1100 Jahre

Ursheim

und Appenberg

Ursheimer und Appenberger Flurnamen - Teil III

(Die Plannummern stehen hinter den Namen in Klammern)

3. Wald- und Rodungsnamen

Die Urlandschaft im süddeutschen Raum war eine Waldlandschaft, auch hier im Hahnenkamm. Die ersten sesshaften Siedler im 6.-7. Jahrhundert mussten den Wald erst roden, wenn sie Nahrunsraum gewinnen wollten. Zöge sich heute der Mensch aus der Gemarkung zurück, müsste jegliche Pflugarbeit ruhen, jeglich Feld-, Wiesen- und Waldwirtschaft aufhören, so würde der Wald unter den gegenwärtigen Niederschlagsbedingungen sein ihm durch den Menschen entrissenes Reich wieder zurückerobern. Die Landschaft würde wieder in ihren Waldzustand zurückkehren.

Über die Erschließung des Ackerlandes, über das Verdrängen des Waldes aus der Ursheimer Mark geben zahlreiche Flurnamen Aufschluss. Da fällt zunächst einmal auf, dass der Name Wald auch in Zusammensetzungen fast nicht vorkommt, obwohl es hier noch viel Wald gibt. Die einzige Ausnahme ist Tannwald (1811) in Oberappenberg. Der Name scheint erst im vorigen Jahrhundert aufgekommen zu sein, im mittelalterlichen Flurnamengut fehlt er. Warum? Wald war ein Überbegriff und wurde im Mittelalter nur für große, zusammenhängende Gebirgswaldungen wie Schwarzwald, Bayerischer- und Böhmerwald, Steigerwald usw. verwendet. Solche gab es bei der Gründung von Ursheim im Hahnenkamm nicht mehr.

Für kleinere und kleinste Waldstücke gebrauchte der Volksmund den Begriff Holz z.B. Meierholz, Heiligenholz, Holzwiesen, Holzacker. Das Schindrankenholz (145) ist das auf dem Schindranken stehende Holz. Schindranken wurde der Steilhang genannt, weil man sich dort schinden (plagen) musste.

Für die einzelnen Hölzer wurden je nach Besitzer oder Bewirtschaftungsweise verschiedene Namen verwendet. Häufig erscheint der Waldname Loh. Das Wort hat bei uns eine sehr unterschiedliche und vielseitige Bedeutung angenommen. Es entstammt dem lateinischen lucus und bedeutet "lichter Weidewald". Es haftet meist an einem Waldstück, das in der Form des Niederwaldes bewirtschaftet wird, meist am Gemeindewald. Ein Lohholz ist ein Waldstück, das wenig Stammholz (Schmerbäume) aufweist, dagegen viele Stockausschläge. Diese wurden nach 10 bis 15 jährigem Wachstum zum Abholzen an die Gemeindeberechtigten ausgegeben und nach fünfjährigem Laubausbruch zur Beweidung durch die Dorfherde gestattet, daher die Bedeutung von Loh = "lichter Weidewald". Die Lohbereitung (214-238) war wohl einmal so ein lichter Weidewald, wurde dann gerodet und als breites Ackerfeld genutzt. Derselbe Sinn liegt in der Flurbezeichnung "hinterm breiten Loh" (1270-1300) vor.

Für einen derartigen niedrigen Wald, der nach gewisser Zeit wieder abgeholzt wurde, ist im Hahnenkamm auch der Begriff Huft gebräuchlich. Seine Grundbedeutung geht vom Tätigkeitswort "häufen, anhäufen" aus. Wo viele Weidenbüsche angehäuft sind, spricht man vom Weidenhuft (Dittenheim, Windsfeld), wo viele Dornenbüsche stehen, vom Dornenhuft (Biederbach). In Ursheim erscheint um 1600 der Name Eichenhuft (356). Es müssen hier einmal viele Stockausschläge aus Eichen oder Eichenbüsche gestanden sein, die von Zeit zu Zeit als Brenn- und Zäunholz und zur Gewinnung von Gerberlohe ausgegeben wurden.

Ein ähnliches Waldbild wird in alten Zeiten "in der Holzing" (812-814; 816-835) vorgelegen haben. Im Süden der Ursheimer Gemarkung an der Rohrach nach Polsingen zu lag ein Feuchtgebiet. Die Rohrach trat bei starken Regengüssen über die Ufer und überschwemmte den Grund. Das war in der Urlandschaft Lebensraum für den Auenwald, in dem sich Büsche und Bäume zusammengesellten, die stauende Bodennässe vertragen konnten wie Erlen, Weiden und Eschen. Es bildete sich so eine Art Sumpfwald. In Trockenzeiten trieb man das Vieh in den Auenwald. Dort entstand später dann auch die Nachtweide. Dieses Gemisch von wasserverträglichen Holzgewächsen nannte man Holzing (717). Eigentlich müsste es heißen Hozach wie Stockach. In der Mundart ist der Sammelbegriff -ach auch zu -ing geworden, daher "in der Holzing" (heute Wiesenland).

Ein ähnlicher Name liegt in Oberappenberg vor: "In der Dorning" (1777-1796). Er besagt: "eine Ansammlung von Dornen"; "in der Stockach" (1793-1800) "eine Ansammlung von Baumstöcken" (in der Stöck), "in der Salach" (1181-1183) "eine Ansammlung von Salweiden".

