Hohentrüdingen

Aus der Geschichte eines Dorfes

Oettinger Ministerialen "von Truhendingen"

Die vornehmen Adelsgeschlechter des hohen Mittelalters (11.-12. Jahrhundert), zu denen auch die Grafen von Oettingen und die Edlen von Truhendingen gehörten, konnten ihren Besitz und ihre Rechte nicht allein verwalten, zumal diese über einen weiten Bereich verstreut und vielfach mit dem Besitz und den Rechten anderer Adeligen verstrickt und verzahnt waren. Eine moderne Verwaltungseinrichtung, wie sie heute den Ämtern zur Verfügung steht, war noch nicht entwickelt. So mußten die hohen Herren von damals es so halten, wie jener Bauer es getan hat, der noch vor 50 und mehr Jahren einen größeren Hof bewirtschaftete: er dingte sich einen Knecht, der ihm einen Teil seiner Arbeit abnahm. So auch die hohen Adeligen des Mittelalters.

Sie hielten sich zur Verwaltung und Beherrschung ihres über mehrere Landschaften zerstreuten Eigentums mehrere Knechte. Man nannte sie etwas vornehmer Dienstmannen oder Ministerialen, vom lateinischen Wort minister, das "Diener" bedeutet. Sie stammten meist aus einfachen Verhältnissen, waren unfrei geboren, arbeiteten sich aber durch Pferde- und Waffendienst zu "Edelknechten" empor und erhielten dann von ihren edelfreien Herren oder Grafen ein Dienstlehen, bestehend aus einigen Bauernhöfen, die von Knechten und Mägden bewirtschaftet wurden.

Meist waren die Ministerialen auf einer Burg gesessen, wo sie zur Burghut verpflichtet waren. Von dort aus durchschritten sie die Gegend, um nach dem Rechten auf ihres Herrn Höfen zu sehen. Wenn nötig und berechtigt, führten sie auch den Vorsitz im Dorfgericht und belegten die Frevler, die gegen die Ordnung im Dorf und in Feld und Flur verstießen, mit Geldstrafen. Sollte sie ihr Herr zum Kriegsdienst rufen, so mußten sie ihm gerüstet Folge leisten. Vom Schreibtisch aus wurde dazumal kein Land verwaltet, persönliche Gegenwart war vonnöten, wenn etwas nicht in Ordnung war. Treue und Gehorsam dem Herrn gegenüber war Leitbild ihres Lebens.

Auch der Bischof von Eichstätt, die Grafen von Oettingen, die Edlen von Truhendingen und andere hochadelige Geschlechter verfügten in unserer Heimat über eigene Dienstmannen. Ihre Lebensschicksale, ihre Taten und Untaten sind längst verklungen. Nichts erfahren wir mehr über ihre Familien, über deren Leiden und Sorgen, über ihr Leben und Sterben. Nur ihre Namen treten bisweilen in den Zeugenreihen der Urkunden auf und daraus können wir dann über ihre Stellung in der Gesellschaft und über ihr Wirken im Dienste ihres Herren einiges vernehmen.

Dienstmannen
Adliger und Dienstmann

Für unsere Frage nach dem politischen Kräftespiel der benachbarten Herrschaften Oettingen und Truhendingen im Raum Ries, Hesselberg und Hahnenkamm im 12. und 13. Jahr-hundert sind nun auch die Namen jener Ministerialen interessant, die an den Brennpunkten der territorialpolitischen Auseinandersetzungen auftreten.

Für die oettingische Stadt Wassertrüdingen erscheint im 13. Jahrhundert ein Dienstmannengeschlecht, das sich kurz und bündig "die Fricken" nennt. Es fehlt jeder weitere Adelstitel wie etwa "Conrad von Frick" oder Ähnliches. Immer wandern die Leute dieses Geschlechts mit ihrem "bürgerlichen" Namen Frick durch die Urkunden des 13. Jahrhunderts, selbst wenn sie hohe Herren waren wie etwa jener Dominus Heinricus Frikko, der um 1313 hoher Geistlicher mit Pfründen an der Bischofskirche in Eichstätt und am St. Gumbertus-Stift in Ansbach war.

Das früheste Zeugnis von einem Frick ist uns in einer Urkunde aus dem Jahre 1238 bekannt, nach der Adelheid von Absberg in Dittenheim, Frickenfelden, Oberwurmbach und Obenbrunn Güter an das Kloster Auhausen schenkt. Es ist denkbar, daß dieser Frick in der Zeugenreihe schon um diese Zeit auf der Tiefenburg in Wassertrüdingen seinen Dienstsitz hatte, obwohl nur sein Namen Fricko erwähnt wird, ohne jegliche weitere Bezeichnung. 1242, 1252 und 1283 erscheinen in Urkunden wieder Fricken, die wir auf Wassertrüdingen beziehen dürfen.

