Wenn heute im Volksmund vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) gesprochen wird, so kommen die meisten Menschen auf das einfache Urteil: In diesem Krieg kämpften Katholiken gegen Protestanten. Der Dreißigjährige Krieg sei vorwiegend ein Religionskrieg und daher sehr grausam gewesen. Wenn man aber die Frage stellt: Wie konnte es kommen, dass ein Volk wegen religiöser Spannungen sich dreißig Jahre lang zugrunde richtet, so erschließen sich andere Folgerungen. Das deutsche Volk hat diesen Krieg nicht geführt, es hat ihn erlitten. Es hatte überhaupt keine Möglichkeit, seinen Willen zu äußern. Der Kaiser fühlte sich nicht als Sachwalter des deutschen Volkes. Er war Herr in seinen Erblanden. Darüber hinaus reichte seine Macht kaum. Deutschland glich einem "Fleckerlteppich" von fast 300 selbständigen Kleinstaaten, deren Fürsten nicht nur verschiedenen Bekenntnissen angehörten, sondern deren Machterwerb über alles ging und die den Krieg auf dem Rücken des Volkes führten.
Die katholischen Fürsten im Bunde mit Kaiser Ferdinand verfolgten das Ziel, ihre Länder vom Protestantismus zu säubern. Den protestantischen Fürsten ging es um den Besitz der seit der Reformation eingezogenen Kirchengüter. Dazu kamen noch die Interessen ausländischer Mächte. Frankreich strebte an den Rhein, Schweden und Dänemark glaubten durch die Vorherrschaft Roms im Herzland Europas, aus den Häfen der deutschen Meere verdrängt zu werden. So wurde dieser furchtbare Krieg eine Folge von konfessionellen, politischen und wirtschaftlichen Verwicklungen, die auf dem Boden des deutschen Volkes ausgetragen wurden. Da es damals keinen geregelten Nachschub für die Truppen aus Vorratslagern gab, mussten sich die Soldaten ihre Ernährung und Ausstattung aus dem jeweiligen Gebiet, in dem sie sich aufhielten, durch Raub und Plünderung beschaffen. "Der Krieg musste den Krieg ernähren" und das lange dreißig Jahre. Darunter hatte vor allem die Bevölkerung zu leiden. Die Schrecknisse dieses Krieges sind noch lange in Erinnerung geblieben. Sie verschonten auch unsere Heimat, den Hahnenkamm, nicht.
Der Krieg begann in Böhmen, weitete sich dann in die protestantischen Gegenden Norddeutschlands aus und erfasste erst mit verheerender Wirkung die evangelische Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach, zu der Heidenheim gehörte, als die bei Breitenfeld in der Nähe von Leipzig 1631geschlagene Armee des katholischen Feldherrn Tilly nach Süddeutschland zurückflutete und die Schweden unter ihrem König Gustav Adolf nachdrängten. Vorher musste unsere Heimat wegen ihrer zentralen Lage im Kräftespiel der Mächte "nur" Truppendurchzüge über sich ergehen lassen, die die Bevölkerung zwar nicht immer zur Flucht zwangen, aber doch durch Einquartierungen, Geldzahlungen und Lieferung materieller Güter in Not brachten. Über diese Epoche des Krieges gewinnen wir einen lokalen Einblick aus dem Tagebuch des Pfarrers Friedrich Mag aus Geilsheim und aus dem Pfarrarchiv Heidenheim:
Dieser November ein sehr trauriger und erbärmlicher Monat gewesen. Denn das Tillysche-, Pappenheimische-, Lothringische- und Altringische Volk mit ganzer Macht in unser Fürstentum eingefallen. Zu Onolzbach, Leutershausen, Crailsheim, Feuchtwang, Gunzenhausen und auf dem Land mit Rauben, Plündern, Abnehmung der Pferd und Wegtreibung des Viehs, auch Anzündung etlicher Orten, großen unwiederbringlichen Schaden geben.