Bei der Rodung von Waldstücken bedienten sich die Ursheimer im Laufe der Jahrhunderte vor allem der Hacke, des Beils, der Axt. Das Holz wurde geschlagen, nicht abgesägt. Selbst dicke Eichen fielen durch die Axtschläge der "Holzmacher". Dabei entstanden enorme Mengen von Hackspänen, die die "Suppenweiber" in ihren Butten nach Hause trugen, trockneten und als Brennholz verwendeten. Waldstücke, die durch solches Schlagen der Bäume gerodet wurden, nannte man Schlag. Die Flurbezeichnung "im schwarzen Schlag" (620) mag wohl an einen besonders dunklen Schlag erinnern. "Geisschlag" (232-35) wird an die Geißen, jene anspruchslosen aber auch genäschigen Weidetiere erinnern, die früher in häufiger Zahl besonders bei den sogenannten kleinen Leuten gehalten und für die im Geisschlag vielleicht Geißbroß gebrochen wurden (brossen = "brechen, naschen"). Beim Einschlagacker (389) liegt wohl ein Waldstück vor, das eingeschlagen und in Ackerland verwandelt wurde. Womöglich darf man auch an das Einschlagen im Sinne von Einwenden des Pfluges denken.

Eine andere, häufigere Art des Waldrodens bestand darin, dass mit dem Stamm der Wurzelstock ausgegraben wurde. Diese Art der Zurückdrängung des Waldes geht auf das mittelhochdeutsche Tätigkeitswort "riuten" zurück, das "reuten, ausreuten, urbar machen" bedeutet. In unserer Mundart wurde es zu reiten, wobei man nicht an das Reiten zu Pferd, sondern an das Ausreiten einer Hecke, eines Waldstückes denken muss. Das Werkzeug dazu war die Reithaue. Ein Waldstück, das auf diese Weise dem Wald abgerungen wurde, erhielt die Bezeichnung Gereut oder Greut, mundartlich Greit, auch Kreit geschrieben. "Im Kreutlein" (691-705), mundartlich Kreitla, begegnet uns in der Ursheimer Markung. Der Name Danielsgereut (1982) in Oberappenberg lässt sich wohl auf einen Besitzer namens Daniel zurückführen.

Die gerodete Fläche heißt auch"im Rod" (1622-1676). Sehr oft berichten die Flurnamen vom einstigen Baumbestand des verschwundenen Waldes. Da erscheint z.B. ein Mantelhölzlein im Röthfeld (293), das nicht etwa an das bekannte Kleidungsstück Mantel erinnert, sondern an das weibliche Hauptwort "die Mantel", das bisweilen bei alten Leuten noch als Bezeichnung für die Föhre (Kiefer) im Munde ist. Im Laubwaldgebiet des Hahnenkamms musste ein Föhrenhölzlein (mundartlich Forlhölzlein) auffallen und nach der seltenen Baumart seinen Namen erhalten.

"Auf dem Elm, Elmacker" (302-323) offenbaren uns, dass einmal die in unserer Heimat heut ausgestorbene Ulme in der Ursheimer und Appenberger Flur stärker verbreitet war; in Appenberg"im Elmen" (1914-1921) schon im Jahre 1535. Das Birkach, heute noch so genannt, scheint einmal eine Ansammlung von Birken gewesen zu sein, ähnlich wie in Oberappenberg Salach eine von Salweiden (1183). Die Nachsilbe -ach wird in der Mundart zu -ich (Birkich).

Eine im Hahnekamm sehr häufig verwendete Waldbezeichnung war "im Buch" (1230-1257) nach der Rotbuche, während die Hainbuche (Steinbuche) gewöhnlich im Namen Hagenbuch einen Niederschlag gefunden hat, der allerdings in Ursheim nicht erwähnt wird. "In den Erlen", so heißt 1535 ein Holz in Oberappenberg. Das Holderhölzlein (1109-14) über der Wiesmühle mag vor der planmäßigen Forstbewirtschaftung sehr stark mit Holunderbüschen durchsetzt gewesen sein. Das Hornholz (146) ist zu deuten als "Holz auf dem Horn", so nannte man die höchste Erhebung des Schmiedsberges.

Nun bleibt noch das Heiligenholz (391). Natürlich gibt es kein heilges Holz, wohl aber ein Holz, das dem Kirchenheiligen als dem Herrn des Gotteshauses gehört (in Ursheim der heiligen Maria und dem heiligen Wunibald). Heute ist für das Kirchenvermögen der Begriff Kirchenstiftung üblich geworden. Der Waldname Koreislein (1149-1621) ist entstanden aus Geheireislein, mundartlich durch Zusammenziehen Ghoreislein, Koreislein, bedeutet einen geheiten, gehegten Wald. In diese Gruppe der Wald- und Rodungsnamen gehört auch die Flurbezeichnung Hard, "in der Hard" (1180-1195). Sie steht in einem Sinnzusammenhang mit der Herde und bezeichnet das große, ursprünglich die Feldmark umgebende Waldgebiet eines einzelnen Dorfes, im besonderen die dem Viehtrieb dienenden Teile. Sie ist fast in jedem Dorf im Hahnenkamm zu finden.

Am Schluss dieser Reihe soll der Flurname Heide in der Oberappenberger Markung unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken (1969-2003). Darunter verstand man ursprünglich "unbebautes, wildbewachsenes Land". Der Flurname haftet an einem großen Bereich vor dem großen Wald Sachsenhard. Mit den heidnischen Sachsen, die in Ober- und Unterappenberg auf königlichem Grund und Boden angesiedelt wurden, steht er nicht in Beziehung. Wohl aber kann der Begriff Heide als Nichtchrist von dem Namen Heide im Sinne von Wildnis abgeleitet worden sein. So konnte man einen Heiden als "den in der Wildnis lebenden Menschen" bezeichnen.