Die Fricken, von denen sich welche Ritter nennen, standen wohl in Wassertrüdingen das gesamte 13. Jahrhundert hindurch im Dienste der Grafen von Oettingen. Nun wird in der gleichen Schenkungsurkunde der Adelheid von Absberg vom Jahr 1238 auch ein Conrad dapifer de Truhendingen erwähnt. Er führte den Titel dapifer, das heißt also Truchseß, von Truhendingen. Man wird ihn zunächst für einen Dienstmann der Edlen von Truhendingen ansprechen. Was aber verführt, ist der Name Conrad und der Titel Truchseß. Der Truchsessentitel in der Truhendinger Adelsfamilie wird einmal bei den Geilsheimer, einmal bei den Spielberger Dienstmannen erwähnt, ein Conrad Truchseß von Truhendingen ist bei den Truhendingern nicht bekannt. Darum liegt es nahe, ihn für einen oettingischen Ministerialen zu halten, dessen Dienstsitz in Altentrüdingen westlich des Mühlbaches zu suchen wäre, denn in Wassertrüdingen waren ja die Fricken als Oettinger Dienstmannen tätig.

Zwei oettingische Dienstmannenfamilien in einem so einheitlich grundherrlich-oettingisch strukturierten Ort Wassertrüdingen, das ist kaum glaubhaft. Es scheint, daß dieser 1238 genannte Conrad dapifer de Truhendingen ein Verwandter der Truchsessen von Rechenberg war, die seit Ende des 12. Jahrhunderts im Dienste der Grafen von Oettingen standen, dort das erbliche Truchsessenamt bekleideten und die Burg Neu- Rechenberg bei Crailsheim erbauten, im Gegensatz zu Alten-Rechenberg bei Ostheim am Hahnenkamm.

Diese Truchsessen von Rechenberg in oettingischen Diensten hielten mit großer Zähigkeit an ihrer Truchsessenwürde fest. Sie wurde sogar in ihre Zweigfamilien von Limburg, von Wilburgstetten und von Sinnbronn weitergegeben. Alle Glieder dieser Familie führten ihn, auch unser Truchseß Conrad von Truhendingen in der Urkunde von 1238. Wenn er sich Truchseß nannte, so ist das ein von seinen Rechenberger Ahnen ererbter Titel, "von Truhendingen" aber ist sein oettingischer Dienstsitz in Altentrüdingen. Eine ähnliche Situation finden wir später beim Vorsteher des Klosters Auhausen: Georg Truchseß, Abt von Auhausen. Der Truchsessentitel stammte aus der Familie der Truchsessen von Wetzhausen in den Haßbergen, der der Abt angehörte.

Einen noch klareren Hinweis darauf, daß sich oettingische Dienstmannen nach einem Truhendingen-Ort nannten, erhalten wir aus einer Urkunde, die in Lentersheim im Jahre 1279 ausgestellt wurde. Bischof Hildebrand (1261-1279) und Ludwig der Ältere, Graf von Oettingen, vereinbaren, daß sie ihren Streit um das Patronatsrecht der Kirche in Stetten einem Schiedsgericht zur Entscheidung übertragen. Als Zeugen werden in der Urkunde genannt: Heinrich von Reichenbach, Konrad Frikke, Heinrich Schenk von Arberg, Reinmar von Truhendingen und Conrad von Lentersheim. Das sind alles oettingische und eichstättische Zeugen (Dienstmannen). Auch Reinmar von Truhendingen gehört zu den oettingischen Ministerialen mit Dienstsitz in Altentrüdingen westlich des Mühlbaches.

Wenn wir nun im 13. Jahrhundert Dienstleute der Oettinger Grafen in Altentrüdingen ansässig finden, und diese sich nach Truhendingen nennen, obwohl sie mit den Edlen von Truhendingen keinerlei Verbindung haben, so müssen wir zu der Überzeugung gelangen, daß die Truhendinger ihre westlich des Mühlbaches auf eichstättischem Grund und Boden angelegte Burg schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgegeben und sie den Oettinger Grafen überlassen hatten, die dort ihre Dienstmannen "Von Truhendingen" einsetzten. Die Grafen von Oettingen scheinen im Kräftespiel um den Raum Wassertrüdingen ihre Ansprüche auf den Baudenhard behauptet zu haben. Die Stadtgründung Wassertrüdingen um die Mitte des 13. Jahrhunderts hat ihre Wirkung nicht verfehlt.