Welche dann den 10.11.12. und folgenden Zeit auch bei uns zu Geilsheim und in der ganzen angrenzenden Nachbarschaft mit großer Macht eingefallen, geraubt, geplündert ohne Ansehen einiger Personen die Leut ausgezogen. Mit den Weibsbildern übel gehauset. Da alles von Haus und Hof gelaufen. Da sonderlich die Geistlichen übel traktiert worden. Mir Possessor, weiln ich naher Wassertrüdingen geflohen in der Kirchen und zu Hause auf die 150 Taler an allerlei Hausgerät, Getreid, Heu, Grohmahd, geschlachtetem Fleisch, Hämmern, Gänsen, Schaden geschehen. Mein Kirchenvolk, weils Mäntel und Kleider, Tuch und Bett und anderes abgestohlen worden. Auch an Büchern und Kunststücken viel verwüst und abgenommen worden. Und was von den Soldaten hinterblieben, von leichtfertigen diebischen Nachbarn in der Kirchen, im Haus von den sauberen Gev. W. und seiner diebischen Bestien abgestohlen, hinterhalten und mit großer Mühe teils wiederum abgenötiget worden (Mag S. 139).
Mein liebes Rindviehlein, weiln es im Stall geblieben und nicht ausgeschlagen (nicht in die Dorfherde eingeschlagen war) worden, ist durch Gottes Gnad, dem Lob und Dank, väterlich erhalten und sonsten unter der Herde über 100 Stück hinweggetrieben worden. Ist mancher um all Pferd und Rindvieh kommen. Gott erbarme sich derer in Gnaden (Mag S. 139).
Dezember: Diese vergangene Wochen wegen völligen Aufbruchs des leichtfertigen Kriegsvolkes, so zu Degersheim, Hechlingen, Hüssingen und anderen Orten im Quartier übel gehauset, bei uns noch große Gefahr und Furcht wegen Plünderns gewesen. Da sonderlich Wassertrüdingen abermals in großer Gefahr gestanden (Mag S. 140).
Heidenheim 1631: Hans Caspar, Sebastian Braunen Sohn, getauft. Taufzeuge Caspar Kohler, des Rats. Dieses Kind ist geboren, da die Plünderung von den Kaiserlichen und Lothringischen Kriegsvolk im Amt Hohentrüdingen und Heidenheim angangen, nämlich am 9. November und hat mit seiner Mutter stracks nach der Geburt, ehe denn es getauft worden, exulieren (fliehen) müssen, ist doch im exilio zu Mariabrunn in des Bauern Michel Wenderleins Stuben von Herrn Caplan zu Westheim, Wolf Andreä Stahln, der sich auch in dieser beständigen Gefahr dahier solviert, getauft worden, den 14. November (Taufregister Heidenheim 1631 Nr. 36).
Margaretha, Leonhard Schmelzleins Uxor, 46 Jahre alt, den 8 November. Dies Weib ist mit gewehrter Hand (in Waffen) von der Bürgerschaft und denen des Ausschuß (Bürgerwehr) zur Erden bestattet worden am Dienstag vor Martini, als sie Sonntagabend zuvor verschieden. Die hätte sollen am Montag begraben werden; weiln aber frühmorgens sich etliche räuberische Reuter präsentiert, ist`s verblieben bis des andern Tags, da jedoch die Gefahr noch größer worden. Sintemal Dienstags früh umb 8 Uhr abermal 62 Reuter über den Schafberg herabgesprengt und stracks mit Schießen und Schreien ihre Feindseligkeit bewiesen. Wider welche doch die Bürgerschaft zusammengelaufen und auf beschehenen Sturm- und Trommelschlag bald mit gewehrter Hand in die Räuber gesetzt und sie mit Gottes Hilf abgetrieben und ist keinem Bürger Schaden geschehen. Und weil die Plünderung vorhin schon andere Ämter und Städt des Fürstentums betroffen, ist`s umb diese Zeit auch allhier und benachbarten Orten mit Macht angegangen. Und hat die ganze Kaiserliche Armee von Gunzenhausen an bis gen Berolzheim in allen Dörfern der Nachbarschaft dieseits der Altmühl quartiert und sind in manchen Dörfern in 2, 3 tausend Reuter, beinahe 7 ganze Tag und haben von dem Quartier aus die benachbarten Örter spoliert (beraubt), da denen großer, unaussprechlicher und unüberwindlicher Schaden geschehen.
