Heidenheim

Geschichten aus der Geschichte

Der Dreißigjährige Krieg in der Heidenheimer Gegend

Landsknechte
Landsknechte des 30-jährigen Krieges

Wenn heute im Volksmund vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) gesprochen wird, so kommen die meisten Menschen auf das einfache Urteil: In diesem Krieg kämpften Katholiken gegen Protestanten. Der Dreißigjährige Krieg sei vorwiegend ein Religionskrieg und daher sehr grausam gewesen. Wenn man aber die Frage stellt: Wie konnte es kommen, dass ein Volk wegen religiöser Spannungen sich dreißig Jahre lang zugrunde richtet, so erschließen sich andere Folgerungen. Das deutsche Volk hat diesen Krieg nicht geführt, es hat ihn erlitten. Es hatte überhaupt keine Möglichkeit, seinen Willen zu äußern. Der Kaiser fühlte sich nicht als Sachwalter des deutschen Volkes. Er war Herr in seinen Erblanden. Darüber hinaus reichte seine Macht kaum. Deutschland glich einem "Fleckerlteppich" von fast 300 selbständigen Kleinstaaten, deren Fürsten nicht nur verschiedenen Bekenntnissen angehörten, sondern deren Machterwerb über alles ging und die den Krieg auf dem Rücken des Volkes führten.

Die katholischen Fürsten im Bunde mit Kaiser Ferdinand verfolgten das Ziel, ihre Länder vom Protestantismus zu säubern. Den protestantischen Fürsten ging es um den Besitz der seit der Reformation eingezogenen Kirchengüter. Dazu kamen noch die Interessen ausländischer Mächte. Frankreich strebte an den Rhein, Schweden und Dänemark glaubten durch die Vorherrschaft Roms im Herzland Europas, aus den Häfen der deutschen Meere verdrängt zu werden. So wurde dieser furchtbare Krieg eine Folge von konfessionellen, politischen und wirtschaftlichen Verwicklungen, die auf dem Boden des deutschen Volkes ausgetragen wurden. Da es damals keinen geregelten Nachschub für die Truppen aus Vorratslagern gab, mussten sich die Soldaten ihre Ernährung und Ausstattung aus dem jeweiligen Gebiet, in dem sie sich aufhielten, durch Raub und Plünderung beschaffen. "Der Krieg musste den Krieg ernähren" und das lange dreißig Jahre. Darunter hatte vor allem die Bevölkerung zu leiden. Die Schrecknisse dieses Krieges sind noch lange in Erinnerung geblieben. Sie verschonten auch unsere Heimat, den Hahnenkamm, nicht.

Der Krieg begann in Böhmen, weitete sich dann in die protestantischen Gegenden Norddeutschlands aus und erfasste erst mit verheerender Wirkung die evangelische Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach, zu der Heidenheim gehörte, als die bei Breitenfeld in der Nähe von Leipzig 1631geschlagene Armee des katholischen Feldherrn Tilly nach Süddeutschland zurückflutete und die Schweden unter ihrem König Gustav Adolf nachdrängten. Vorher musste unsere Heimat wegen ihrer zentralen Lage im Kräftespiel der Mächte "nur" Truppendurchzüge über sich ergehen lassen, die die Bevölkerung zwar nicht immer zur Flucht zwangen, aber doch durch Einquartierungen, Geldzahlungen und Lieferung materieller Güter in Not brachten. Über diese Epoche des Krieges gewinnen wir einen lokalen Einblick aus dem Tagebuch des Pfarrers Friedrich Mag aus Geilsheim und aus dem Pfarrarchiv Heidenheim:

Die Anfangsjahre bis 1631

1631 - 1648: Die Zeit der schweren Not in Heidenheim

1634 nach der Schlacht bei Nördlingen war das schrecklichste Jahr des Krieges. Das Kirchenbuch Heidenheim verzeichnet in diesem Jahr 173 Sterbefälle. Viele Bürger sind wohl an der Pest umgekommen oder verhungert, wenn sie nicht in entfernte Lande fliehen konnten. 1635 sind 75 Sterbefälle eingetragen, 1636 nur 18, 1637 nur 6, 1638 nur 9.

1633 wurden 30 Kinder getauft, 1634 17, 1635 nur noch 4, 1636 nur 2, 1637 nur 8, 1638 nur 7. In den Friedenszeiten vor dem Krieg waren es jährlich zwischen 40 und 50 Kinder.

