Über die Anfänge des Klosters Heidenheim berichtet eine alte Schrift, die Vita Wynnebaldi. Sie wurde um das Jahr 780 von einer angelsächsischen Nonne hier in Heidenheim verfasst. Diese konnte über 1150 Jahre ihren Namen in einer Geheimschrift verbergen und galt in der Forschung lange Zeit als die "unbekannte Nonne von Heidenheim". 1931 gelang es dem Münchner Schriftkundler Bernhard Bischoff, ihren Namen zu entziffern. Sie hieß Hugeburg und war eine Verwandte der heiligen Walpurgis. Die Nonne Hugeburg schrieb nun aber nicht etwa einen Gründungsbericht über das Kloster, wie wir ihn nach unserem modernen historischen Verständnis zu erwarten hätten. Sie dachte vielmehr an die Erziehung der jungen Mönche und Nonnen und verfasste zu diesem Zweck zwei Lebensbeschreibungen: das Leben des Klostergründers Wunibald und das Leben seines Bruders Willibald, des ersten Bischofs von Eichstätt. Darin schilderte sie vorwiegend die geistliche Entwicklung der beiden Brüder bis zur Erlangung der Krone der Heiligkeit. Doch verdienen auch die eingestreuten historischen Nachrichten unsere besondere Beachtung. Für die Frühgeschichte des Klosters Heidenheim erscheint vor allem die Vita Wynnebaldi von besonderer Bedeutung. Nach dem Zeugnis dieser Schrift wurde das Kloster um 752 von dem Mönch Wunibald in Zusammenwirken mit seinem Bruder Willibald, dem ersten Bischof von Eichstätt, gegründet. Beide waren Schüler und Blutsverwandte des heiligen Bonifatius.
Das bedeutet wohl etwas in der Geschichte der Germanenmission, denn der heilige Bonifatius und seine Gefolgsleute werden in der modernen Geschichtsforschung als jene Gestalten gewertet, die die Reform der verwilderten fränkischen Kirche in Angriff nahmen und das heidnische und halbheidnische Germanentum an die romverbundene Landeskirche heranführten.. Dieses romverbundene Christentum wurde unter der Führung der angelsächsischen Missionare und unter dem Schutze des karolingischen Königtums zur geistigen Grundlage des christlichen Abendlandes. Kloster Heidenheim im Hahnenkamm gehört in diese Entwicklung mit hinein; es erwuchs unter Abt Wunibald und später unter der Leitung seiner Schwester Walpurgis zu einem spätblühenden Stützpunkt der angelsächsischen Mission und damit zu einer von vielen Brunnenstuben des christlichen Abendlandes heran. Heidenheim war keine Klostergründung hochmittelalterlicher Art, etwa als Grablege eines Adelshauses gegründet, nein, angelsächsische Weite und Romverbundenheit bildeten die Grundlagen dieses Klosters im Hahnenkamm.
Willibald, Wunibald und ihre Schwester Walpurgis kamen aus dem damals so fernen Lande der Angelsachsen. Sie waren also Nachfahren jener Sachsen, die nach dem Abzug der Römer zusammen mit den Angeln und Jüten vom deutschen und dänischen Flachland aus auf die britische Insel hinübergezogen waren, sie besiedelt und dort ihre Adelsherrschaften errichtet hatten. Die drei Missionsgeschwister entstammten also vornehmen germanischen Familien in England, keinen Iroschotten. Um die Leitbilder, nach denen sie missionierten und die formenden Kräfte kennen zu lernen, nach denen Willibald und Wunibald kirchliches Leben auf dem Kontinent zu gestalten versuchten, verstehen zu können, ist es notwendig, einen kurzen Blick in die Entstehung der angelsächsischen Kirche zu richten.. Die Angelsachsen, die germanischen Bewohner Englands, hatten ihr Christentum nicht etwa vom nahe gelegenen Irland oder Frankreich erhalten, sondern unmittelbar von Rom aus.