Die Bürgerschaft, weil sie von gnädiger Herrschaft aus Wülzburg mundiert (benachrichtigt) worden, haben gedacht, sich und die Ihrigen wider die Räuber zu defendieren (verteidigen), und sind Dienstag und Mittwoch, den 8. und 9. November samt dem Ausschuß in 400 Stück in Armis (Waffen) gestanden. Da sie aber vernommen, daß Gunzenhausen übergeben und das ganze Land der Kaiserlichen Soldateska preisgeben, auch die große Macht und Nachdruck gesehen, haben sich Mittwochs zu Nacht die Arma deponiert ( die Waffen abgelegt) und sich mit den Ihrigen salviert ( in Sicherheit gebracht), wo sie hinkommen. Im Freitag aber, welcher war der 10. November, sind in der Mittagsstund bei 2 Compagnien eingefallen und haben die Plünderung erst recht angefangen.
Auch selben Tag Georg Wolf Wagners Haus und Stadel samt dem Prewhauß (Bräuhaus), dann auch Caspar Wagners Stadel mit Feuer in die Aschen gelegt und ihr Plündern folgenden Tag und Nacht fortgesetzt bis auf den Donnerstag. Hernach den 16. November, da sie des Abends zuvor auch Georg Christoph Wagners Haus in Brand gesteckt. Und ist durch Gottes sonderbare Gnad Caspar Wagners Haus in diesen 2 Brünsten, mitten innen, ,,derrette" worden. Die Räuber haben in dem Kloster und Markt umb viel tausend Gulden Schaden getan an Getreid, Wein, Obst, in Heu und Stroh, an Vieh, welches sie alles weggetrieben, ohn was sie an Hauskleinodien verwüstet und hingenommen. Gott wird diese Tyrannei und grausame Gewalttätigkeit nicht ungerochen lassen, wird sich unser wieder in Gnaden erbarmen, endlich die Ruten zerbrechen, mit welcher er uns umb unserer Sünden und Ungehorsams willen hat gezüchtiget.
Degersheim: Den 12. November ist Balthasar Rüehel von den Tyllischen Soldaten erstochen und hernach den 17. begraben worden (Sterberegister 1631 unter Nr. 107)
Heidenheim: Um diese Zeit, Dienstag nach Pfingsten, ist die Stadt Weißenburg von etlich tausend kaiserlichem Kriegsvolk, so von Ingolstadt und Regensburg herauf kommen, unter dem Kommando des Obrist Cratzen belagert und bis an den fünften Tag stark beschossen worden, darin sich die Bürger und Soldaten ritterlich gewehret. Doch endlich, als sie kein Entsatz bekommen, Sonntags in festo Trinitatis mordiert und die Stadt übergeben, auch sobalden vom Feind rein ausgeplündert worden. Zeit währender Belagerung sind die kaiserlichen Reuter überall ausgefallen auf die Beut und Plünderung, haben die Dörfer an der Altmühl alle spoliert (beraubt). Berolzheim samt dem Schloß in Brand gesteckt und etlich 70 First in die Aschen gelegt.
Heidenheim ist den 25. und 26. Mai aufs neue wieder ausgeplündert und Jung und Alt verjagt worden. Daher oben gemelde Margaretha umb der besorgenden und großen Gefahr willen, auch wegen der Flucht früh um 3 Uhr, durch ihren eigenen Mann und Tochtermann auf den Kirchhof getragen und begraben worden (Pfarrarchiv Heidenheim Sterberegister 1632 Nr. 33).
Fuchsmühle bei Rohrach: Am 25. Mai 1632 wurde der Fuchsmüller Caspar Lüdel im Windischhausener Tal von den bayerischen unbarmherzigen Teufelskindern und Landsknechten in seiner Mühle erschossen und ohne Gesang und Predigt beerdigt, weil sich niemand, am wenigsten ein evangelischer Geistlicher, von ihnen bei Tage betreten lassen durfte.
Den 17. Augustii ist Heidenheim abermal vom Kaiserlichen Kriegsvolk, als dasselbe umb Schwabach und Nürnberg gelegen, an die acht Tage und Nacht geplündert, verwüstet und verderbt worden. (Pfarrarchiv, Sterberegister 1632 Nr. 54)
Niclas Piner, der Hufschmied; ist zu solcher Zeit neben anderen ehrlichen Leuten entwichen und doch auf dem Kohlberg vor dem Holz erschossen, auch daselbst begraben worden, weiln die Räuber im Markt Tag und Nacht gehauset. Darzu auch ihr gestohlen Vieh auf dem Kirchhof stehen gehabt, daß niemand hat können ohne Gefahr seines Lebens hereinkommen (19. August).
