Heidenheim

Stützpunkt der angelsächsischen Mission

Das Bauding des Klosters Heidenheim

Alljährlich besuchte der Abt des Klosters Heidenheim seine auswärts gelegenen Meierhöfe. Wann dieser Brauch aufkam, ist nicht mehr zu ermitteln. So wie er um 1400 im Salbuch niedergeschrieben ist, scheint er in sehr alte Zeiten zurückzugehen. Wenn man der Nonne Hugeburg vertrauen darf, muss der Besuch der auswärtigen Besitzungen durch den Abt schon zu Wunibalds Zeiten üblich gewesen sein, denn sie berichtet davon, dass er während der letzten drei Jahre, ehe er aus dieser Welt schied, so schwach war, dass er nur noch mit knapper Not zu den Meierhöfen gehen konnte, die dort in der Nähe lagen (1). In Begleitung von sechs Personen, den "Mitreitern", begab sich der Abt alljährlich einmal zu seinen Meierhöfen und tagte dort mit den Leuten, die auf einem Hofe, einer Hube, einem Lehen oder auf einem Kleingut (Selde) des Klosters saßen. Die Anwesenheit der hohen Herren dauerte von einem Mittag zum andern. Der Abt blieb also wohl mit seinem Gefolge auch über Nacht auf dem Meierhof. Für diese in fast feierlicher Form gehaltene Zusammenkunft, zu der alle Leute, soweit sie Grund und Boden vom Kloster bewirtschafteten, befohlen waren, gebrauchte man im Mittelalter die Bezeichnung Bauding. Was ist darunter zu verstehen?

Der Name Bauding

Um den Inhalt des Begriffes Bauding erschließen zu können, müssen wir seine zwei Bestandteile gesondert in Betracht ziehen. Richten wir zunächst einmal den Blick auf das Grundwort Ding, das ein sehr vielschichtiges Bedeutungsfeld umschließt. Das mittelhochdeutsche dingen bedeutet: "Gericht halten, vor Gericht reden, verhandeln, seine Sache führen, sich besprechen, unterhalten, einen Vertrag schließen", usw. (2). Der ursprüngliche Sinn des Hauptwortes Ding war "Volksversammlung", danach "Gericht, Verhandlung". In diesem Sinne wurde das Wort bis zum Ende des Mittelalters gebraucht und so muss es auch in unserem Falle verstanden werden. Dass das Wort Ding auch eine Lage, einen Zustand ausdrücken kann, wird uns in der Redewendung "guter Dinge sein" bewusst.

Schon in althochdeutscher Zeit wohnte ihm auch die Bedeutung "Angelegenheit, Sache" im weitesten Sinne inne. Schließlich nahm das Wort die konkrete Bedeutung "Gegenstand" an. Zur Klärung unserer Frage nach dem Inhalt des Wortes Bauding müssen wir das Grundwort Ding zum grundherrlichen Gerichtswesen in Beziehung setzten und es im Sinne von "Gericht, Gerichtsversammlung" verstehen. Nun war der Abt des Klosters Heidenheim gewiss kein moderner Jurist mit hervorragender Kenntnis schriftlich fixierter Rechtsnormen und Paragraphen, wohl aber hatte er als adeliger Herr und Kenner alter Gewohnheiten doch die Befugnis zu richten, das heißt zu entscheiden, zwar nicht über Leben und Tod - aber über die Bewirtschaftung seiner Güter.

Welchem Unfreien er seinen Grund und Boden zur Bearbeitung anvertrauen oder entziehen wollte, darüber konnte er als Herr über Grund und Boden entscheiden. Dieser Bezug leuchtet noch klarer auf, wenn wir nun in den Inhalt des Bestimmungswortes Bau (-ding) hineinblicken. Ausgehend von der jetzigen Bedeutung Bau wird man hier zunächst an das moderne Bauwesen denken, das nach dem Zweiten Weltkrieg in so rasantem Tempo sich entwickelte, aus den Trümmerstätten unserer zerbombten Städte innerhalb weniger Jahre eine neue Welt erstehen ließ und gewaltige Ballungsräume von beängstigender Ausdehnung schuf.