Rom ist die Mutterkirche der jungendfrischen, aufstrebenden angelsächsischen Tochterkirche gewesen, denn schon im Frühjahr 596 hatte Papst Gregor der Große seinen Abt Augustin vom St. Andreaskloster in Rom mit einer Schar von 40 Mönchen zu den Germanen in England geschickt, um diese für das Christentum zu gewinnen. Den Anstoß dazu soll ihm der Anblick angelsächsischer Jünglinge auf dem Sklavenmarkt in Rom gegeben haben. Diese Mission, gerichtet von Rom aus unmittelbar in den Nordwesten Europas auf die Insel England, hatte Erfolg. Dort entwickelte sich unter den germanischen Bewohnern des Landes, den Angelsachsen, eine lebendige Tochterkirche von Rom, in der man reinstes Latein pflegte, und die sich ihrer hohen Herkunft von der heiligen Stadt stets bewusst war. Durch zahlreiche Romfahrten angelsächsischer Pilger und durch den Austausch von Handschriften wurde das geistige Band zwischen der Mutterkirche in Rom und der Tochterkirche in England erhalten.
Papst Vitalian (657-672) trug selbst zur geistigen und kulturellen Blüte der jungen angelsächsischen Kirche bei, indem er um 668/69 den willensstarken und feingebildeten, aus Kilikien in Kleinasien stammenden Mönch Theodor von Tarsus mit seinem Gefährten, dem aus Nordafrika gebürtigen, süditalischen Abt Hadrian nach England sandte, die beide dort zu hohen kirchlichen Würden gelangten. Mit ihnen wurde erneut die Fülle und der Reichtum der lateinischen und griechisch-byzantinischen Bildung auf die Insel verpflanzt und fiel damit auf jungfräulichen Boden. Nur wenige Jahrzehnte dauerte es, bis die junge angelsächsische Welt in das ihr von Rom übermittelte Bildungsgut hineinwuchs und vor allem in den Klöstern des Landes jene missionarischen Kräfte freilegte, die dann mit großer Dynamik vor allem unter Führung des heiligen Bonifatius die verschiedenen verwilderten kontinentalgermanischen Landeskirchen reformierten und nach dem geistigen Mittelpunkt Rom ausrichten konnten. In dieses große Reform- und Missionswerk des heiligen Bonifatius und seiner Gefolgsleute Willibald, Wunibald und Walpurgis ist auch die Klostergründung von Heidenheim eingebunden.
Wunibald und Willibald waren Söhne eines angelsächsischen Adeligen. Die ältesten Quellen, die Vita Willibaldi und die Vita Wynnebaldi der Nonne Hugeburg, schweigen sich über Namen und Stand der Eltern aus. Willibald, der im Kloster Wimborne (südlich der Bischofsstadt Winchester in Wessex in Südengland) seine klösterliche Ausbildung in den heiligen Wissenschaften erhalten hatte, gewann seinen Bruder Wunibald und seinen schon alternden Vater - die Legende hat ihm den normannischen Namen Richard verliehen und ihn als angelsächsischen König erklärt- zu einer Pilgerfahrt nach Rom.
Diese sollte für Wunibalds weiteren Lebens- und Bildungsweg entscheidende Wirkung haben. Der Vater starb unterwegs und wurde in der Stadt Lucca in einem Kloster begraben.
Die beiden Brüder Willibald und Wunibald trafen am Martinstag des Jahres 720 in der heiligen Stadt Rom ein. Während Willibald sich nur zwei Jahre dort aufhielt und seine asketische Heimatlosigkeit durch eine Reise in das Heilige Land steigerte, blieb Wunibald, der Mitbegründer und erste Abt des Klosters Heidenheim, 18 Jahre in einem Kloster am Grab des heiligen Petrus, den besonders die Angelsachsen sehr verehrten. Dieser langjährige Aufenthalt in der heiligen Stadt bedeutete, dass Wunibald sich dort eine hervorragende Bildung aneignete und den geistigen Reichtum der römischen Landeskirche kennen lernte.
Wie kam nun der Angelsachse Wunibald von der Weltstadt Rom in die entlegene Gegend des Hahnenkamms?
Im Jahre 738 erschien sein Blutsverwandter, der heilige Bonifatius, in der heiligen Stadt und forderte Wunibald auf, ihm in die Heidenmission nach Deutschland zu folgen. Dieser verließ sein römisches Kloster und begab sich im Jahre 739 in die Gefolgschaft seines großen Meisters und Lehrers nach Deutschland. Im thüringischen Missionsfeld, in Sülzenbrücken in der Nähe von Arnstadt bei Erfurt, wurde Wunibald von Bonifatius persönlich zum Priester geweiht und über sieben Pfarreien gesetzt.
