St. Zeno

Der Kirchenheilige von Windischhausen

St. Zeno in Windischhausen und St. Marien in Berolzheim

St. Zeno Windischhausen

St. Zeno Windischhasuen

Von Sarus7345 - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32331258
St. Marien, Markt Berolzheim

St. Marien, Markt Berolzheim

Von Tilman2007 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62674091

Im Jahre 1329 wurde der Erbteil der Anna von Truhendingen an der zerfallenden Herrschaft Truhendingen festgesetzt, sie hatte einen Grafen von Schauenburg bei Efferding im fernen Österreich geheiratet. Nachdem alle männlichen Truhendinger Erben verstorben waren, forderte sie nun ihr Erbe. Neben der Stammburg Hohentrüdingen werden viele Besitzungen in Orten am Hahnenkamm und Umgebung genannt, die einst zur Herrschaft Truhendingen gehörten, unter vielen anderen auch „Hausen die Kirche und die Kapelle zu Beroltzheim darzu“ (1).

Mit diesem Hausen kann nur Windischhausen gemeint sein. Die Schreiber dieser langen, für die Heimatgeschichte bedeutsamen Urkunde, überlegten nicht lange, sondern trugen die Namen nach der Sprechweise des Volkes in die Urkunde ein. Statt des langen Namens Windischhausen verwendeten sie die Kurzform „Hausen“, die heute noch im Volksmund üblich ist. Und bei der Kapelle in Berolzheim folgten sie ebenfalls dem Volksmund, der die Marienkirche, die obere Kirche, im Gegensatz zur älteren Michaelskirche als Kapelle bezeichnete. Das ist öfters der Fall, dass in einem Ort mit zwei selbständigen Pfarreien die eine höhere Bedeutung und höheres Ansehen gewinnt und die andere dann als Kapelle abgewertet wird, obwohl sie die Rechte einer Pfarrkirche besaß.

So bestanden z.B. bis 1313 in Geilsheim zwei selbständige Pfarreien St. Andreas und Heiligkreuz. 1313 wurden sie durch Bischof Philipp (1306-1322) vereinigt. Die Andreaskirche wurde daraufhin im Laufe der Jahre im Volksmund zur Kapelle abgewertet. Wenn also in unserer Urkunde 1329 die Kapelle zu Berolzheim erwähnt wird, die einst den Edlen von Truhendingen gehörte, darf man nicht etwa an spätere kleine Kapellen denken, die es in Berolzheim auch gab, sondern an die obere Pfarrkirche St. Maria.

Wie stand es einst um das Verhältnis von Sankt Zeno in Windischhausen zu den Pfarrkirchen in Berolzheim? Im Markt Berolzheim bestanden im Mittelalter bis zum Jahre 1941 zwei selbständige Pfarreien: St. Michael unten im Markt und St. Marien auf der Höhe. Daher unterscheidet man im Volksmund noch heute untere und obere Pfarrkirche. Die obere Pfarrstelle wurde mit dem Tode Pfarrer Werlins im Jahre 1941 nicht mehr besetzt, die kirchlichen Handlungen müssen seit dieser Zeit von der unteren Pfarrei St. Michael mitversehen werden. Dieser Zustand, zwei Pfarrkirchen in einem Dorf, ist in unserem Gunzenhäuser Land nichts besonderes, wir finden ihn auch in Geilsheim, in Obermögersheim, in Stetten, in Gnotzheim, in Dittenheim, Wettelsheim und anderswo.

Die Ursachen dieser Doppelpfarreien sind freilich sehr verschieden, wobei wir zu bedenken haben, dass diese zwei Kirchen nicht gleichzeitig errichtet werden mussten, sondern in einem großen zeitlichen Abstand einander folgen können. Mit der Zunahme der Bevölkerung hat dieses "Doppelkirchentum" in unseren mittelalterlichen Dörfern nichts zu tun, denn es gibt auch große Orte, die nur über ein einziges Gotteshaus verfügen. Wir modernen Menschen unserer Tage wundern uns bisweilen über das Vorhandensein von zwei Pfarrkirchen im Mittelalter in einem Ort und stellen die Frage: Hätte da nicht eine einzige genügt?

Solche rechnerischen Vorstellungen spielten im mittelalterlichen Dorf keine Rolle. Die Kirchen wurden nicht etwa von einer Schar religiös eifernder Menschen errichtet wie manche heutzutage, sondern von einem adeligen Herren der Oberschicht, von einem Grundherrn, der über den Grund und Boden in Form von großen und kleinen Höfen und deren Leuten, die Herrschaft ausübte. Da die Religion in einer frühem Gesellschaft mehr als heute eine fundamentale Bedeutung hatte, versuchten die Grundherrn ihren zahlreichen Untertanen im Dorf einen kultischen Mittelpunkt in Form eines eigenen Gotteshauses zu schaffen. Die eigene Pfarrei mit einer eigenen Kirche bedeutete also ein wesentliches Herrschaftsmittel für den Grundherrn. Nach germanischem Recht behielt sich der Herr, der den Grund und Boden für die Errichtung eines Gotteshauses und einer eigenen Pfarrei stiftete, auch das Eigentumsrecht über die Kirche und ihr Zubehör vor.

Die meisten Kirchen unserer Heimat waren ursprünglich Eigenkirchen. Wenn in einem Ort zwei adelige Grundherrn mit mehreren Höfen begütert waren, so konnte jeder darauf bedacht sein, seinen Grundholden eine eigene Pfarrei mit Kirche und Widemhof für die Versorgung des eigenen Pfarrers zu stiften. So entstanden durch Einwirkung des Adels in manchem Ort unserer Heimat bisweilen zwei selbständige Pfarreien. Je nach dem Grundherrn, der das Land zur Verfügung stellte, und die Kirche erbauen ließ, spricht man von einer königlichen, bischöflichen, klösterlichen oder grundherrlichen Eigenkirche. Da der Grundherr die Pfarrkirche auf seinem Eigentum einrichtete, den Grund und Boden zur Verfügung stellte und die Pfarrei ausstattete, fiel ihm auch das Recht zu, die Pfarrei als sein Eigentum zu betrachten, sie vertauschen oder verkaufen, verpfänden, verschenken zu dürfen. Er konnte sie nur ihrem christlichen Zweck nicht mehr entfremden und sie etwa in eine Schmiede oder in ein landwirtschaftliches Anwesen verwandeln (2).

Anmerkungen:

  1. Urkundenbuch des Landes ob der Enns, Bd. 5, Wien 1868, S. 553-557.
  2. Dr. Karl Puchner, „Patrozinienforschung und Eigenkirchenwesen mit besonderer Berücksichtigung des Bistums Eichstätt“ Kallmünz 1932. Allgemein: Johann Dorn, Beiträge zur Patrozinienforschung in Archiv für Kulturgeschichte, S. 9 - 49 u. S. 220-255.