Eine Gerichtsversammlung im Mittelalter

Für den mittelalterlichen Menschen, dessen Dasein noch sehr vom Naturgeschehen abhängig und oft vom Hunger bedroht war, stand der Gedanke an die Sicherung der Nahrung im Vordergrund; eine bequeme Behausung erschien ihm dagegen zweitrangig. Vom Stückchen Brot, das in mühevoller Arbeit dem Boden abgerungen werden musste, hing sein Leben ab; um dieses bewegten sich seine Gedanken, nicht um die Farbe der Tapete oder die Güte und Schönheit des Vorhanges am Fenster. Deswegen steht die Beziehung zum Ackerbau an der Spitze im Bedeutungsfeld des Wortes Bau. Die Saat musste im Herbst und im Frühjahr rechtzeitig in den Boden, wenn es eine gute Ernte geben und der nächste Winter überstanden werden sollte.

Das mittelhochdeutsche Wort bu, bou bedeutet daher zunächst "bestelltes Feld, Bestellung des Feldes oder Weinberges", danach erst "Wohnung, Gebäude, Ansiedlung". Noch heute spricht der Bauer im Hahnenkamm und im Ries, wenn er im Frühjahr und Herbst die Saatkörner der Erde anvertraut und den Boden dazu vorbereitet, nicht vom Säen, sondern vom Bauen. Im "Armen Heinrich", einem Roman des mittelhochdeutschen Dichters Hartmann von Aue, sagt die Tochter zu ihren Eltern, sie wolle

(Sie wolle solchem Feldbau fliehen, den der Regenschauer und der Hagel zerschlägt und die Überschwemmung [wac] vernichtet). Gemeint ist hier ein Bauernhof, auf den das Mädchen nicht einheiraten will.

Fassen wir nun den Begriffsinhalt des Wortes Bauding zusammen, so können wir sagen: Unter dem Bauding ist eine Gerichtsversammlung zu verstehen, die sich mit der Besetzung und Bewirtschaftung der klostereigenen Höfe, also vorwiegend mit der Bestellung und Bebauung der Felder befasst. Alljährlich wurden die unfreien Hintersassen, die Höfe, Huben und Selden, denen Grund und Boden vom Kloster Heidenheim zur Bewirtschaftung zugeteilt war, vor das grundherrliche Gericht befohlen, das in der Regel unter Führung des Abtes oder seinen Vertreters in einem seiner Meierhöfe tagte. Dort hatten die Grundholden dem Abt Rechenschaft über ihren Hof abzulegen. Das Salbuch schreibt: "wie man die Gut entsetzen oder besetzen soll."

Geistliche und Abhängige
Geistliche als Lehensherren

Verkündigung und Erscheinen im Bauding

Dem Abt und seinen Begleitern war es nicht möglich, in all seinen auf mehrere Orte verstreuten Meierhöfen abzuhalten. Daher konnte das Bauding auch nicht an einem bestimmten Kalendertag gebunden sein, wie etwa die feststehenden Zinstermine St. Walpurgis (1. Mai) oder St. Michaelis (29. September).

Der Abt musste sich zu Beginn jeden Jahres mit den Meiern verständigen und sich über die Woche einig werden, in der das Bauding auf dem jeweiligen Meierhof abgehalten werden sollte. Gelegenheit dazu bot sich an dem ersten Zinstag im Jahr "an dem nächsten Aftermontag (Dienstag) nach dem Gunzenhauser Markt, der da ist der nächst nach dem heiligen Obersttag (6. Januar)". Am Dienstag nach dem heiligen Dreikönigstag kamen also die neun Meier des Klosters und etwa 30 Höfner (Hofinhaber), Hübner (Hufenbesitzer) und Müller in Heidenheim zusammen, um ihre vorgeschriebenen Schweineabgaben zu entrichten.

