Die Edlen von Truhendingen

und das Kloster Heidenheim

 

Vom Kloster zum Stift

Das angelsächsische Kloster Heidenheim erlebte eine kurze, aber scheinbar recht wirkungsvolle Blütezeit. Nach Wunibalds Tod (18. Dezember 761) übernahm seine Schwester Walburgis die Leitung und verwandelte die Gründung ihres Bruders in ein Doppelkloster; nach Theodor Schieffer das einzige der angelsächsischen Mission überhaupt (90). Schon um 800, kurze Zeit nach Walburgis Tod, wurde die Abtei jedoch zum erstenmal säkularisiert und in ein Stift verwandelt. Die Motive dazu vermutet Heidingsfelder in der sich lockernden Disziplin und in dem Streben des Bischofs, den Besitz des Klosters im Hahnenkamm zur Stärkung der Eichstätter Domkirche zu verwenden (91).

An die Stelle der asketisch lebenden, feingebildeten Mönche und Nonnen traten nun Weltgeistliche. Sie mögen im 9. Jahrhundert noch im gemeinsamen Leben verbunden gewesen sein. In den Jahren von 870 - 878 ist von einem Neubau der Stiftskirche die Rede (92). In dieser Zeit wurden auch die Gebeine der heiligen Walburgis gehoben und in feierlicher Form nach Eichstätt überführt, wo sich über ihrem Grab eine Stätte weltweiter Verehrung bildete (93).

Über das in Heidenheim an Stelle des ehemaligen angelsächsischen Doppelklosters entstandene Stift von Weltgeistlichen legte sich nun im 10. und 11. Jahrhundert der Schleier geschichtsloser Dunkelheit. Als es dann unter Bischof Gebhard II: (1125 - 1149) wieder in das Licht schriftlicher Überlieferung rückt, bietet sich nach zeitgenössischen Berichten ein heruntergekommenes Chorherrnstift dar: das gemeinsame Leben war aufgegeben, die Kanonikate waren käuflich, mit der Simonie verbanden sich Gewalttätigkeiten zur Erlangung der Pfründen, die ehemaligen Türme der Stiftskirche und die Gebäude waren zum Teil zerfallen (94). Ob der Verfall des Stifts wirklich sich schon diesem dunklen Zustand genähert hatte, wie er in den Berichten des Kanonikers Ilsung und des späteren Abtes Adelbert zum Ausdruck kommt, bleibt dahingestellt.

Übertriebene Schilderungen, wonach die Disziplin erlahmt gewesen oder lau geworden sei, die religiöse Inbrunst verdorrt und die Klostergüter verpraßt worden seien, werden ja im Mittelalter häufig dann angeführt, wenn man versuchte, Reformen durchzudrücken. Selbst traditionell hochangesehene Klöster mit einem vorbildlichen Gemeinschaftsleben werden dann vorwurfsvoll abgewertet, wenn es gilt, neue religiöse Gewohnheiten von anderen Reformklöstern zu übernehmen (95). In Heidenheim mögen die verwilderten Zustände zu Beginn des 12. Jahrhunderts tatsächlich ein Stein des Anstoßes gewesen sein, denn in dieser Epoche, im Zeitalter des heiligen Bernhard von Clairvaux, als die Kirche von einer neuen Welle gesteigerten Glaubensdranges, von Cluny ausgehend über das Schwarzwaldkloster Hirsau nach Süddeutschland ausstrahlend, erfaßt war, mußte es die Geistlichkeit besonders schmerzvoll berühren, daß ausgerechnet an der Stelle, an der eine so bedeutende Heilige wie St. Walburgis wirkte und dort ihr Erdendasein vollendete, nicht mehr der Geist asketischen Mönchtums gehegt wurde, sondern die verhaßte Simonie, der Handel mit geistlichen Ämtern und Pfründen, ihr Unwesen trieb.

Das Innere des Heidenheimer Münsters

Das Innere des Heidenheimer Münsters

Abkürzungen:

Anmerkungen