Staunen und Schrecken befallen uns, wenn wir bedenken, was heute alles an Gütern zu Wasser, zu Lande und in der Luft über weite Entfernungen hin in kurzer Zeit bewegt wird. Wie anders war das noch bis Mitte des vergangenen 20. Jahrhunderts, und wie ganz anders im Mittelalter. Vieles musste da von Ort zu Ort zu Fuß getragen werden. In manchen Sterberegistern aus vergangenen Jahrhunderten steht geschrieben: Er war ein Refträger. Was ist darunter zu verstehen? Das mittelhochdeutsche Wort ref bezeichnet ein Stabgestell zum Tragen auf dem Rücken.
Den Mann, der oft ein verhältnismäßig schweres Gepäck mittels eines Refs stundenweit irgendwo hin trug, nannte man Refträger. Viele Menschen der damaligen Zeit waren so eine Art Refträger, wenn sie auch an Stelle eines Refs nur einen Sack voll Mehl, einen Büschel Gras, eine Butte oder einen Huckelkorb voller Äpfel oder Eier oder einen Bündel Holz auf dem Rücken nach Hause trugen. Vieles musste dazumal noch durch körperliches Tragen bewegt werden. Der Schubkarren oder das hölzerne Leiterwägelein bedeuteten nur eine mäßige Erleichterung. Da war es dann gut, wenn man einen Esel im Stall stehen hatte, wie jener Müller im Märchen. Schwere Lasten wie Mauer- oder Ziegelsteine und Baumstämme konnten im Mittelalter nur mittels eines Wagens durch Fahren oder durch Schleifen fortbewegt werden. Es gab ja in jener Zeit eigene Schleifwege. So sind sicherlich die Sandsteine zum Bau der Pfeiler und Langhauswände des Heidenheimer Münsters, die der Burgsandsteinformation angehören, aus den Steinbrüchen im Altmühltal auf den Hahnenkamm und der Suevit (Schwabenstein) aus dem Riesrand bei Polsingen oder Hainsfarth mittels Schleifen, einer Art Schlitten, heraufgeschleift worden, ähnlich wie das gefallene Vieh, das auf dem Schindschlitten zum Schelmacker befördert wurde, wo man es vergrub.
Einen Wagen dafür zu benützen, war angesichts der hölzernen Achsen und der grundlosen Wege oft ein gewagtes Unternehmen. Und wer konnte sich im Mittelalter schon einen zweiräderigen Karren oder gar einen vierräderigen starken Wagen und das notwendige Gespann dazu leisten? Die kleinen Leute, die Seldner und Tropfhäusler, sicherlich nicht. Sie waren bei der Bestellung ihres Äckerleins, wollten sie es nicht durch Umgraben mit der Schorschaufel für die Saat vorbereiten, auf die großen Höfe, die Hufen, angewiesen, zu denen sie rechtlich gehörten. Zum Transport von schweren Gütern über weite Strecken dafür waren die spannfähigen Vollbauernhöfe zuständig. So haben die Grundherren viele ihrer großen Höfe mit "Main-, Franken- und Neckarfahrten" belastet, um aus den Weinlandschaften den edlen Rebensaft in den Hahnenkamm zu befördern. Manche Höfe waren auch zu "Wildzeug- und Haferfuhren" an den Hof der Markgrafen in Cadolzburg und Ansbach verpflichtet.
Das Kloster Heidenheim war ursprünglich von derartigen Transportleistungen befreit. Otto der Große (936-973), deutscher König und römischer Kaiser, verlieh auf Bitten des Eichstätter Bischofs Starchand (933-966) dem "locus Heydenheim", wo der heilige Wunibald begraben ruht, Immunität.
Der Tübinger Historiker Heinrich Dannenbauer hat aus dieser Urkunde weitgehende Folgerungen über den sozialen Stand der von diesen Leistungen befreiten Leute gezogen (2). Mag sein, dass die Freiheit des Siedelhofes des Klosters noch aus dieser frühen Zeit stammte.
