Heidenheim

Geschichten aus der Geschichte

Pfarrei St. Walburg

Nicht weit von der heute so eindrucksvollen, die Mitte des Marktes beherrschenden Klosterkirche, stand auf der Höhe beim alten Friedhof eine Pfarrkirche. Sie brannte 1551 ab und wurde nicht mehr aufgebaut. Mit dem Kloster hatte sie ursprünglich keine engeren Verbindungen und diente all denjenigen Bewohnern Heidenheims als Gotteshaus, die dem Bischof von Eichstätt als Grundherrn und den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach als Vogtherrn angehörten. Heidenheim wurde in alter Zeit also, was die Seelsorge anbetrifft, einerseits vom Kloster und andererseits von der Pfarrkirche St. Walburg betreut. Wann die St. Walburgispfarrei entstanden ist, darüber schweigen die Quellen. Sehr viel spricht dafür, dass sie ihren Anfang nach der Umwandlung des angelsächsischen Doppelklosters in ein weltliches Chorherrnstift um 800 nahm. Nach den Forschungen Franz Heidingsfelders verwandelte Bischof Gerhoh (787-806), der Nachfolger Willibalds, das Kloster Heidenheim in ein Chorherrnstift. Gerhoh war ein mächtiger Mann, der in den Verwandtenkreis Karls des Großen eingebunden war. Die Chorherren erhielten allerdings nach Heidingsfelder nur einen Teil vom ehemaligen Grundbesitz des Doppelklosters in Heidenheim. Den andern Teil behielt Bischof Gerhoh zur Stärkung seiner Bischofskirche in Eichstätt (1).

Er konnte aber von Eichstätt aus seinen ihm zugefallenen Besitz in Heidenheim nicht bewirtschaften. Er musste das Land an Leute ausgeben, die in Heidenheim lebten und bereit waren oder gezwungen wurden, es mit ihrer Hände Arbeit zu bebauen und dafür Abgaben an den Bischof zu erwirtschaften. In Heidenheim bestanden von nun an zwei Grundherrschaften: die des Klosters und die des Bischofs von Eichstätt. Während nun der Abt (Prior) seinen Grundbesitz in Form eines großen Gutshofes (später Bauhof genannt) mit Hilfe von Knechten, Mägden und Tagwerkern bewirtschaftete, richtete der Bischof südlich der heutigen Kirche auf seinem eigenen Grund und Boden einen großen Meierhof ein, unterstellte diesem mehrere Vollbauernhöfe, so genannte Hufen oder Huben, und Halbhöfe, Lehen genannt, und viele Hofstätten mit wenig Land, deren Inhaber dem Meierhof und den dazugehörigen Hufen als Tagwerker zur Verfügung standen. Wurden diese "kleinen Leute" auf den Hofstätten mit wenig Land in Zeiten geringeren Arbeitsanfalls auf den größeren Höfen des Bischofs nicht gebraucht, konnten sie nebenbei einem Handwerk nachgehen und so ihr Brot verdienen. Meierhof, Hufen und Hofstätten bildeten zusammen einen Wirtschaftsverband des Bischofs, in der Fachsprache Villikation oder Fronhofsverband genannt. Kirchlich betreut wurden die Leute auf der eichstättischen Villikation von der Pfarrkirche St. Walburg. Sie war eine bischöfliche Eigenkirche in Heidenheim.

Erste Erwähnung im 12. Jahrhundert

Erstmals erfahren wir etwas von einem Pfarrer namens Cunrad um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Damals herrschten in Heidenheim stürmische Zeiten. Das hiesige, nach Angaben etlicher Zeitgenossen verwilderte Chorherrnstift, sollte nach den Vorstellungen des Bischofs Gebhard II. von Eichstätt (1125-1149) wieder in ein Kloster verwandelt werden und zwar in ein Reformkloster, wo Mönche nach strengen Regeln leben mussten. Sein Nachfolger Bischof Burchard (1149-1153) und seine Anhänger, vor allem die mächtigen Grafen von Hirschberg und ihre Verwandten, die Grafen von Oettingen, waren dagegen (2).