Des Fürstenwirts zu Gunzenhausen, Bauer, so von den Weimarischen Völkern bei dem Obelshof erschossen worden, den 23 März (Pfarrarchiv Heidenheim, Sterberegister Nr. 10).
Ostheim, den 15. April: Leonhard Rohel, der alt Senior des Gerichts allhier, ist ohne gegebene Ursach von einem schwedischen Soldaten, der mit wenigen Jungen eingefallen und die Pferd und Kühe gewaltigerweis wegtreiben wöllen, jämmerlich erschossen und den 16. christlich zur Erden bestätiget worden.
Leonhard Wagner von Theilenhofen, ein Soldat, den die Kaiserlichen Reuter aus Pappenheim den 4. Juni., da sie frühmorgens abermal den Markt spoliert, erschossen.
Junker Paul von Tornau, ein Pommer, unter dem Sperreuterischen Regiment, Quartiermeister, so bei Donauwörth in einem Duello von einem Korporalen erschossen worden, den 4. Septembris ist allhier adelig und nach Kriegsbrauch begraben worden. Dienstag den 10. Septembris, 31 Jahr alt.
Wolf Conrad Wagner, Bürger allhier, 28 Jahre alt. Dieser hat am Pfingstmontag, den 26. Mai, zu Buch einen Hirschen geschossen. Und weiln sie bei dem Jägermeister zu Hohentrüdingen angeben worden, hat er etliche Jäger auf ihn zu lauern ausgeschickt, welche den Wagner, der sonst ein frommer Gesell gewesen, ergriffen und als er ausreißen wollen, sich auch zu wehren begehrt, mit einem Hirschfänger erstochen. Ist folgenden Tags eingeholt und begraben mit Ceremonien. (a.a.O. Nr. 57.)
Hans Piner, Messermacher, von den kaiserlichen Plünderern am Kohlberg erschossen den 8. August (a.a.O. Nr. 88).
Sybilla Kreußelmeier, vidua (Witwe), 70 Jahr alt, den 14. August (begraben), als Ferdinandus, König in Ungarn und Böhmen, Kaisers Ferdinandi ältester Sohn, im Anfang des Augusti, Donauwörth eingenommen und fürters mit 60.000 Mann ins Ries und vor Nördlingen gerücket. Hat er auch gemelde Stadt umb alten Bartolomäi mit Accord einbekommen, Herzog Bernhards, schwedischen Generals Armee, umb Nördlingen geschlagen und zertrennt und durch seinen General-Wachtmeister, Johann von Götz, Gunzenhausen einnehmen lassen. In Zeit währender Belagerung hat Oberst Jan von Werth Ansbach mit Accord unter sich gebracht und andere Städt mehr auch mit seiner Reuterei bis gen Creglingen gestreift und das Land ausgeplündert. Und hat die um Nördlingen liegende Reuterei und Fußvolk es auch nicht gespart, denn als das Ries ganz verderbt und viel Ort verbrennt worden, hat auch diese Nachbarschaft herhalten müssen über vier Wochen lang, da man nicht allein grausam geplündert, sondern auch die Leut schrecklich gemartert. Viel gar erbärmlich ums Leben gebracht. Inmaßen auch Herrn Petro Geudern, Kaplan allhier, begegnet, welchen den 14. Augusti von etlich Reutern ergriffen und durch einen Schuß in die linke Seiten tödlich verwundet worden, daß er den 16. hernach sein Leben geendet. Und wegen Tag und Nacht währender Plünderung und Tyrannei des Kriegsvolks nicht hat können begraben werden bis auf den 29. Augusti. ( Pfarrarchiv Heidenheim Sterberegister 1634 Nr. 89/90).
Herr Peter Geuder, Kaplan allhier und Pfarrer zu Degersheim, 71 Jahr alt, so den 16. August verschieden und den 29. allererst begraben worden.
Caspar Imler, sonst Säw Capper genannt, der Totengräber und Wächter, bei 65 Jahren alt. Den hat sein Weib, in Mangel anderer Leut und wegen großer Gefährlichkeit, als die Plünderungen am heftigsten gewesen, und er schon 3 Tag gelegen war, in ihrem Grabgärtlein begraben. Doch haben die Hunde seinen Körper herausgescharrt und viel davon gefressen. (a.a.O Nr. 91).
