christianisierung seines Landes eifrig bemühte, behandelte die Missionare mit großer Verehrung und unterstützte Wunibald auf alle mögliche Weise. Die Gegend, in der Wunibald vor allem wirkte, wird "Nordfilusa" genannt. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfen wir darunter das Land um die oberpfälzische Vils verstehen. Trotz der Hilfe seines Landesherrn scheint Wunibald von seiner Arbeit an der Vils nicht befriedigt gewesen zu sein. Schon nach drei Jahren kehrte er wieder nach Thüringen zurück. Nun begab er sich wieder in die Gefolgschaft seines Blutsverwandten, des heiligen Bonifatius, der in der Stadt Mainz seinen Sitz als Erzbischof aufgeschlagen hatte.

Der Aufenthalt in der damals bedeutenden Bischofsstadt, in der das Erbe der römischen Kultur, wenn auch in schwachem Glanze, noch fortwirkte, wurde für Wunibald bedeutungsvoll. Er erlangte eine hochgeachtete Stellung und erfreute die fränkischen Adeligen dieser Stadt durch seinen rechtschaffenen Lebenswandel. Ganz besonders tat sich Wunibald in Mainz als bedeutender Prediger hervor. Sein demütiger Sinn war niemals stolz auf reichen Besitz noch überheblich aus menschlicher Eitelkeit. Unaufhörlich hielt er seine Seele in Zucht. Doch fürchtete er, es könnte in dieser Stadt, in deren Nähe der Wein in Überfülle wächst, der übermäßige Weingenuss die klösterliche Zucht zerstören. Sein asketischer Sinn fand an dem Leben und Treiben der fränkischen Bewohner von Mainz keinen Gefallen. Sein Wunsch war auf die Gründung eines Klosters gerichtet, in der er in der Stille seiner Selbstheiligung leben könnte.

So verließ er im Jahre 751 die weinfrohe Stadt Mainz und reiste zu seinem Bruder Willibald nach Eichstätt. Beide begaben sich im Frühjahr 752 in den Hahnenkamm nach Heidenheim. Sie erwarben dort wohl durch Vermittlung eines unbekannten fränkischen Adeligen oder des Königs Grund und Boden, auf dem Wunibald nun sein Kloster gründete. Der Ort, auf dem sein Familienkloster erstand, war zwar nicht jungfräulicher Boden, doch war hier im Sualafeld, - so nannte man diese Gegend um den Hahnenkamm zu jener Zeit, - die christliche Bevölkerung von der Form des rechten Glaubens nach angelsächsischer Vorstellung weit entfernt. Der strenge Asket aus dem fernen England fand hier viel Blendwerk heidnischer Verkommenheit, viele durch Teufelslust getäuschte Götzendiener, Ehebrecher und Sünder, die gegen die Gebote Gottes dahinlebten. Selbst die heimischen Priester, die doch dem heiligen Altar dienen sollten, führten ein schandhaft sündiges Leben.

Die Missionsarbeit fiel Wunibald in dieser verwirrten heidnisch-christlich-abergläubischen Gegend des Sualafeldes nicht leicht. Ja er wurde von seinen Feinden, die seine Arbeit mit Misstrauen verfolgten, sogar mit dem Tode bedroht. Doch der energische Mann Gottes, der ein strenges Leben führte, ließ sich durch die Drohungen der Missetäter nicht schrecken. Beharrlich versuchte er mit dem Schild des Glaubens, dem Panzer der Gerechtigkeit und dem Schwerte des Fastens und der Enthaltsamkeit ein vorbildliches Leben zu führen, das als erziehendes Vorbild auf seine jungen Männer wirkte, die er im Kloster gesammelt hatte. Mit großem Eifer lehrte und predigte er wie ein guter Hirte und bekehrte so durch sein Beispiel der Selbstzucht und der überlegenen Lehre viele Leute.

Während der letzten drei Jahre seines Lebens überfiel ihn mehr und mehr körperliche Schwäche. Trotzdem wagte er noch eine Reise nach Franken zu Bischof Megingoz in Würzburg. Er besuchte auch das Kloster Fulda, wo der heilige Leib seines großen Lehrers Bonifatius ruhte. Dort befiel ihn eine schwere Krankheit, an der er drei Wochen daniederlag. Nach seiner Rückkehr nach Heidenheim erkrankte Wunibald, so dass er zuletzt nicht mehr zur Kirche gehen konnte. Er ließ sich in seiner Kammer einen Altar errichten und beging dort die Feier der heiligen Messe. In Gegenwart seines Bruders Willibald, der aus Eichstätt herbeigerufen worden war, und seiner Anhänger starb der edle Mann aus dem Lande der Angelsachsen am 18. Dezember 761 im Alter von etwa 61 Jahren .Er wurde in der von ihm errichteten ersten Klosterkirche in einem zu seinen Lebzeiten schon angefertigten Sarg aus Stein beigesetzt. Zehn Jahre hatte der feingebildete und weitgereiste Missionar aus dem fernen England das Kloster Heidenheim als erster Abt geleitet. Mit seiner Klostergründung in Heidenheim hatte der Apostel des Sualafeldes angelsächsische Zucht und christliches Gedankengut reinster Prägung in die politisch bedeutsame, aber in einem merkwürdigen Zwiespalt zwischen Heidnischem und Christlichem lebende Gegend des Sualafeldes verpflanzt. Die Spur von seinen Erdentagen reicht über mehr denn ein Jahrtausend bis in unsere Gegenwart herein.

Benützte Literatur: