Heidenheim

Stützpunkt der angelsächsischen Mission

Die freien Hofstätten des Klosters Heidenheim

Neben seinem großen Siedelhof von ungefähr 500 Joch Ackerland und 150 Tagwerk Wiesen verfügte das Kloster über mehr denn 40 freie Hofstätten in Heidenheim. Sie lagen alle um den Siedelhof herum, vor allem an der Furt, in der Steingrube, um den Markt und einige auf dem Krechelberg. Der Begriff Hofstatt bezeichnet ein kleines Anwesen, mit dem kein oder nur wenig Grund und Boden verbunden war. Auf diesen Hofstätten saßen die so genannten "kleinen Leute", die zum Kloster gehörten.

Ursprünglich mögen die Menschen auf den Hofstätten als Tagwerker auf dem Großhof des Klosters verpflichtet gewesen sein und aus dem Hof ihren Unterhalt erhalten haben. Um 1400 jedoch war mit den Hofstätten schon ein kleines landwirtschaftliches Anwesen vereint, das dem Unterhalt der Familie zusätzlich diente, ein Äckerlein, ein Wieslein und ein kleiner Garten. Jedoch wohl nur soviel, dass die Arbeitskraft der Familie in Zeiten hohen Arbeitsanfalls (Ernte im Sommer, Holzarbeiten im Winter) dem Kloster zur Verfügung stand. Wägen mit Kühen als Gespanne besaßen diese Leute auf den Hofstätten wohl kaum. Sie waren beim Einheimsen der Früchte ihrer geringen Felder auf die Zugkraft der Ochsengespanne des Bauhofes im Kloster angewiesen oder sie trugen die Ackerfrüchte auf dem Rücken heim.

Ebenso musste damals ihr vom Abt des Klosters oft zur eigenen Nutzung zur Verfügung gestelltes Äckerlein mit der Schorschaufel umgegraben werden, wenn kein Pflug vorhanden war. Das Salbuch verwendet um 1400 für diese vielen kleinen Anwesen, die dem Kloster gehörten, den Begriff Hofstatt. In späteren Schriftstücken erscheinen diese geringen Gebilde, als Selden oder Sölden. Das mittelhochdeutsche Wort "die selde" bezeichnet ein Kleingut. Der Mann, der mit seiner Familie auf so einem Kleingut sitzt, wird Seldner oder Söldner genannt. Auf manchen alten Grabsteinen war noch nach dem Zweiten Weltkrieg zu lesen, der Verstorbene sei ein Söldner gewesen. Darunter darf man sich nicht etwa einen verstorbenen Soldaten vorstellen, der um Sold Kriegsdienste leistete, sondern einen Kleinlandwirt, der auf einer Selde oder Sölde lebte.

Um 1400 wurden diese vielen Behausungen der kleinen Leute in Heidenheim noch alle mit dem Begriff Hofstatt benannt, mag unter ihnen auch schon ein großer sozialer Unterschied bestanden haben. Um 1600 sprechen die Quellen meist von Selden. Wenn das Salbuch um 1400 freie Hofstätten in Heidenheim nennt, so könnte uns dies zu der Vorstellung verleiten, auf diesen Hofstätten seien lauter freie Leute gesessen, die keinem geistlichen oder weltlichen Herrn untertan waren. Das kann doch nicht der Fall gewesen sein, denn diese Menschen auf den freien Hofstätten hatten ja dem Abt Frondienste (Herrendienste) zu leisten. An den Begriff "freie Hofstätten" muss man hier die Frage stellen "frei wovon?" .Das Salbuch des Klosters gibt darüber folgende Erklärung:

Bauern bei der Herbst
Hans Wertinger, Bestellung des Ackers für die Wintersaat, um 1525/30

Die Freiheit der Hofstätten bedeutete also nicht die Unabhängigkeit vom Kloster. Dem Abt hatten sie mit ihrer Hände Arbeit zu dienen und Abgaben zu leisten, aber der weltliche Herr, der Amtmann des Markgrafen von Ansbach, konnte die freien Hofstätten im Markt weder mit Diensten noch mit Steuern belasten. Dazu hatte er kein Recht. Das weist eindeutig das Salbuch aus:

Der Vogt im Markt Heidenheim hatte also kein Recht, auf den freien Hofstätten etwas zu gebieten oder zu fordern. Das musste alles über den Abt erledigt werden, der sorgfältig darauf achtete, dass die weltliche Gewalt nicht in seine gefreiten Hofstätten eingriff. Diese Freiheiten hatte das Kloster von Päpsten, Kaisern und Königen bestätigt bekommen (3).

Eine Henne
Neben dem Zins (Geldabgabe) gehörten Fastnachtshennen zu den Naturalabgaben an den Abt des Klosters

Abgaben an den Abt

Die Leute auf den freien Hofstätten saßen auf dem Grund und Boden des Klosters. Der Abt konnte sie nicht nur zu Handdiensten heranziehen, er forderte von ihnen auch Abgaben. Getreide konnte er von diesen Kleingütlern nicht beanspruchen, denn sie hatten selber nicht das nötige Ackerland, um ihr tägliches Brot zu erzeugen. Die meisten unter ihnen versuchten nebenbei ein Handwerk zu betreiben oder im Kloster einen Arbeitsplatz zu finden. Die alljährliche Abgabe an den Abt musste aber erbracht werden. Am häufigsten erscheint hier die Fastnachtshenne. Sie wurde, wie überall in der mittelalterlichen Grundherrschaft, von den Grundholden gefordert und galt als Anerkennungszins für das Obereigentum des Klosters. Wenn einer auf der Hofstatt saß, so war er trotzdem nicht deren Eigentümer; sie gehörte in oberster Instanz dem Kloster und der kleine Mann hatte nur ein Nutzungsrecht und leistete dafür ursprünglich eine Henne am Fastnachtstag. Fastnachtshennen reichten in der Grundherrschaft des Klosters Heidenheim alle Hintersassen des Klosters, nicht nur in Heidenheim selbst, sondern in allen Orten, in denen es begütert war. Das ging vom wohlsituierten Meierhof bis herunter zum ärmsten Häusler. Hennen wurden ja von jedermann gehalten und eine Henne im Jahr konnte auch der Ärmste aufbringen, der auf dem Grund des Klosters saß. Um 1400 war die Abgabe der Fastnachthenne meist schon in Geld abgelöst. Hatte einer 2 Hofstätten zur Nutzung oder ein Grundstück, das nicht zur Hofstatt gehörte, musste er auch 2 oder mehrere Fastnachthennen dem Kloster geben. Neben der Fastnachthenne war aber auch von jeder Hofstatt eine Geldabgabe fällig. Sie wurde meist um den Sankt Veitstag am 15. Juni eingefordert, deshalb "Zins Viti" = Zins am Veitstag genannt. Ein einheitliches Maß für alle Hofstätten gab es nicht, weil auch diese nicht alle gleich waren. Neben diesem Zins am Veitstag hatten manche Inhaber der Hofstätten noch eine so genannte Weisatabgabe zu entrichten. Die Weisatabgabe war ursprünglich ein Geschenk, das der Grundholde seinem Grundherrn anlässlich eines Besuches (lateinisch visitare) mitbrachte. Später wurde das zur Pflicht gemacht und als alljährliche Abgabe am Stephanstag zu Weihnachten gefordert. Wieder andere Hofstätten waren vom Vituszins, der Fastnachtshenne und Weisatabgabe völlig befreit und hatten dafür am Veitstag 2 Pfund Unschlitt, also Talg von Rindern oder von Schafen zur Herstellung von Kerzen oder Seife zu liefern. Wie die Abgaben zu erbringen waren, erfahren wir aus dem Salbuch um 1400. Wir bringen sie an dieser Stelle, weil wir damit auch die alten Namen der Hofstättenbesitzer um 1400 verzeichnet finden:

Mit der Auflösung des Klosters um 1537 und Umwandlung in ein weltliches Klosterverwalteramt nahte auch das Ende der Freiheit für die Hofstätten. Schon Markgraf Kasimir (1515-1527) suchte nach Wegen und Mitteln, wie er die Klöster einziehen könne, um seine gewaltige Schuldenlast zu mindern. Er forderte die Mönche auf, das Kloster zu verlassen und "ihre Kutten und Platten abzutun". Er selbst leitete diesen geschichtlichen Vorgang zwar ein, seine Durchführung erfolgte aber erst unter seinem Bruder Georg, der in die Geschichte als der "Fromme" einging. Kasimir starb 1527 an der Ruhr auf einem Feldzug in Ungarn.

Sein Bruder Georg übernahm die Regierung im Markgraftum Brandenburg-Ansbach Er trat zur neuen Lehre Luthers über. Das bedeutete das Ende des Klosters Heidenheim als Heilsinstitution, wenn auch die wirtschaftliche Organisation des Bau- und Siedelhofes mit seinen Einrichtungen noch bis zum Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) fortbestand. Die Rechte und Güter des Klosters wurden nun nicht mehr von einem Abt in eigener Vollmacht verwaltet, sondern von einem markgräflichen Beamten, dem Klosterverwalter. Dieser hatte nach dem Willen seines Landesherrn zu handeln und ihm Rechenschaft abzulegen. Die freien Hofstätten im Markt blieben nach wie vor mit dem Klosterverwalteramt verbunden und hatten weiterhin Abgaben an den Klosterverwalter zu entrichten und wenn notwendig auch Handdienste zu leisten. Schon Markgraf Kasimir gab auf eine Anfrage des Heidenheimer Abtes hin den Bescheid:

Das mag sich eine lange Zeit hingezogen haben, aber um 1600 wird auf eine Anfrage berichtet:

Mit dem Ende des Klosters kam auch das Ende der Freiheit der klösterlichen Hofstätten Es mag ein schmerzlicher Verlust gewesen sein, aber die Entwicklung zum Territorialstaat, der möglichst alle Rechte beanspruchte, war nicht aufzuhalten.

Anmerkungen:

  1. Staatsarchiv Nürnberg Rep. 122, Nr. 53, S 85
  2. a.a.O. S. 85
  3. a.a.O. S. 83
  4. a.a.O. S. 57 ff.
  5. St. A. Nürnberg Rep. 165a, Nr. 720, S. 20
  6. a.a.O. Rep.165a, Nr. 720