Als Abt wurde ein gewisser Adelbert vorgesehen, der aus dem Reformkloster Paulinzella bei Rudolstadt in Thüringen kam und reiche Erfahrungen in der Hirsauer Reformbewegung mitbrachte. Er wurde in Heidenheim von den Gegnern der Reform heftig angefeindet und musste sich bei seiner Rückkehr nach Heidenheim, aus dem er schon einmal wegen starker Anfeindungen der Reformgegner geflüchtet war, in einer "überbauten und befestigten Hofstatt bei der Kirche der heiligen Walburgis gelegen", aufhalten (3). Einen warmen Freund fand Abt Adelbert an dem Pfarrer Chunrad von Heidenheim, einem früheren Kanoniker, der ihm sein Haus zur Verfügung stellte und ihn mit Lebensmitteln versorgte. In dieser schwierigen Situation um 1152-54 werden erstmals die Pfarrkirche St. Walburgis, der Pfarrer Cunrad und sein Haus erwähnt. Bestanden hat sie wohl schon im 11. Jahrhundert oder noch früher.

Die Pfarrei St. Walburg gelangt unter die Herrschaft des Klosters

Ein bedeutender Wandel in der Geschichte der St. Walburgispfarrei auf dem Krächelberg trat im Jahre 1263 ein. Hatte bisher die Walburgiskirche so gut wie keine Beziehungen zum Kloster Heidenheim, so änderte sich das im Jahre 1263. An die Spitze des Klosters Heidenheim trat in dieser Zeit ein gewisser Abt Burchard. Sein Kloster verfügte damals über das Patronatsrecht der zwei Pfarrkirchen St. Walburgis und St. Peter zu Stetten bei Gunzenhausen, während der Eichstätter Bischof Hildebrand (1261-1270) im Besitz des Patronatsrechts der Pfarrkirche St. Walburgis auf dem Krächelberg zu Heidenheim war. Für das Kloster war es sicherlich seit langem ein Begehren, die Herrschaft über diese nahe gelegene Pfarrei St. Walburg unter seine Herrschaft zu bekommen. Dadurch könnte die Macht und der Einfluss des Klosters im Markt noch gestärkt werden.

Eine günstige Gelegenheit ergab sich dazu in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als Hildebrand von Möhren im Jahre 1261 den Eichstätter Bischofsthron bestieg. Von ihm ist bekannt, dass er aus dem freiadeligen Zweig der Herren von Möhren stammte (4) und dass er mit den Rittern Ulrich und Burchard von Weißenburg blutsverwandt war (5). Um diese Zeit (1263) war auch ein Burchard Abt von Heidenheim (6). Es ist nicht auszuschließen, dass Bischof Hildebrand von Eichstätt (1261-1279) auch mit Abt Burchard verwandt oder gut bekannt war und dass verwandtschaftliche Beziehungen in dieser Zeit es ermöglichten, dass der Eichstätter Bischof Hildebrand seinem Verwandten Abt Burchard von Heidenheim die dem Kloster Heidenheim nahe gelegene eichstättische Eigenpfarrei St. Walburg auf dem Krächelberg zukommen ließ. Schenken konnte und wollte er sie dem Kloster nicht. Das hätte wohl den Widerstand des Domkapitels herausgefordert, aber auf dem Tauschwege konnte aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen sich ein gleichwertiges Geschäft ermöglichen lassen.

So kam es wohl am 5. September 1263 zu folgender Übereinkunft: Abt Burchard von Heidenheim tut kund, "dass er das ihm und seinem Kloster zustehende Patronatsrecht über die zwei Pfarrkirchen St. Walburgis und St. Peter zu Stetten, frei von aller Vogtei, gegen das Patronatsrecht über die Pfarrkirche zu Heidenheim an den Bischof Hildebrand von Eichstätt und dessen Kirche vertauscht hat". (7) Und der Tausch bewirkte noch eine weitere Folge in der Geschichte der Pfarrei: Bischof Hildebrand erlaubte sogar die Inkorporation der Pfarrei St. Walburg auf dem Krächelberg in das Kloster Heidenheim. Was ist darunter zu verstehen? Das Kloster erhielt vom Bischof oder vom Papst das Recht, die Güter der einverleibten Pfarrei zum eigenen Nutzen zu verwenden. Freilich mussten der Pfarrei von den Gütern soviel verbleiben, dass zumindest ein Vikar, der Stellvertreter eines Geistlichen, standesgemäß leben und zudem noch die rechtlichen Ansprüche des Bischofs befriedigen konnte. Die eichstättische Pfarrei trat mit diesem Patronatstausch im Jahre 1263 unter die Herrschaft des Klosters. Die Oberherrschaft über Kloster und Pfarrei behielt sich der Bischof vor. Dafür hatte das Kloster alljährlich am Feste des heiligen Willibald (7. Juli) "zur Anerkennung dieses Obereigentums und zum Zeichen der dem Abt und dem Konvent erwiesenen Gnade" ein Pfund Pfeffer zu entrichten (8). Inwieweit das Kloster nun den Besitzstand der Pfarrei St. Walburg beschnitten hat, das lässt sich nicht mehr feststellen. Ob ein eigener zur Pfarrkirche St. Walburg gehöriger Widemhof dabei zertrümmert wurde, davon schweigen die Quellen. Nach dem Salbuch des Klosters um 1400 werden "3 Tagwerk, genannt die wydem wyß, trägt ein gras" und "des pfarrers wys an dem pach gen Samenheim 2 Tagwerk, tragen 2 Gras" genannt (9). Ebenso sind im Salbuch 4 Joch an dem Widemacker erwähnt und "dy Bewnt (Beunde), gelegen hinter der Pfarrkirche" und des Knorren Garten "gelegen hinter des Pfarrers Baumgarten". Diese Grundstücke gehörten nun dem Kloster, waren aber nach wie vor der Pfarrerbesoldung vorbehalten.