Elisabeth Ulrich Zehen, des alten Baumeisters vidua (Witwe), verschmachtet. Ist von des Klosters Torwarten in Niclas Piners Gärtlein begraben, als sie auf über 8 Tag tot gelegen. (a.a.O. Nr. 93).
Der Krämersbauer Leonhard Kraft, so erschossen worden (a.a.O. Nr. 95).
Leonhard Sauler, Kohlbauer, der auch umgebracht worden, liegt zu Buch im Holz begraben (a.a.O. Nr. 96).
Emmeram Wenderlein, Scheckenmüller, ist gestochen und geschlagen, liegt zu Westheim begraben (a.a.O. Nr. 97).
Herr Christoph von Bischofsheim, so in der Kirchen begraben worden (a.a.O. Nr 173).
1634 nach der Schlacht bei Nördlingen war das schrecklichste Jahr des Krieges. Das Kirchenbuch Heidenheim verzeichnet in diesem Jahr 173 Sterbefälle. Viele Bürger sind wohl an der Pest umgekommen oder verhungert, wenn sie nicht in entfernte Lande fliehen konnten. 1635 sind 75 Sterbefälle eingetragen, 1636 nur 18, 1637 nur 6, 1638 nur 9.
1633 wurden 30 Kinder getauft, 1634 17, 1635 nur noch 4, 1636 nur 2, 1637 nur 8, 1638 nur 7. In den Friedenszeiten vor dem Krieg waren es jährlich zwischen 40 und 50 Kinder.
Nicolay Pantzer von Zweibrücken, ein Soldat unter dem Hochlöblichen Cabrischen(?) Regiment, ein Couressierer (Kürassier = mit Brustharnisch gepanzerter Reiter) in 10 Jahr, so unter einem Tumult allhier ist erschossen worden, welcher so entstanden: Dahero als er (Pantzer) neben seinem Kameraden, 2 hier Quartierenden, gegen den Abend, als die Wacht angezogen, sich gegen dieselbe unleidenlich erzeiget. Die Wacht mit bloßem Degen verjaget. Darüber Alarm worden. Die Bürger zur Wehr, die Reuter zu Pferd kommen. Diese auf die Bürger geschossen. Die Bürger sich gewehret. Indess Er, Pantzer, darüber tot blieben, ein anderer, Johann Rheinmacher(?) übel traktieret mit Prügeln. Dem Dritten sein Pferd durchs Bein geschossen, daß er auch sein Leben salürt. Den 20. Mai (Pfarrarchiv Heidenheim, Sterberegister 1642 Nr. 5).
Hans Diemar, Bader, ist gestorben in dem Momento, als eine französische Partei den 26. Juli den Markt Heidenheim feindlich überfallen und geplündert und sonst sehr unchristlich gehauset, als (also), daß die meisten Leut sind flüchtig worden, einer da, der andere dorthin, und hätt mit gewöhnlichen Cermon nicht können begraben werden wegen großer Unsicherheit. Ist doch von etlichen der Bürger bestattet worden zur Erden. Also ist auch Nicol Kreuselmeier, einem Müllersknaben von 12 Jahren, beschehen (a.a.O. Nr. 10).
Caspar Hirsch, Klostertorwart, starb zu Heidenheim, als Weißenburg von der kaiserlichen und kurbayerischen Armee belagert und das Volk hierum an der Altmühl und Hahnenkamm in der Flucht war. Wird begraben den 29. Januar. 72 ½ Jahre alt. (a.a.O. Nr. 1)
H. Michael Schnürlein; Klosterverwalter, starb zu Öttingen den 2 Juni früh vor Tag und wurde zu Heidenheim den 3. Juni in der Kirchen begraben. Alter: 51 Jahr, 4 Monat, 7 Tag (a.a.O. Nr. 8).
Caspar Hutsch, Bürger und Beck, starb zu Spielberg, da wir dahin wegen großer Gefahr der schwedischen Völker geflohen waren, wurde aber hier von Etlichen der Gemeind begraben, hernach aber sein Leichpredigt, als die Gemein wieder zusammen kommen, am Tag Philippi Jakobi gehalten. 39 Jahre (.a.a.O. Nr. 1).
Wolfgang Adam, H. Adam Obermaiers filiola (Töchterchen) starb zu Sammenheim, als wir uf der Flucht nach Gunzenhausen waren, den 26.April und wurde daselbst begraben (a.a.O. Nr. 4).