Nach kurzer Missionstätigkeit im Gau "Nordfilusa", wohl in der Gegend von Vilshofen in der Oberpfalz, treffen wir Wunibald im Frühjahr 752 wieder in der Gefolgschaft des heiligen Bonifatius in der weinreichen Stadt Mainz. Dort zeichnete sich Wunibald durch hervorragende Predigten an den fränkischen Adel aus.
Bald aber trennte er sich wieder von seinem großen Meister und begab sich zu seinem Bruder Willibald nach Eichstätt. Dieser war, aus dem heiligen Land zurückgekehrt, in das berühmte Kloster Monte Casino bei Rom eingetreten und hatte dort als Dekan an dessen Erneuerung mitgewirkt. Auf einer Reise nach Rom erhielt er vom Papst den Auftrag, er möge wie sein Bruder Wunibald zu Bonifatius nach Deutschland sich begeben. In Eichstätt wurde Willibald von Bonifatius zunächst zum Priester geweiht.
Wunibald ging nun von Mainz aus zu seinem Bruder Willibald nach Eichstätt. Beide begaben sich dann nach Heidenheim im Hahnenkamm, erwarben dort Grund und Boden, wohl einen Adels- oder gar einen Königshof, und errichteten auf ihm das Kloster Heidenheim.
Wunibald wurde erster Abt des Klosters. Er blieb es ungefähr zehn Jahre, starb am 18. Dezember 761 und wurde in seiner Klosterkirche begraben. Die Stelle seiner Erstbestattung weiß man nicht mehr. Am 24. September 777 wurde sein Leib aus der Erstbestattungsstätte in Gegenwart seines Bruders Willibald, seiner Schwester Walburgis und des gesamten Kirchenvolkes gehoben und in feierlichen liturgischen Formen in einer Unterkirche im neuerbauten Ostchor beigesetzt.
Bald ereigneten sich die ersten Wunder an seinem Grabe. Diese Hebung seines Leibes und Wiederbeisetzung in feierlicher Form in einer dem heiligen Erlöser geweihten Kirche bedeutete den Beginn seiner Verehrung als Heiliger.
Nach dem Tod des Klostergründers Wunibald am 18. Dezember 761 eilte seine Schwester Walpurgis nach Heidenheim, übernahm im Auftrag ihres Bruders Willibald die Leitung des Klosters und verwandelte es in ein Doppelkloster nach angelsächsischem Vorbild. Das ist für das Mittelalter nichts Außergewöhnliches, Doppelklöster gab es deren sehr viele, auch im süddeutschen Raum. Mönche und Nonnen waren wirtschaftlich und rechtlich in einem Orden und an einem Ort vereinigt, die Konventgebäude standen wohl getrennt. In England galten zu jener Zeit Doppelklöster als die Regel. Nach Theodor Schieffer soll Heidenheim das einzige Doppelkloster der angelsächsischen Mission auf dem Kontinent gewesen sein. Vom Erdendasein der heiligen Walpurgis weiß man im Gegensatz zur Geschichte ihrer Verehrung nur sehr wenig. Es wird vermutet, dass sie am 25. Februar 779 starb und im Kloster Heidenheim an der Stelle des heutigen Walpurgis- Gedächtnisgrabmales bestattet wurde. Etwa hundert Jahre ruhten ihre Gebeine wenig beachtet in Heidenheim.
Das ehemalige angelsächsische Doppelkloster war unterdessen (um 790) in ein Stift von Säkularkanonikern (Weltgeistlichen) umgewandelt worden. In der Zeit zwischen 870 und 879 erfolgte an einem 21. September die Überführung ihrer Gebeine in feierlicher Form nach Eichstätt, was dem Beginn ihrer Verehrung als Heilige gleichkam. Wohl am 1. Mai 893, dem Walpurgistag, wurden Teile ihrer heiligen Gebeine von Eichstätt nach Monheim bei Donauwörth gebracht, wo im Mittelalter ein St. Walpurgiskloster bestand. Die vielen Wunder, die anlässlich der Überführung und der Niederlegung ihrer Gebeine und späterhin in Monheim geschahen, schrieb schon um 895 ein Kleriker Wolfhard von Herrieden nieder. Diese wurden in den Schreibschulen der Klöster vervielfältigt, im Gottesdienst zur Erbauung des Kirchenvolkes immer wieder verlesen.