Die Pfarrpfründe um 1400

Die Einverleibung der Pfarrei St. Walburg in das Kloster um 1263 hat sich wohl vorwiegend auf die Pfarrpfründe ausgewirkt. Sie konnte vom Abt zugunsten des Klosters beschnitten werden. Die wirtschaftlichen Grundlagen, die zur Instandhaltung der Kirchengebäude, des Pfarrhauses und der gottesdienstlichen Handlungen dienten und meist aus Stiftungen hervorgegangen waren, mussten der Pfarrei verbleiben. Dass nach 1263 die Besoldung des Pfarrers an der Walburgiskirche nicht mehr von einem eigenen Widemhof ausging, sondern vom Kloster aus erfolgte, wird durch einen Eintrag in das Salbuch bestätigt:

Heidenheim:

Die Tatsache, dass der Pfarrer aus dem Kloster noch um 1400 eine Landwirtschaft wohl mit Hilfe eines Knechts und einer Magd betrieb, wenn auch nicht mehr in der Größe von einst in Form eines Widemhofes, Heu und Stroh aus dem Kloster bezog, deutet doch auf Viehhaltung hin. Vor allem wird man hier daran denken dürfen, dass der Pfarrer über ein Pferd verfügen musste, wenn auch darüber in den Quellen nichts verlautet. Er hatte ja auch die entlegenen Höfe in Kirschenloh, den Kohlhof und Eggenthal, den Kreuthof, die Balsen- und Scheckenmühle zu betreuen. Einem Sterbenden die letzte Ölung erteilen zu müssen, setzte wohl eine gewisse Beweglichkeit voraus, die nur mit dem Pferd erreicht werden konnte. Aber diese Bezüge aus dem Kloster genügten nicht zu einer standesgemäßen Versorgung des Geistlichen. Nach dem Salbuch standen ihm noch weitere Einnahmen zu:

Der Zehnte war eine Ertragsmenge in Höhe des zehnten Teils des Ernteertrags an Getreide. Man nannte ihn den Getreide- oder großen Zehnt. Er wurde vor allem vom Kloster eingenommen, während ein Teil des kleinen Zehnten (Blutzehnt, Gartenzehnt, Geflügelzehnt) meist dem Pfarrer zustand. Zu Eggenthal, Kirschenloh und im Markt Heidenheim gehörte der Getreidezehnt dem Kloster. Allein im Markt Heidenheim betrug er in normalen Jahren bei 180 Heidenheimer Metzen. Der Pfarrer an der Walburgiskirche hatte um 1400 von dem rechten Meierhof noch 1 ½ Leit (Fuhren) Heu zu beziehen und den Heuzehnten von allen Hufen und Lehen (11). Außerdem bekam der Pfarrer von dem Hof zu Kirschenloh anderthalb Leit Heu und von des Pfeysen Hof ein Leit (Fuhre) Heu. Die Mühle zu Kirschenloh hatte dem Pfarrer 5 Schilling Haller für den Heuzehnten zu geben. Zu Eggenthal mussten dem Pfarrer Heuhühner für den Heuzehnten gereicht werden. Hier war der Heuzehnte zwischen dem Pfarrer und dem Kloster geteilt:

Ferner bezog der Pfarrer allen kleinen Zehnten auf den Mühlen ohne den Flachszehnten. Ebenso stand ihm um 1400 aller Kleinzehnt auf dem Kreuthof, zu Degersheim und Rohrach zu (12).