An diesem Tag fand ein gemeinsames Mahl mit dem Abt statt und bei dieser Zusammenkunft wurde der Tag des Baudings in den einzelnen Meierhöfen festgelegt. So heißt es z.B. im Salbuch:

Trotzdem sich dieser Gerichtstermin rasch im Lande herumsprach, da ja auch Höfner, Hübner und Müller in Heidenheim anwesend waren, musste der Meier das Bauding auf seinen ihm zugeordneten Höfen, Huben und Selden den genauen Tag verkünden. Ob er dazu persönlich verpflichtet war oder einen seiner Knechte schicken konnte, darüber verlautet das Salbuch nichts. Jedenfalls bestand die Pflicht zur Verkündigung nicht nur im Dorfe selbst, sondern auch auf den auswärts gelegenen, zum Kloster gehörigen Höfen. Aus der Verkündigungsverpflichtung geht hervor, welche außerhalb des Dorfes gelegenen Höfe dem jeweiligen Meierhof im Bauding zugeordnet waren:

Diese vom Abt verordnete und in allen Einzelheiten geregelte Benachrichtigung über die Abhaltung des Baudings in den einzelnen Meierhöfen wurde wohl im allgemeinen mit großer Gewissenhaftigkeit durchgeführt, ging es doch hier um die Besetzung und Bewirtschaftung der Höfe, nicht allein um die Lebensgrundlagen des Klosters, sondern auch des einzelnen Grundholden. Versäumte einer seine Benachrichtigungspflicht, so hatte er den Schaden zu tragen, der dem wegen Nachlässigkeit nicht erschienenen Bauern entstehen konnte. Darüber das Salbuch:

Damit niemand seine Ladung zum Bauding leugnen und sagen konnte, er sei nicht benachrichtigt worden, scheint in alter Zeit eine Art Verkündigungszeichen verwendet worden zu sein, das "Bot" genannt, das der Meier dem Boten aushändigte. Über sein Aussehen ist nichts überliefert, doch werden wir nicht fehlgehen, wenn wir hier an einen vielleicht geschälten weißen Haselnussstab denken, der als Botschaftszeichen bei allen germanischen Völkern Verwendung fand (3).

Der Botschaftsstab konnte vom Meier an die zum Bauding Berufenen weitergereicht, mit Kerben oder Zeichen versehen und vom Empfangenen unter Augenschein mit den Händen berührt oder umfasst ("begriffen") worden sein. So vermeldet das Salbuch um 1400:

Es musste also jeder persönlich, "mit sein selbs Leib", im Bauding erscheinen. Vertretung war nicht möglich.

Versäumnis des Baudings wurde mit Geldstrafe belegt. Das persönliche Erscheinen der Hintersassen des Klosters im Bauding war also strenge Pflicht, denn der Abt und seine Mitstreiter wollten als Obereigentümer von jedem Auskunft über den Zustand seines Hofes und seines Gutes erfahren.

Trotzdem wurde auch hier eine Ausnahmegenehmigung in drei Notfällen gewährt. Wollte einer vom Bauding befreit werden, musste er so krank sein, dass er "siech läge und beriht und versorgt wär zu dem Tod". Er sollte also die Sterbesakramente (letzte Ölung) empfangen haben.

Ein weiterer Grund für das Fernbleiben vom Bauding konnte in der Witterung liegen. Nicht Hitze oder Kälte, nicht Sturm und Regen erlaubten Befreiung von der für alle verpflichtenden Zusammenkunft der Grundholden des Klosters, sondern so genannte Feldgüsse.

Doch der Regen musste so heftig sein, dass die Flüsse über die Ufer traten. Das Überqueren des Hochwassers sollte der Baudingsteilnehmer drei Stunden lang versuchen und das Wasser sollte mindestens so hoch sein, dass es bei reitenden Leuten bis an den Sattel reichte und diese dem Besuch hindernden Umstände mussten beim Abt sogar eidlich bestätigt werden.

Der dritte Grund für das Fernbleiben vom Bauding war schließlich gegeben, wenn der Hintersasse des Klosters im Gefängnis lag. Alle diese Vorschriften bestätigen, wie ernst es dem Abt mit dem persönlichen Besuch des Baudings durch die Bauern war. Nur dadurch konnte er erfahren, wie es um die Bewirtschaftung seiner Höfe stand, die doch die wirtschaftliche Basis seiner geistlichen Grundherrschaft bildeten.