So trugen die Wunder der heiligen Walpurgis dazu bei, dass der Kult und die Verehrung der Heiligen, getragen durch glaubenseifrige Bischöfe, Äbte, Mönche und Nonnen, vor allem in der späten Karolingerzeit sich über den gesamten nördlichen abendländischen Kulturkreis verbreiteten. In den Kirchenprovinzen Mainz und Köln, in Holland und Belgien, in Nordfrankreich, in Dänemark, Schweden und Norwegen, in Böhmen und Mähren, in Oesterreich-Ungarn und in der Schweiz weihte man Kirchen und Kapellen der heiligen Walpurgnderem Maße dem Gedenken der ehemaligen Heidenheimer Äbtissin. "Walpurgis war eine der Schlüsselfiguren der christlichenis, legte man Reliquien von ihr nieder oder man widmete sich in der Liturgie in beso Frühzeit des Frankenreiches, besonders Ostfrankens geworden" (Hermann Holzbauer).
Die hohe Zeit der Angelsachsen in Heidenheim ging schon um 800 zu Ende. Nur ein knappes halbes Jahrhundert gelangte unsere Heimat in den Genuss des großen geistigen Reichtums des heiligen Bonifatius durch die Anwesenheit seiner Gefolgsleute und Blutsverwandten Willibald, Wunibald und Walpurgis im Hahnenkamm. Nach ihrem Tod wurde schon um 790 das angelsächsische Doppelkloster Heidenheim in ein Stift von Weltgeistlichen umgewandelt.
An Stelle der feingebildeten, romverbundenen angelsächsischen Mönche und Nonnen traten nun Weltgeistliche, die nicht die Gelübde der Armut abzulegen brauchten. Wir müssen nicht annehmen, dass nun nach der Umwandlung des Doppelklosters in ein Stift sich sogleich der Geist der Unordnung und der Zuchtlosigkeit einstellte. Die strengen Leitbilder der angelsächsischen Mönche und Nonnen mit dem Ideal der asketischen Heimatlosigkeit, die die Dynamik und den Schwung der Germanenmission unter Bonifatius auslösten, haben sicherlich eine zeitlang auch noch auf die Angehörigen des Stifts Heidenheim nachgewirkt. Wir erfahren jedoch über die inneren und äußeren Zustände dieser neuen Einrichtung so gut wie nichts, denn vom 9. bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts legt sich tiefes urkundliches Dunkel über die ehemalige Gründung Wunibalds.
Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts wird der Schleier gelüftet. Das einst so blühende angelsächsische Doppelkloster Heidenheim erscheint nun in den Berichten als ein heruntergekommenes Stift, in das der Makel der Zuchtlosigkeit und der Simonie eingekehrt war. Das gemeinsame Leben der Geistlichen war aufgegeben worden, die geistlichen Ämter konnten käuflich erworben werden (Simonie). Zum Dekan, der die Zucht wahren sollte, wählte man jemand, der mit Rücksicht auf die eigenen Verfehlungen nicht einschreiten konnte. Die Klostergebäude ließen die Weltgeistlichen verfallen, die Türme waren eingestürzt. Diese schlimmen Zustände im Stift Heidenheim mussten nun in der klerikalen Zeit des beginnenden 12. Jahrhunderts, als unsere Kirche von einer neuen Welle gesteigerten Glaubensdranges erfasst worden war, als ein Stein des Anstoßes erscheinen.
Es galt in den Augen der reformfreudigen Kirchenfürsten, die den mönchischen Lebensformen von Cluny und Hirsau anhingen, als schmerzlich, dass an der geheiligten Stätte der angelsächsischen Mission in Heidenheim, wo der heilige Wunibald begraben liegt und die vielgeliebte und weitverehrte Heilige Walpurgis ihr Erdendasein vollendet hatte, das kirchliche Leben daniederlag und nicht mehr vom Geiste des Mönchtums getragen wurde. So fassten Bischof Gebhard II. von Eichstätt (1125-1149), aus dem Geschlechte der Grafen von Hirschberg, zusammen mit Bischof Otto von Bamberg, Erzbischof Konrad von Salzburg und Abt Adam von Ebrach den Entschluss, das heruntergekommene Stift Heidenheim zu reformieren und wieder in ein Benediktinerkloster zu verwandeln.