Um sich ein Gesamtbild über die Zerstörung in Heidenheim nach dem großen Krieg machen zu können, dazu fehlen wohl die Quellen. Lediglich das Klosterverwalteramt ließ im Jahre 1650 eine Schadensliste erstellen, die aber nur jene Anwesen erfasst, die einst zum ehemaligen Kloster gehörten. Sie unterscheidet die Selden (Kleingüter), die um 1650 besetzt waren und die, die der Zerstörung anheim fielen. Demnach waren von den 43 Hofstätten, die einst in das Klosteramt gehörten nur noch 21 besetzt; die übrigen 22 lagen öde.
Ähnlich mag es auch mit jenen Anwesen bestellt gewesen sein, die dem markgräflichen Kasten- und Vogtamt unterstellt waren. Demnach kann man annehmen, dass fast der halbe Teil von Heidenheim in Schutt und Asche lag oder zumindest so baufällig war, dass die Häuser nicht bewohnt werden konnten. Bei vielen Sölden (Selden) lesen wir die Bemerkung wie z.B.:
Immer wieder kehrt bei der Beschreibung der Anwesen die kurze Bemerkung wieder: anjetzo öd, das heißt, dass die Sölde wegen ihres ruinösen Zustandes oder wegen Todes ihrer Besitzer um 1650 unbewohnt war. Wer diese gleichmäßig bleibenden Bemerkungen liest, wird fast an die Bombennächte des Zweiten Weltkrieges erinnert. Da heißt es denn:
Hinter all diesen Bemerkungen verbirgt sich das ganze Elend, das die Heidenheimer Bevölkerung durch die vielen Plünderungen und Brandschatzungen erdulden musste. Drei Epochen der allerhöchsten Not lassen sich aus den wenigen Quellen erkennen: Nach den verhältnismäßig erträglichen Kriegsjahren von 1618 bis- Herbst 1631, die vor allem durch Truppendurchzüge geprägt wurden, folgte im November 1631 der Einbruch der im Rückzug befindlichen und bei Breitenfeld von dem Schwedenkönig Gustav Adolf geschlagenen Armee des katholischen Feldherrn Tilly. Im November 1631 lagerten große Teile der geschlagenen katholischen Ligatruppen im Altmühltal und Hahnenkamm.
Ihnen folgten im Frühjahr 1632 die Schweden, die ihre protestantischen Glaubensbrüder nicht schonten und genauso zur Plünderung schritten wie die Truppen Tillys. In der zweiten Hälfte des Jahres 1632 lagen sich die Truppen Gustav Adolfs und Wallensteins in Heerlagern bei der Alten Veste bei Zirndorf gegenüber. Die Soldaten in den Lagern mussten von streifenden Abteilungen versorgt werden. Die Plünderer, nach Beute strebende und mit der Bevölkerung nicht zimperlich umgehende Soldatenhaufen beider Lager, streiften von Zirndorf und Nürnberg aus bis in den Hahnenkamm, in das Altmühltal und in das Hesselbergland.
Doch dies alles war nur ein Vorspiel des Schreckensjahres 1634, als die Heere zur entscheidenden Schlacht bei Nördlingen im September 1634 aufmarschierten, als die Dörfer im Ries und seinem Umland brannten und die Pest im Gefolge der Soldaten, die aus Spanien kamen, im Lande umging. In Heidenheim starben in diesem Schreckensjahr 1634 173 Menschen. Das war die zweite schreckliche Epoche des Krieges.
Die letzte, fast ebenso schreckliche, ließ nicht lange auf sich warten. Sie kam, als die französischen Truppen in das geplagte Ries einfielen und 1645 in der Schlacht bei Alerheim sich mit der bayerischen Armee schlugen. Damit hatte auch das Umland, unser Hahnenkamm, schwer zu leiden. Noch im letzten Kriegsjahr 1648 bekam Heidenheim noch einmal die Geißel des Krieges zu spüren. "1648 von den Soldaten verbronnen", so heißt es wieder in einem alten Buch aus dem Jahre 1650. Die Schicksale der Menschen aus Heidenheim, die in diesem Krieg ermordet wurden, die auf der Flucht umkamen, die vor Hunger verschmachteten oder an der Pest verstorben sind, können wir nur erahnen. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Heidenheim war eine Leidenszeit, wie sie der Hahnenkamm in seiner langen Geschichte bis heute nicht mehr erlebt hat,