Gastmahl auf dem Hof
Gastmahl auf dem Hof

Das Baudingsmahl

Das Bauding tagte unter dem Vorsitz des Abtes oder seines Stellvertreters im jeweiligen Meierhof von einem Mittag bis zum anderen:

Das hatte zur Folge, dass für das Mittagsmahl am ersten und zweiten Tag und für das Abendessen am ersten Abend Vorsorge getroffen werden musste:

Der Meier war also genötigt, drei Mahlzeiten vorzubereiten.

Diese Last konnte er für die vielen Leute - es kamen bisweilen bis zu dreißig Personen - nicht allein auf seine Schultern nehmen. Deshalb war nach altem Herkommen jeder Teilnehmer am Bauding je nach der Größe seines Hofes verpflichtet, zum Baudingsmahl zuzusteuern. Darüber berichtet das Salbuch:

Die Hühner hatte jeder Grundholde desKlosters zur Verfügung, denn dazumal wurden sie auf den kleinsten Anwesen gehalten und hatten meist freien Auslauf, wobei sie sich zum Teil selbst ernähren konnten. Geflügelfleisch bedeutete eine wesentliche Grundlage in der Ernährung des mittelalterlichen Menschen. Auch als Abgabe für den Grundherrn spielten Sommer- und Herbsthühner eine bedeutende Rolle.

Als das Bauding im 17. und 18. Jahrhundert nicht mehr abgehalten wurde, verwandelte das spätere Klosterverwalteramt Heidenheim die "Baudingshennen" in eine Geldabgabe um. Die Hennen ließen sich in einem Sack beim Gang zum Bauding leicht tragen. Für ihre rasche Verarbeitung zur Hühnersuppe oder zum Fleischgericht sorgten wohl die Meierin und ihre Mägde, womöglich auch unter Mithilfe der Bäuerinnen und Mägde der klösterlichen Grundholden, die in Gemeinschaftsarbeit am Meierhof das Baudingsmahl zubereiteten. Nähere Einzelheiten sind darüber nicht zu erfahren. Besondere kulinarische Ansprüche an das Baudingsmahl konnten in jener Zeit nicht gestellt werden.

Die Zusammenkünfte fanden in der Regel im Winter, spätestens Ende Februar oder Anfang März statt, daher in manchen Orten auch Märzengericht genannt. Zu dieser Jahreszeit konnte man dazumal kein Gemüse als Zugabe erwarten, darum wird das Baudingsmahl in erster Linie aus Hühnersuppe und Brot bestanden haben oder aus Hafermus und Hühnerfleisch.

Deshalb hatte jeder neben einer Baudingshenne auch noch eine Haferabgabe in den Meierhof mitzubringen, nicht für die Pferde der sechs Mitreiter des Abtes, sondern auch für das Mahl. Hafer scheint um 1400 zur bäuerlichen Ernährung von besonderer Bedeutung gewesen zu sein. Den Knechten im Bauhof des Klosters in Heidenheim gab man häufig als Lohn neben Geld und drei Metzen Korn auch 1 Joch besämten Hafer (ein Joch Ackerland wurde ihnen vom Kloster mit Hafer angesät, das ihre Familie abernten konnte).

Dem Klosterbäcker wurden jährlich neben seiner Pfründe noch "6 Metzen Haber für das Mußmehl" (Hafermus) verabreicht.

Zum Baudingsmahl trank man um 1400 noch vorwiegend Wein. Den bekamen die Baudingsleute nicht etwa vom Kloster verehrt, sie mussten ihn selbst mitbringen, ein Vollbauer 2 Maß, ein Seldner nur 1 Maß. Den Wein besorgten sich die Bauern und Seldner wohl auf den Märkten in Oettingen, Heidenheim und Gunzenhausen. Fahrende Weinhändler kamen mit einem Fass Wein auf einem Wagen und schenkten "ob der Achs", also vom Fuhrwerk, auf dem Heidenheimer Markt. Um die Vorbereitung des Baudingsmahles auch überwachen zu können, schickte der Abt seinen Koch am Tag nach der Verkündigung des Baudings auf den Meierhof:

Ob der Meier auch die Hühner vorstrecken musste oder ob diese von den Baudingsleuten mitgebrachten in der kurzen Zeit durch Frauen und Mägde verarbeitet wurden, darüber schweigen die Quellen. Am Baudingsmahl beteiligten sich wohl alle Teilnehmer widerspruchslos. Das Mahl hatte einen fast kultischen Charakter. An eines Herren, des Abtes Tisch, essen zu dürfen, galt für die Hintersassen als besondere Ehre. Die gemeinsame Tafelrunde hatte eine hohe Bedeutung für das Gefolgschaftsbewusstsein. Man lernte sich gegenseitig kennen, man fühlte sich in die Tisch-, Kult- und Speisegemeinschaft des Klosters einbezogen. Der Abt als Grundherr stärkte den Baudingsteilnehmern durch die drei Festmähler das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit zur Familie des Klosters. Das gemeinsame Baudingsmahl kettete das Band zwischen dem Grundherrn und der Gefolgschaft.

Was wurde im Bauding verhandelt?

Über diese Frage gibt das Salbuch des Klosters Heidenheim um 1400 folgende Auskunft:

Um diese Zeilen recht verstehen zu können, muss man bedenken, das das Gottshaus = Gottes Haus - so nennt das Salbuch um 1400 stets das Kloster Heidenheim - der bedeutendste Grundherr im Hahnenkamm war. Der Abt des Klosters verfügte als Obereigentümer über den zum Kloster in den einzelnen Orten gehörigen Grund und Boden. Diesen erhielt einst das Gotteshaus von adeligen Leuten geschenkt, die um ihr Seelenheil bangten. Der Boden bleibt aber tot und verwaldet, wenn er nicht bewirtschaftet wird. So gab das Kloster seinen Grund und Boden zur Bearbeitung an unfreie Leute aus, die die Last der Bebauung auf sich nahmen und ihrem Herrn, dem Abt, festgesetzte Abgaben über ihren Eigenbedarf hinaus erwirtschafteten.

Bauern bei der Feldarbeit
Bauern bei der Feldarbeit

Es war beiden gedient: Die unfreien bäuerliche Familie hatte eine Existenz, um ihr Dasein fristen zu können, das Kloster konnte mit Naturalabgaben und Geld rechnen. Das Gottshaus teilte das zur Bewirtschaftung ausgegebene Land aber nicht in gleiche Teile ein. Es schuf sich im großen Meierhof von etwa 120 Tagwerk Ackerland - es gab auch kleinere Meierhöfe - und Wiesen und Wald ein Führungs- und Beaufsichtigungsorgan. Dem Meierhof wurden die Huben oder Hufen unterstellt. Das waren Vollbauernhöfe, die von der Arbeitskraft einer Familie bewirtschaftet werden konnten. Im Laufe der Jahrhunderte teilte das Kloster als Grundherr und Obereigentümer manchen Vollbauernhof; so entstanden Halbhöfe oder halbe Hufen, die man auch Lehen nannte. Damit aber jederzeit die Wirtschaft auf allen Höfen gesichert war, schuf das Kloster als Grundherr noch Kleinbauernstellen von oft sehr unterschiedlicher Größe, die im Salbuch Hofstätten genannt werden, sonst aber als Seldner (Kleinbauern) gelten. Manche verfügten nur über ein Äckerlein und ein Wieslein, besaßen nicht einmal einen eigenen Pflug oder Wagen. Sie arbeiteten als Taglöhner auf dem Meierhof oder auf den Huben oder Lehen. Wer in einem Seldenhaus geboren wurde, der gehörte auch zu den "kleineren Leuten" im Dorf. Diese großen und kleinen Höfe zusammen bildeten einen Verband unter Führung des Meierhofes. Alle standen im Dienste ihres Herrn, des Abtes von Heidenheim, der als Grundherr der Obereigentümer über alle war, die von ihm Grund und Boden zur Bewirtschaftung erhalten hatten.