Der Entschluss war freilich leichter gefasst als durchgeführt. Die Weltgeistlichen und ihre Verwandten betrachteten die Stiftsgüter als eine gediegene Versorgungsstätte und wollten den Grund und Boden nicht herausgeben. Die Auseinandersetzungen um die Reform des Klosters Heidenheim zogen sich Jahrzehnte hin, und erst als Kaiser Barbarossa und Papst Eugen III. sich in die Heidenheimer Reform einschalteten und mit Exkommunikation und strengen Strafen die Ordnung wiederherstellen ließen, konnten Reformmönche in Heidenheim einziehen und das zweite Kloster auf dem geheiligten Boden der angelsächsischen Mission errichten, das bis zur Reformation im 16. Jahrhundert bestand.
Als Folge der Wiedereinführung der Benediktinerregel in Heidenheim erstand in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die hochromanische Klosterkirche, noch heute ein bedeutender Zeuge der staufischen Sakralbaukunst im Raum zwischen Wörnitz und Altmühl. Die Mönche, die das zweite Benediktinerkloster Heidenheim besiedelten, kamen alle aus hirsauisch reformierten Klöstern, aus St. Michael in Bamberg, aus Banz in Oberfranken und Kastl in der Oberpfalz. Als Vorsteher wurde Abt Adelbert von Paulinzella bei Rudolstadt in Thüringen berufen. Dieser war in der Domschule in Bamberg erzogen worden und konnte dort als Kanoniker Erfahrungen in der kirchlichen Verwaltung und im Kirchenbauwesen sammeln. Während dieser Zeit erlebte er wohl den Bau des St. Michaelsklosters durch Otto den Heiligen (um1121). Von der Glut der Reformgedanken ergriffen, trat Adelbert als Mönch in das Kloster Paulinzella ein.
Von diesem Kloster ist bekannt, dass dort bei der Gründung nicht nur Mönche aus Hirsau einzogen, sondern dass sie auch einen Trupp ihrer Bauleute mitbrachten. Abt Adelbert kannte also die liturgischen Gewohnheiten der Hirsauer Reform und errichtete seinen Heidenheimer Klosterbau als ein harmonisches Zusammenspiel von Liturgie und Architektur. Die Heidenheimer Klosterkirche erscheint noch heute als eine dreischiffige, romanische Pfeilerbasilika mit zwei Westtürmen, restweise erhaltener Vorhalle, weit ausladendem östlichen Querhaus und einem im15. Jahrhundert angefügten gotischen Chor.
Die Klarheit im Aufbau des Raumes wird auf den ersten Blick offenbar. Das Mittelschiff ist doppelt so hoch wie breit, die Seitenschiffe haben halbe Höhe und Breite des Mittelschiffes. Die Scheidewände des Langhauses werden von je sechs Rundbogen aus sauber gearbeiteten, verschiedenfarbigen Keilsteinen getragen und ruhen ohne Kapitelle auf den Kämpfern. Die Basen der Pfeiler sind, soweit erhalten, reich profiliert.
Die romanischen Fenster im Obergaden blieben an der Südseite des Mittelschiffes erhalten, an der Nordwand wurden sie zugesetzt. Der Bauzustand des 12. Jahrhunderts blieb im Hauptschiff, im nördlichen Das südliche Seitenschiff und Querhaus wurden 1729/30 abgebrochen, neu aufgeführt und mit größeren Fenstern und einem hohen Portal versehen. Von einem direkten Einfluss der Hirsauer Baugepflogenheiten im Detail kann zwar in Heidenheim wohl kaum gesprochen werden, aber Abt Adelbert und seine aus Reformklöstern kommenden Mönche folgten dem Vorbild der Bauten des heiligen Otto von Bamberg, das sich in der Grundkonzeption an die Hirsauer Tradition anlehnte. Da jeder Priestermönch persönlich am Tage die Messe zu feiern hatte, waren mehrere Altarstellen erforderlich. Zu diesem Zweck wurden auch in Heidenheim die Seitenschiffe über das Querhaus hinaus verlängert, im Osten eine fünfteilige Staffelchoranlage errichtet, die im 15. Jahrhundert mit dem Anbau des hohen gotischen Chores wieder fallen musste.
