Die Gelbe Bürg

in fränkischer Zeit

Königsfreie im Raum der Gelben Bürg

In der Geschichte der deutschen Stände ist in den letzten Jahren ein erregender Wandel eingetreten. Die romantischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts von der allgemeinen Freiheit und Gleichheit der Germanen sind zusammengebrochen. Nicht in demokratischer Verfassung sind die Alemannen und Franken in unsere Heimat eingerückt, sondern große und adelige Herren herrschen über viele unfreie Bauern und abhängige Leute. Adelsherrschaft, nicht Volksherrschaft, das ist die Wirklichkeit auch schon für die Landnahmezeit, und die "mittelalterliche Welt ist eine aristokratische Welt" (Dannenbauer). Vor allem aber ist die Lehrmeinung über den Stand der Gemeinfreien, die in Sippendörfern und Markgenossenschaften siedeln und die tragende Schicht unseres Volkes bildeten, aufgegeben worden. Statt dessen ist ein neuer Stand entdeckt worden, von dem die ältere Forschung nichts wußte, die Königsfreien. Sie treten in den frühmittelalterlichen Quellen unter verschiedenen Namen auf, haben aber alle die gleiche Aufgabe: Sie sind ein Instrument der Königsherrschaft. "Die Königsfreien sind Leute, die auf Königsland sitzen, persönlich frei, doch in der Verfügung über ihr Eigen beschränkt und dem König zu Dienst und Abgaben, dem Königszins, verpflichtet; vor allem aber zu Kriegsdienst und anderen Aufgaben militärischer Art, wie Wachen und Streifen, Burgenbau, Botendienst zu Pferd und zu Fuß (1)." Seitdem die Königsfreien entdeckt und in ihrer politischen Bedeutung für den Aufbau des merowingischen und karolingischen Reiches erkannt sind, setzt in den einzelnen Landschaften ein eifriges Suchen nach ihnen ein. Sie werden überall dort vermutet, wo politische und militärische Schwerpunkte des fränkischen Königswillen zu erkennen sind, also um Burgen und Königshöfe. Wir haben erkannt, daß das alte Siedlungsland um die Gelbe Bürg infolge seiner vermittelnden Lage zwischen Rhein - Main und Donau und infolge seines gut ausgebauten, aus der Römerzeit stammenden Straßensystems einer von vielen politischen Schwerpunkten im fränkischen Reiche war. Daher liegt es nahe, auch im Umkreis der Gelben Bürg diese Freien auf Königsland zu vermuten.

An Aufgaben der Raumerschließung und der Sicherung des neugewonnenen Landes durch die Königsfreien fehlte es hier nicht. Da waren die Befestigungen auf der Gelben Bürg instandzusetzen oder neu zu errichten, da waren die kleineren Vorfeldbefestigungen anzulegen und zu bewachen, da waren Vorspanndienste mit Pferden für durchziehende Königsboten zu leisten, die Straßen zu sichern, die Furten instandzuhalten. Vielleicht darf man sogar daran denken, daß Karl der Große beim Bau der Fossa Carolina die Königsfreien aus dem weiten Umland zusammenzog. Die gewaltigen Erdbewegungen erforderten wohl viele Wagen und Gespanne. Es ist so einfach zu behaupten, Karl der Große habe dieses gewaltige Werk mit Sklaven oder Kriegsgefangenen durchgeführt. Wer sollte sie aber verpflegt und unterhalten haben?

Karlsgraben

Reste der Fossa Carolina beim Dorf Graben

Von Vitold Muratov - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15916262

Liegt es da nicht näher, an Königsfreie zu denken, die auf dem alten römischen Staatsland, das jetzt dem fränkischen König gehörte, angesiedelt waren und die zu derartigen Arbeiten verpflichtet waren? Sie konnten sich von ihren Höfen selbst verpflegen, konnten auch wohl dorthin zurückkehren und waren doch jederzeit zur Arbeitsleistung verfügbar. Man wird sie aus der näheren und weiteren Umgebung zusammengeholt haben. Man kann sich schwer vorstellen, daß alle zum Bau der Fossa Carolina erforderlichen Menschen nur aus dem Königshof Weißenburg versorgt wurden. Karl wird auch auf die Leute, die um die Martinskirche von Wettelsheim saßen, auf die angesiedelten Sklaven in Windischhausen (1057 Slavanishusen), auf die Königsfreien, die um die Gelbe Bürg und im Hahnenkamm saßen, zurückgegriffen haben. Die Entfernungen zur Fossa Carolina sind nicht groß, sie erlaubten den Einsatz dieser Königsleute. Als Arbeitskräfte waren sie mit ihren wenigen Unfreien, über die sie verfügten, billiger als Sklaven und Kriegsgefangene. Ihr Land, auf dem sie saßen, ist königlicher Grund und Boden, es wird nicht vollfreies Eigentum der Siedler, sondern bleibt Eigentum des Königs und als Entgelt für die Nutzung dieses Staatslandes sind sie zu Diensten verpflichtet. So kann man sich den Einsatz der Königsfreien beim Bau des Karlsgrabens durchaus vorstellen.

Erzählende Quellen, die über die Ansiedlung solcher Leute im Raum der Gelben Bürg und auf dem Hahnenkamm in breiter Ausführlichkeit berichten, besitzen wir nun nicht. Das ist aber kein Grund, ihr Dasein in merowingischer und karolingischer Zeit rundweg abzulehnen. Solche breit darstellende Quellen gibt es auch anderwärts nicht, sonst wäre der Stand der Königsfreien in der Geschichte längst bekannt geworden. Das Bild über ihren Einsatz und ihre Ansiedlung im Raum um die Gelbe Bürg muß vielmehr aus kleinsten Bausteinchen mosaikartig zusammengesetzt werden. Als "Leitfossil zum Auffinden und Erkennen solcher fränkischer Militärkolonien" (Dannenbauer) kann man den Königszins ansehen. Er ist die Abgabe, die die freien Leute Für die Nutzung des Königslandes zu entrichten haben. In den Quellen führt er freilich verschiedene Bezeichnungen und heißt census regius, tributum, fiscus, Königsscheffel, Medem, Osterstufe oder auch Zehnt. Im späteren Mittelalter steckte er auch bisweilen unter dem Allerweltsnamen Steuer oder Vogtei (2). Es ist freilich nicht einfach, nun diesen Königszins aus diesen Allerweltsbezeichnungen herauszufinden und von hier aus auf die Königsfreiengüter zu schließen. Für den Raum der Gelben Bürg kommt uns aber eine Formel in einer Heidenheimer Urkunde zu Hilfe. Sie erlaubt uns mit einiger Sicherheit Rückschlüsse auf die Ansiedlung und den Einsatz von Königsfreien in dem Raum um die Gelbe Bürg und den Hahnenkamm zu ziehen.

Anmerkungen

  1. Über die Königsfreien vor allem Heinrich Dannenbauer die grundlegenden Arbeiten in dem zusammenfassenden Werk "Grundlagen der mittelalterlichen Welt", Stuttgart 1958
  2. H. Dannenbauer, Freigrafschaften und Freigerichte in Grundl. d. mittelalt. Welt, S. 319/320