Hohentrüdingen

Geschichte und Geschichten eines Dorfes

Von den Steinern oder Siebnern

Trotz allen technischen Fortschritts im Vermessungswesen hat sich bis auf den heutigen Tag im Dorf das Ehrenamt der Feldgeschworenen erhalten. In früheren Jahrhunderten nannte man sie im Markgraftum Brandenburg-Ansbach, zu dem unsere Heimat bis 1791 gehörte, Steiner oder Siebener; Steiner, weil sie die Grenzsteine setzen mußten, Siebner, weil ihre Gemeinschaft in der Regel aus sieben Personen bestand. Im Volksmund in Hohentrüdingen ist die Bezeichnung Steiner heute noch üblich.

In Württembergisch Franken, vor allem im Fürstentum Hohenlohe war für diese Leute der Name Schieder oder Markscheider gängig, weil sie oft friedfertig einen Streit über Grundstücks- und Markungsgrenzen zu entscheiden hatten. Als älteste Bezeichnung für die Feldgeschworenen liest man oft den Namen Untergänger. So heißt es z.B. in einer alten Schrift:

Man muß hier Vorsicht walten lassen, wenn in früher Zeit von Untergang und Untergängern die Rede ist und darf nicht an die moderne Bedeutung des Wortes unter denken, wenn etwa von einem Schiffsuntergang oder vom Untergang eines Geschlechts gesprochen und gelesen wird. Das mittelhochdeutsche Tätigkeitswort undergan bedeutet "die Grenze begehen, die Grenze festsetzen". Untergänger waren also die Leute, die um die Grenze gehen, sie überprüfen und, wenn sie strittig ist, ihren Verlauf festsetzen. Seit dem vorigen Jahrhundert gilt für die Siebner, Steiner oder Untergänger die Bezeichnung Feldgeschworene.

Feldgeschworene
Sieben Landscheider mit ihrem Werkzeug bei der Grenzbereinigung – Illustration aus dem Naumburger Salbuch (um 1514)

Die heute noch im Volksmund lebendige Bezeichnung Steiner kennzeichnet die Tätigkeit dieser Männer am besten. Sie haben Steine zu setzen und ihre Gültigkeit zu überwachen; nicht beliebige Steine, sondern solche, die die Grundstücke der einzelnen Dorfgenossen markieren, früher vor allem aber auch Hut- und Grenzsteine, die den Verlauf der Dorfgemarkung und der Weideberechtigung festlegten. Das war im Zeitalter der Weidewirtschaft eine bedeutende Angelegenheit, denn Hut- und Markungsgrenzen mußten sich nicht immer decken. Vor allem um die Hutberechtigungen entstanden zwischen den Ortschaften und ihren Hirten oft Schlägereien, die bisweilen mit blutigen Köpfen oder gar mit Totschlag enden konnten.

Heute werden für die Grenzmarkierung grob zubehauene, viereckige Granitsteine verwendet die von weither kommen, infolge ihrer regelmäßigen Form leichter zu erkennen sind und der Verwitterung lange standhalten. In alter Zeit mußten sich die Steiner oder Siebner mit unregelmäßigen einheimischen Steinen begnügen, die sehr unterschiedlich geformt und oft dem Zerfall ausgeliefert waren, so dass sie von gewöhnlichen Feldsteinen nicht mehr unterschieden werden konnten. Deshalb legten auch die Siebner dem von ihnen gesetzten Grenzsteinen ein Zeichen unter in Form von Ziegelbrocken oder andersfarbigen Steinchen, doch das wurde als Geheimnis gehütet.

Grenzsteinsetzen war also nicht nur eine Tätigkeit, die jeder ausführen konnte. Dazu mußte man berufen werden und hinter jedem Grenzstein sollten ehrbare und verschwiegene Menschen stehen mit einem ausgezeichneten Erinnerungsvermögen und guten Kenntnissen der heimischen Besitzverhältnisse. Darum wurden sie wohl auch auf Lebenszeit bestimmt, denn nur durch lange Erfahrung ließ sich ein Wissen um die in der Markung vorhandenen Grenzsteine gewinnen. Es gab solche Siebner, die fast jeden Stein in der Markung kannten.