Die hohe Zeit der Angelsachsen im Stift Heidenheim (9.-12. Jh.) geriet zwar nicht völlig in Vergessenheit, sie scheint aber auch nicht bewusst in der Erinnerung behalten worden zu sein, zumal auch die Gebeine der heiligen Walpurgis schon in der Zeit zwischen 870-879 nach Eichstätt überführt worden waren. Das um 1155 nach heftigen Auseinandersetzungen wiedererstandene Reformkloster Heidenheim wurde sich wieder mehr der angelsächsischen Überlieferung bewusst. Kurz vor 1188 weihte Bischof Otto von Eichstätt (1182-1196) die neue Klosterkirche, in die die Gebeine des heiligen Wunibald verlegt wurden. Diese Übertragung seiner Reliquien in die neue Klosterkirche bedeutete zugleich einen Akt besonderer Verehrung und Verherrlichung des Heiligen. Wenig später dürfte auch der Kult der heiligen Walpurgis im Reformkloster Heidenheim wieder belebt worden sein. Davon zeugt noch heute das Walpurgis-Gedächtnisgrabmal, das wohl an der Stelle der Erstbestattung (um 779) im frühen 13. Jahrhundert in die hochromanische Klosterkirche hineingesetzt wurde. Man hat dieses eindrucksvolle Grabmal der heiligen Walpurgis später etwas verunstaltet und drei Säulen ausgebrochen, wie sie an der Nordseite der Kapelle noch zu sehen sind.
Die Tumba der Heiligen stammt allerdings erst aus dem Jahre 1484, also aus spätgotischer Zeit, in der man womöglich mit dem Zustrom von Wallfahrern aus der nahen Wallfahrtskirche Mariabrunn rechnete. Die Liegefigur der Deckplatte der Tumba zeigt Walpurgis im Ordensgewand der Benediktinerinnen. In der linken Hand hält die Heilige ein Buch, die Ordensregel symbolisierend. Darauf ist als Attribut ein Ölfläschlein ornamentiert. In der rechten Hand hält Walpurgis ein Szepter, das abgebrochen ist, Zeichen ihrer königlichen Herkunft aus England, an die man schon im 10. Jahrhundert glaubte. Zwei Engel halten über ihrem Haupte die Krone der Heiligkeit. Das Hochgrab des Klostergründers Wunibald befindet sich jetzt in der Vierung vor dem Kreuzaltar. 1968 musste es zerlegt werden. Bei dieser Gelegenheit wurde es von Dr. Walter Haas baugeschichtlich untersucht. Außer einigen Münzen fand man nur noch eine Schicht geweihte Erde aus einem früheren Wunibaldsgrab. Die beiden Grabmale des heiligen Wunibald und der heiligen Walpurgis in der heutigen Heidenheimer Kirche legen ein Zeugnis davon ab, dass man im zweiten Benediktinerkloster Heidenheim wieder an die angelsächsische Überlieferung anknüpfte.
Vom 12. Jahrhundert bis zur Reformation zog sich das Dasein des zweiten Benediktinerklosters Heidenheim ohne große dramatische Höhepunkte dahin. Der geistige Reichtum der angelsächsischen Zeit mit seinen weiten Verbindungen konnte nicht mehr erlangt werden. Heidenheim blieb bischöfliches Eigenkloster von Eichstätt, deshalb musste es abseits stehen vom Strom päpstlicher Gnadenerweise, wie ihn viele andere Klöster genießen konnten. Im 15. Jahrhundert öffnete sich das Kloster noch der Volksfrömmigkeit der Zeit durch Stiftung einer Propstei im nahen Mariabrunn und Errichtung der Annakapelle an der südlichen äußeren Chorwand. Sie wurde später wieder abgebrochen. Durch die vogteiliche Bindung des zweiten Heidenheimer Klosters an die Edlen von Truhendingen und im 15. Jahrhundert an das Haus Brandenburg-Ansbach war sein Ende in der Reformationszeit schon vorgezeichnet. Im Bauernkrieg blieb es vor einer Plünderung verschont, weil Markgraf Kasimir kurz vorher den vereinigten Ries- und Hesselberghaufen, der schon im Anmarsch auf Heidenheim war, am 7. Mai 1525 in der Bauernschlacht bei Ostheim zerschlagen ließ. Mit dem Übertritt der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, den weltlichen Herren des Klosters, zum evangelischen Bekenntnis fand auch die zweite Klostergründung Heidenheim ihr jähes Ende. Im Jahre 1551 brannte die alte Pfarrkirche St. Walpurg am alten Friedhof zusammen mit mehreren Häusern ab. Sie wurde nicht mehr aufgebaut. Die leer stehende ehemalige Klosterkirche trat nun in die Dienste der neuen Konfession und wurde evangelische Pfarrkirche.