Heidenheim nach dem großen Krieg im Jahre 1650

Flugblatt zum Westfälischen Frieden 1648

Flugblatt zum Westfälischen Frieden im Jahr 1648

Um sich ein Gesamtbild über die Zerstörung in Heidenheim nach dem großen Krieg machen zu können, dazu fehlen wohl die Quellen. Lediglich das Klosterverwalteramt ließ im Jahre 1650 eine Schadensliste erstellen, die aber nur jene Anwesen erfasst, die einst zum ehemaligen Kloster gehörten. Sie unterscheidet die Selden (Kleingüter), die um 1650 besetzt waren und die, die der Zerstörung anheim fielen. Demnach waren von den 43 Hofstätten, die einst in das Klosteramt gehörten nur noch 21 besetzt; die übrigen 22 lagen öde.

Ähnlich mag es auch mit jenen Anwesen bestellt gewesen sein, die dem markgräflichen Kasten- und Vogtamt unterstellt waren. Demnach kann man annehmen, dass fast der halbe Teil von Heidenheim in Schutt und Asche lag oder zumindest so baufällig war, dass die Häuser nicht bewohnt werden konnten. Bei vielen Sölden (Selden) lesen wir die Bemerkung wie z.B.:

Immer wieder kehrt bei der Beschreibung der Anwesen die kurze Bemerkung wieder: anjetzo öd, das heißt, dass die Sölde wegen ihres ruinösen Zustandes oder wegen Todes ihrer Besitzer um 1650 unbewohnt war. Wer diese gleichmäßig bleibenden Bemerkungen liest, wird fast an die Bombennächte des Zweiten Weltkrieges erinnert. Da heißt es denn:

Hinter all diesen Bemerkungen verbirgt sich das ganze Elend, das die Heidenheimer Bevölkerung durch die vielen Plünderungen und Brandschatzungen erdulden musste. Drei Epochen der allerhöchsten Not lassen sich aus den wenigen Quellen erkennen: Nach den verhältnismäßig erträglichen Kriegsjahren von 1618 bis- Herbst 1631, die vor allem durch Truppendurchzüge geprägt wurden, folgte im November 1631 der Einbruch der im Rückzug befindlichen und bei Breitenfeld von dem Schwedenkönig Gustav Adolf geschlagenen Armee des katholischen Feldherrn Tilly. Im November 1631 lagerten große Teile der geschlagenen katholischen Ligatruppen im Altmühltal und Hahnenkamm.

Ihnen folgten im Frühjahr 1632 die Schweden, die ihre protestantischen Glaubensbrüder nicht schonten und genauso zur Plünderung schritten wie die Truppen Tillys. In der zweiten Hälfte des Jahres 1632 lagen sich die Truppen Gustav Adolfs und Wallensteins in Heerlagern bei der Alten Veste bei Zirndorf gegenüber. Die Soldaten in den Lagern mussten von streifenden Abteilungen versorgt werden. Die Plünderer, nach Beute strebende und mit der Bevölkerung nicht zimperlich umgehende Soldatenhaufen beider Lager, streiften von Zirndorf und Nürnberg aus bis in den Hahnenkamm, in das Altmühltal und in das Hesselbergland.

Doch dies alles war nur ein Vorspiel des Schreckensjahres 1634, als die Heere zur entscheidenden Schlacht bei Nördlingen im September 1634 aufmarschierten, als die Dörfer im Ries und seinem Umland brannten und die Pest im Gefolge der Soldaten, die aus Spanien kamen, im Lande umging. In Heidenheim starben in diesem Schreckensjahr 1634 173 Menschen. Das war die zweite schreckliche Epoche des Krieges.

Die letzte, fast ebenso schreckliche, ließ nicht lange auf sich warten. Sie kam, als die französischen Truppen in das geplagte Ries einfielen und 1645 in der Schlacht bei Alerheim sich mit der bayerischen Armee schlugen. Damit hatte auch das Umland, unser Hahnenkamm, schwer zu leiden. Noch im letzten Kriegsjahr 1648 bekam Heidenheim noch einmal die Geißel des Krieges zu spüren. "1648 von den Soldaten verbronnen", so heißt es wieder in einem alten Buch aus dem Jahre 1650. Die Schicksale der Menschen aus Heidenheim, die in diesem Krieg ermordet wurden, die auf der Flucht umkamen, die vor Hunger verschmachteten oder an der Pest verstorben sind, können wir nur erahnen. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Heidenheim war eine Leidenszeit, wie sie der Hahnenkamm in seiner langen Geschichte bis heute nicht mehr erlebt hat,