So ähnlich wie im Kloster Heidenheim waren viele geistlichen Grundherrschaften im Mittelalter organisiert. Sie Forschung hat dafür in ihrer Fachsprache die Begriffe Fronhofs- oder Villikationsverfassung geprägt. Das mittelhochdeutsche Hauptwort vro bezeichnet den milden, gnädigen Herrn. Die gesamte Organisation des Fronhofsverbandes vom großen Meierhof bis herunter zur landlosen Hofstatt hatte dem Grundherrn, dem Kloster, zu dienen. Das Wohlbefinden des Klosters, aber auch das seiner Grundholden hing von der Wirtschaftskraft seiner Villikation, seines Fronhofsverbandes, ab. Freilich waren nicht alle Fronhofsverbände gleich groß. Seine stärkste Wirtschaftskraft hatte das Kloster Heidenheim in Hüssingen. Dort besaß es um 1400 einen großen Meierhof, 3 Güter, die des Meiers Sohn bebaute, 5 Hufen und 11 Hofstätten (Selden). Wenn also in Hüssingen der Abt von Heidenheim an einem Tag im Jahr zwischen dem Obersttag (6. Januar) und Septuagesimae (70 Tage vor Ostern) mit seinen 6 Mitstreitern zum Bauding erschien, so saßen in der winterlichen Stube im Meierhof immerhin 30 bis 35 Leute beisammen, für die die Meierin die drei Baudingsmahle zu bereiten hatte.

Beim Baudingen war nun jeder Bauer, Hübner, Lehner und Seldner gezwungen aufzusagen, welches Gut er von dem Gottshaus zur Bewirtschaftung habe, ob Hufe, Lehen oder Selde. Die Hofstätten waren in Hüssingen mit Land verbunden und kamen im Range den Selden gleich. Vor allem musste jeder bekennen

Nicht etwa, welche Rechte der Bauer auf seinem Hof habe, sondern die Rechte, die dem Kloster auf dem Hof zustehen. Da musste jeder Vollbauer seinem Herrn, dem Abt, oder seinem Vertreter öffentlich aufsagen, wie viel Schilling Haller in Geld er am Walburgistag (1. Mai) und am Michaelistag (29. September) dem Kloster zu reichen hatte. Er hatte zu sagen, wie viel Kastenmalter rauhes und lauteres Korn, wie viel Metzen Dinkel, wie viel Metzen Erbsen, wie viel Herbsthühner und Fastnachthühner er abzuliefern habe; und wie das Schwein beschaffen sein musste, das am Dienstag nach dem Obersttag dem Kloster zu reichen war. Eine Fülle von Tatsachen musste hier jeder dem Abt darlegen. Zur Kontrolle hatte der Abt seinen Schreiber mitgebracht und dieser verfolgte die Darlegungen der Grundholden nach dem Salbuch. In diesem war alles aufgeschrieben, so dass jeder berichtigt werden konnte, sollte er etwas vergessen haben. Dies wird wohl selten der Fall gewesen sein, denn die Bauern waren dazumal auch keine dummen Leute und was ihren Hof angeht, darüber wussten sie genau Bescheid, weil die Abgaben Generationen hindurch ziemlich gleich bleiben und das Wissen um sie von den Ahnen übernommen wurde.

Besetzung und Entsetzung der Höfe

Dass das Bauding schon 70 Tage vor Ostern stattfinden sollte, hat seinen Grund darin: der Abt wollte Gewissheit haben, dass seine Höfe im Frühjahr alle besetzt waren, wenn die Bauzeit (Saatzeit) begann. "Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt, er setzt seine Felder und Wiesen instand", so heißt es in einem Lied. Es war keineswegs so, dass eine Bauernfamilie damals Generationen lang auf dem gleichen Hof saß. Starb ein Bauer z.B. ohne Nachkommen und die Witwe hatte keine Kinder und konnte sich nicht wieder verheiraten, musste der Hof wirtschaftlich herunterkommen. Der Hof konnte dem Kloster keine Abgaben mehr erbringen. Das Kloster als Obereigentümer wollte dessen Verfall verhindern, indem es ihn mit einer neuen Bauernfamilie besetzte. Wirtschaftete ein Bauer schlecht und konnte seine festgesetzten Abgaben nicht mehr leisten, so konnte ihm der Abt den Hof entziehen und einem andern leihen. Es kam auch vor, dass Leute sich der schweren Arbeit auf dem Hofe nicht mehr gewachsen fühlten und davonliefen oder in die Stadt zogen. In diesem Fall musste festgelegt sein, was der Flüchtige an Saatgetreide und Gerätschaften (Pflug, Wagen) zu hinterlassen hatte, damit ein neuer wieder ordentlich wirtschaften konnte. Alle diese Dinge musste der Abt im Benehmen mit seinen Meiern und Hübnern im Bauding besprechen. Grundsätzlich war es so, dass jeder Hufenbesitzer, Lehner und Seldner beim Bauding seinen Hof alljährlich formal an den Grundherrn, den Abt des Klosters, zurückgeben musste.