Die Wirtschaftsgebäude, die zu dem mittelalterlichen Kloster gehörten, sind längst verschwunden, erhalten blieb die ehemalige Klosterkirche mit den Mönchswohnungen und dem Kreuzgang. Im Innern des Gotteshauses ist freilich die alte romanisch-gotische Raumschale ihres ehemals sicherlich farbigen Schmuckes beraubt worden. Nichts mehr ist vorhanden vom Lettner, von alten Altären, von Fresken und buntem Schnitzwerk. Nichts mehr ist geblieben vom magischen Glanz der Edelsteine, des Goldes und Silbers, nichts mehr von alten Teppichgehängen. All dieser Schmuck gehörte im Mittelalter zu einer Kirche und wurde von den Gläubigen angenommen, denn er bedeutete ja letzten Endes für den mittelalterlichen Menschen eine Art Jenseitsverheißung.
Nur noch eine Reihe alter Grabdenkmäler aus Stein aus dem 14. und 15.Jahrhundert schmückt heute das Gotteshaus. Das Innere der Kirche wurde im 18. Jahrhundert zwar nicht barockisiert, aber nach dem Raumempfinden der damaligen Zeit erhellt und mit einer weißen Putzhaut überzogen. 1952, zur Zwölfhundert-Jahrfeier des Klosters, ließ die Baubehörde den Stuck abschlagen; dadurch kam die natürliche Wirkung der Quadersteine aus Burgsandstein und Suevit wieder zum Vorschein. Ob diese streng nüchterne Steinsichtigkeit, die wir heute in ihrer Wirkung so bewundern, auch vom mittelalterlichen Menschen als schön empfunden wurde, bleibt fraglich. Nach unserem Raumgefühl vermittelt die Heidenheimer Kirche heute ein besonders eindrucksvolles Raumerlebnis.
Hohe Romanik im Langhaus, kenntlich an den Rundbögen, die die Scheidewände tragen, und hohe Gotik im Chor, kenntlich an den schlanken spitzbogigen Fenstern, vereinigen sich hier in schöner Harmonie. Die klare Regelmäßigkeit und Einfachheit, mit der sich hier alle Bauteile zu einem wohlgeordneten Ganzen zusammenfinden, das bedeutet Schönheit und großartige Raumwirkung dieses Gotteshauses. Wir können sagen: Die ehemalige Klosterkirche von Heidenheim ist ein Sakralraum von ganz besonderer religiöser Stimmung, eine wundervolle Melodie vollendeter Raumschöpfung.
An die Nordseite der Klosterkirche lehnt sich der spätgotische Kreuzgang an, dem romanische Vorläufer vorausgingen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr er eine gründliche Restaurierung, wo bei das ausgeschlagene Maßwerk in den Fenstern in mehreren Phasen frei nach dem Gefallen der Steinmetze wieder eingesetzt wurde. Das spätgotische Gewölbe hat man nur in wenigen Teilen ergänzen brauchen.
Im östlichen Bereich des Klosters unter schattigen alten Buchen steht ein kleines Häuslein, das so genannte Heidenbrünnlein, unweit der abgebrochenen Marienkapelle. Es wurde im Laufe der Jahrhunderte als Taufbrunnen empfunden. Wunibald soll hier Heiden getauft haben. Bei dieser Vorstellung eines Taufbrunnens ist Vorsicht geboten. Verschiedene Ausgrabungen im Ries und Altmühltal haben ergeben, dass in diesem Raum hier schon ein frühes Christentum um 600 eingewurzelt war, allerdings mit viel heidnischem Kult durchwoben.
Der Verdienst der Angelsachsen Willibald, Wunibald und Walpurgis bestand darin, dass sie unserer Heimat das geläuterte, romverbundene Christentum gebracht haben, das zur geistigen Grundlage des christlichen Abendlandes wurde. Der Begriff Romverbundenheit darf freilich zur Zeit des heiligen Bonifatius, des heiligen Willibald und Wunibald nicht belastet werden mit den Vorstellungen des Investiturstreites, des Reformationszeitalters oder gar des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert. "Romverbundenheit" war zu jener Zeit die Würde und die Ehrfurcht, mit der die junge germanische Welt an die vorbildhaften Formen des römischen Landeskirchentums herangeführt wurde.
Insofern darf es nicht als Übertreibung gewertet werden, wenn wir behaupten: Auch hier in Heidenheim stehen wir an einer von vielen Brunnenstuben des christlichen Abendlandes.