Doch nach 1400 war die Befreiung von Transportleistungen längst vorbei. Das Kloster war um diese Zeit auf dem Wege, wie viele andere, in die Abhängigkeit des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach zu geraten, ihm Steuern und Dienste zu leisten. Darüber berichtet das Rechnungsbuch des Abtes Wilhelm von Vestenberg aus den Jahre 1428: "Was ich meinem Herrn, dem Markgrafen dien". Der Abt bezeichnet also schon damals den Markgrafen Friedrich I. (1415-1440) als seinen Herrn, dem er Steuern und Dienste zu leisten schuldig wurde:
Der Lieblingsaufenthalt des Markgrafen Friedrich I. war dazumal die Cadolzburg westlich Fürths. Weiter steht geschrieben:
Mit dem Begriff "pirg der Markgrafen" ist der oberfränkische Teil der Markgrafschaft zu verstehen. Das Gebiet der zollerschen Markgrafschaft erfreute sich keineswegs geschlossenen Zusammenhangs. Zwischen dem Raum Bayreuth und um die Plassenburg bei Kulmbach einerseits und um den Raum Cadolzburg andererseits schob sich "das Gebürge", worunter man die Fränkische Schweiz verstand. Die Gebiete im heutigen Oberfranken nannte man dazumal "ob dem Gebirge" die um Ansbach "nieden dem Gebirge" (4). Wenn der Abt Wilhelm von Vestenberg von Heidenheim seine Fuhrleute "auf das pirg der Markgrafen" schickte, so meinte er deren oberfränkischen Teil der Markgrafschaft. Eine weitere Fahrt im Dienste des Markgrafen verzeichnet das Rechnungsbuch des Abtes:
Das Kloster Heidenheim konnte diese Fuhren für den Markgrafen erbringen, weil es über Pferde und Wägen verfügte. Der Markgraf war zum Landesherrn aufgestiegen und konnte diese Dienste fordern. Der Abt schickte seine Fuhrleute im eigenen Interesse in die Ferne. Der Bedarf an Wein, der dazumal als Getränk von jedermann beliebt war, veranlasste ihn, seine Fuhrknechte in die Weinlandschaften um den Main, an den Neckar und an die Tauber zu senden. 1428 wurden vom Abt 2 Wägen gen Franken geschickt, die kamen nach 9 Tagen zurück und brachten 23 Eimer Wein. Unter dem geographischen Begriff Franken, verstand man damals die Gegend um Würzburg-Kitzingen. Ein anderer Eintrag in das Rechnungsbuch des Abtes Wilhelm von Vestenberg lautet:
Zahlreich waren die Fahrten, die des Klosters Fuhrleute an den Main und an die Tauber unternehmen mussten. Der letzte Abt Christoph Mundscheller vermerkt sie kurz:
Nicht alle Weinfuhren wurden aufgezeichnet, ihre Zahl war natürlich viel größer. Die Weinfuhren hatten zur Folge, dass die Fuhrleute ihr Wissen um die weitere Heimat bereicherten und den Daheimgebliebenen von ihren Erlebnissen auf den "Weinfahrten" erzählen konnten. Doch darüber berichten die Quellen nichts. Das Kloster selbst belastete seine großen Höfe mit derartigen in die Ferne führenden Fuhren nicht, es hatte dazu ja selbst seine Wagen und Pferde.
Dagegen verlangte der Vogtherr, der Markgraf, nach einer Treibjagd im Hahnenkamm, Wildzeug zu fahren oder Hafer in seine Residenz nach Ansbach zu verbringen. Die vielfachen Wirtschaftsbeziehungen des Klosters im ausgehenden Mittelalter erforderten Fuhren in die umliegenden Städte nach Gunzenhausen, Wassertrüdingen, Weißenburg, Nördlingen und Eichstätt. 1428 reiste Abt Wilhelm am Donnerstag vor Reminiscere nach Nürnberg und holte 40 Zinnteller, 3 Pfannen und 60 rote Teller.
Nicht immer hat der Abt persönlich diese Orte aufgesucht, er schickte seine Bediensteten. Nach Nürnberg fuhren des Öfteren Wagen des Klosters mit Getreide und kehrten mit Eisenwaren beladen zurück. So z.B. 1435:
Die Wildzeugfuhren wurden in Heidenheim nur von den wenigen großen Höfen gefordert. Darunter verstand man den Transport von bei Treibjagden erlegtem Wild an den markgräflichen Hof in Ansbach. Das Kloster war nach altem Recht von Wildzeugfuhren befreit. Abt und Mönche verfügten ja über kein Jagdrecht. Dagegen verweilten die markgräflichen Jäger volle 4 Wochen im Markt, um in den umliegenden Wäldern zu jagen. Die Verpflichtung, das Wild, an den markgräflichen Hof nach Ansbach zu transportieren, wurde jenen großen Höfen in Heidenheim auferlegt, die als Grundherrn dem Bischof von Eichstätt, als Gerichtsherrn aber dem Markgrafen von Brandenburg-Ansbach angehörten und völlig in dessen Gewalt gelangten. Das Kloster hatte auf diese Höfe keinen Einfluss. Die Lehen, so nannte man um 1500 die Halbhöfe, die kleiner als die Vollbauernhöfe (Hufen) waren, brauchten nur einen Teil Wildzeug und Haferfuhren leisten. So bewirtschaftete um 1535 ein gewisser Lienhart Forster das so genannte Jungfrauenlehen, zu dem etwa 25 Morgen Acker und 6 Tagwerk Wiesen gehörten. Von ihm ist im Salbuch ausdrücklich festgelegt:
Unter dem Begriff reisen verstand man um 1500 vor allem den Aufbruch zu einem Kriegszug des Landesherrn. Dazu hatten auch die großen Höfe einen Beitrag zu leisten, indem sie Pferde und Wagen und Knechte stellten. Darüber steht geschrieben:
Die Welt war damals noch groß und weit. Nur wenigen Menschen gelang es, die Enge des heimatlichen Erfahrungskreises zu durchbrechen. Die Fuhrleute lernten auf ihren Wein- und Wildzeugfuhren in die Fremde vorzudringen und den Angehörigen in der Heimat von ihren Erlebnissen zu erzählen.