Die neun Meier des Klosters hatten dies schon bei ihrer Zusammenkunft in Heidenheim am Sonntag Septuagesimae "das ist an Suntag vierzehn Tag vor Vastnaht" zu tun, wie das Salbuch berichtet:

Wie die neun Meier vor dem Abt am Sonntag Septuagesimae in Heidenheim ihren Meierhof formal dem Abt aufgaben und für das kommende Wirtschaftsjahr ihn gleich wieder empfingen, so mussten die Hübner, Lehner und Seldner im jeweiligen Bauding ihr Gut aufgeben und falls sie ihre Abgaben abgeliefert und ordentlich gewirtschaftet haben, auch gleich wieder empfangen. So steht es im Salbuch:

Das Bauding des Klosters Heidenheim war also ein Gericht. Als Gerichtsherr amtierte der Abt. Er aber konnte nur richten über die Angelegenheiten, die die Grundherrschaft betrafen (Besetzung und Entsetzung seiner Höfe mit unfreien Leuten, die sie bewirtschafteten). Über Tod und Leben seiner Grundholden zu entscheiden, stand dem Abt nicht zu. Dafür war der Vogt zuständig, der Graf von Truhendingen oder der Graf von Oettingen. Während des Baudings durften diese allerdings die grundherrliche Gerichtsbarkeit des Abtes nicht beeinflussen. Darüber steht geschrieben:

Gericht
Mittelalterliche Gerichtsbarkeit

Der Lehenpropst (Überreiter)

Der Überreiter
Reiterdarstellung einer Handschrift des 15. Jahrhunderts

Der Abt des Klosters führte beim Bauding den Vorsitz. Sein Erscheinen war in erster Linie von repräsentativer Bedeutung. Die Höfer, Hübner, Lehner und Seldner sollten einmal ihren hohen Herrn "unter Augen" begegnen und die Ehre haben, in einer Tischgemeinschaft verbunden, speisen zu dürfen. Der Abt aber hatte "gnädiglich" mit seinen Grundholden zu baudingen. Er war die höchste Autorität im Verband der geistlichen Grundherrschaft des Klosters und kannte zumindest seine neun Meier persönlich, da diese auch verpflichtet waren, alljährlich mehrmals an den festgesetzten Zins- und Gülttagen bei ihm im Kloster in Heidenheim zu erscheinen. Jedoch konnte der hohe Herr sich nicht um alle Einzelheiten der Besetzung seiner Höfe und um die daraus erwirtschafteten Geld- und Naturalabgaben kümmern. Dazu hatte das Kloster einen weltlichen "Beamten", den Lehenpropst, in Dienst genommen, in Heidenheim meist Überreiter genannt.