Von den Heiligenpflegern

Während die Ausstattung der Pfarrpfründe durch die Jahrhunderte hindurch ziemlich konstant blieb, änderte sich das Vermögen der Pfarrkirche durch Stiftungen aller Art von Jahr zu Jahr Denn was man der Kirche stiftete, war nicht für den Pfarrer gedacht, sondern für den Heiligen, dem ideellen Schutzherrn der Kirche, dem man sich im Mittelalter als unsichtbar anwesend im Gotteshaus vorstellte. Von ihm war womöglich eine Reliquie im Altar niedergelegt. Man flehte um seine Fürbitte bei Gott. Da die Pfarrkirche auf dem Krächelberg der heiligen Walburgis geweiht war, von der im Mittelalter bekannt wurde, dass sie reichlich Wunder zu wirken vermochte, konnte man sich in Nöten ihrer Hilfe anvertrauen und ihrer Fürsprache dafür der Kirche Stiftungen zukommen lassen. Auf diese Schenkungen, ihren Zweck und ihre sichere kirchliche Betreuung suchten aber die Schenker bald selbst Einfluss zu gewinnen. Aus der Pfarrgemeinde wurden ehrenwerte Bürger bestimmt, die über das wachsende Vermögen der Pfarrkirche zu wachen hatten. Man nannte diese Leute noch bis lange nach der Reformation Heiligenpfleger, weil sie das Vermögen des Kirchenheiligen betreuten. Ihre Rechnungen, die sie führen mussten und die alljährlich vor versammelter Gemeinde abgehört wurden, waren die Heiligenrechnungen. Das Holz, das man dem Heiligen der Pfarrkirche verehrte, erhielt den Namen Heiligenholz, entstanden aus der Form: "des Heiligen Holz". Ähnlich entstanden die Namen Heiligenäcker und Heiligenwiesen. Um 1390 lesen wir in einem Zins- und Gültbüchlein des Klosters:

1535 heißt es:

Alle diese dem Heiligen der Pfarrkirche gestifteten Güter und Geldspenden wurden nicht von Geistlichen verwaltet, sondern vom Heiligenpfleger, der dem Laienstande angehörte. Wie kam man zu dieser Bezeichnung? Das mittelhochdeutsche Tätigkeitswort phlegen bedeutet: "Verantwortung übernehmen, sich mit freundlicher Sorge annehmen, Aufsicht haben". Der Heiligenpfleger war also jene Person, die über das Vermögen des Heiligen, dem die Kirche geweiht war, mit freundlicher Sorge wachte. Heiligenpfleger sein zu dürfen, war ein Ehrenamt, das von ehrenwerten Bürgern mit großem Pflichtbewusstsein ausgeübt wurde. Auch an der Pfarrkirche St. Walburg in Heidenheim auf dem Krächelberg kannte man im ausgehenden Mittelalter dieses Amt. Darüber berichtet ein Register der Pfarreinkünfte aus dem Jahre 1496:

Vermögensmasse der Pfarrkirche St. Walburg um 1500

Vermögen aus Grundstücken

Das Vermögen des Heiligen wurde also auch durch Geldausleihen vermehrt.

Anmerkungen:

  1. Heidingsfelder, Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 26.
  2. Heidingsfelder, Regesten Nr. 352, 377, 389, 391, 393, 394, 395, 396, 397, 398, 401, 402, 403, 406, 408, 410.
  3. Stefan Weinfurter, Friedrich Barbarossa und Eichstätt, in Jahrbuch für fränk. Landesforschung 52, 1992, S. 73-84.
  4. Heidingsfelder, Regesten, Nr. 398, 408.
  5. Heidingsfelder, Regesten, Nr. 804.
  6. Wie Anmerkung 4, Nr. 804.
  7. Heidingsfelder, Regesten, Nr. 819, 821.
  8. Heidingsfelder, Regesten, Nr. 819.
  9. a.a.O., Nr. 821.
  10. StA. Nürnberg, Rep.122, Nr. 53, S. 89.
  11. Wie Anmerkung 9, S.62
  12. a.a.O., S. 62.
  13. a.a.O., S. 63.
  14. StA. Nürnberg, Rep 165a, Nr. 709.