Wenn im Salbuch dieser Mann mit Propst bezeichnet wird, so darf man sich hier keinen Konventbruder im Kloster vorstellen, der dem geistlichen Stande angehörte. Der Lehenpropst war eine weltliche Person, der die vom Abt an unfreie Leute zur Bewirtschaftung ausgegebenen Höfe und Güter zu beaufsichtigen hatte. Da er oft persönlich auf den Bauernstellen des Klosters in den einzelnen Orten erscheinen musste, war er beritten. Daher wird er in den Heidenheimer Quellen meist als Überreiter bezeichnet. Das mittelhochdeutsche Tätigkeitswort überriten bedeutet "worüber hinreiten, hinaus reiten". Der Überreiter musste also "über Land" sich zu Pferde begeben, bald nach Hüssingen, bald nach Hechlingen, bald nach Geilsheim, Sammenheim, Dittenheim oder noch weiter. Überall dahin führten den Überreiter seine Wege, wo das Kloster einen Hof, einen Zinspflichtigen oder ein Gut oder einen Wald hatte. Alle Veränderungen in Grundstücksangelegenheiten des Klosters musste er durch seine persönliche Anwesenheit kontrollieren. Auch bei Hofübergaben an Nachfolger war er stets zugegen. In einer Zeit, in der die einzelnen Güter und Rechte des Klosters noch nicht in allen Einzelheiten schriftlich fixiert waren, musste der Überreiter über genaue Kenntnisse verfügen, was die Rechte und Einnahmen des Klosters auf den weit zerstreuten Höfen anbelangte. (8)

Aber auch in späterer Zeit, als die Besitzverhältnisse genau im Salbuch festgelegt waren, konnte das Kloster ohne den Überreiter nicht auskommen. Seine Tätigkeit als Wahrer der klösterlichen Gerechtsame brachte den Überreiter bisweilen in gefährliche Situationen, denn wenn die Bauern untereinander in Streit um Grundstücke gerieten oder wenn ein Hintersasse des Klosters seiner Abgabenpflicht nicht nachkam, wallte oft der Zorn auf und dann saß das Messer sehr locker in der Tasche. Darum war der Überreiter bewaffnet, fast wie ein Krieger jener Zeit. Darüber findet sich ein Eintrag in das Rechnungsbuch des Abtes Wilhelm von Vestenberg um 1429:

Über seine Besoldung steht geschrieben:

Der Überreiter durfte selbst Pferde kaufen oder bestellen unter 20 Gulden

Der Überreiter muss neben dem Marschalk ein angesehener Bediensteter des Klosters gewesen sein. Er wohnte in einem steinernen Haus im Siedelhof. Bei den Bauern war er wohl bekannt, vielleicht auch gefürchtet, denn er war derjenige, den sie auf ihren Höfen am häufigsten zu Gesicht bekamen.

Das Bauding im 16. und 17. Jahrhundert

Im frühen und im hohen Mittelalter mag das alljährliche Bauding in den Meierhöfen des Klosters als Kontrollorgan und Garant für den Zusammenhalt der geistlichen Grundherrschaft von niemandem in Frage gestellt worden sein. Die Höfe der Grundholden, vom wohlsituierten Meierbauern bis herunter zu den "kleinen Leuten", den Seldnern, war alles widerspruchslos in die überlieferte Ordnung der Grundherrschaft des Klosters eingebettet. Die Grundherrschaft war zugleich Gerichtsherrschaft, die für das geordnete Zusammenleben sorgte. Vom Abt und seinen Mönchen strahlte noch ein Glanz aus, der das Kloster als Heilsinstitution für alle, die zu seiner Familie gehörten, unangezweifelt erscheinen ließ. Aus der Verfügungsgewalt des Klosters über den Grund und Boden ergab sich ein Herrschaftsrecht des Abtes auch über die Personen, die diesen Boden bewirtschafteten.

Anmerkungen:

  1. Andreas Bauch, Quellen zur Geschichte der Diözese Eichstätt Bd. I Biographien der Gründerzeit; Das Leben des Hl. Wunibald S. 160/61.
  2. Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Leipzig 1952 S. 31.
  3. Conrad Borschling, Rechtssymbolik im Germanischen und Römischen Recht, Sonderausgabe, Darmstadt (Nachdruck) 1923/24 S. 7 ff.
  4. Liegenschaften wurden im Mittelalter "mit Hand und Halm" übergeben. Neben der Bekräftigung durch den Handschlag bedurfte man der symbolischen Übergabe eines Halmes.
  5. Gült = "was zu gelten ist, oder gegolten wird", Abgabe
  6. Handlohn = Geldabgabe bei Besitzerwechsel
  7. wie Anmerkung 4
  8. St.-A. Nbg. Rep. 165a, Nr. 707, S. 135
  9. a.a. O. S. 135