St. Zeno

Der Kirchenheilige von Windischhausen

Reliquienkult und Heiligenverehrung

Reliquie

Reliquie des Heiligen Zeno

Ein völlig neues Personenverständnis bahnte sich im frühen Christentum mit der Heiligenverehrung an. Nicht mehr persönliche Tüchtigkeit wie Fleiß und Tapferkeit im Kriege galten als besondere Vorzüge eines Menschen, sondern im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. verbreitete sich zunehmend der Glaube, dass in manchen Leuten die Kraft ruhe, Wunder zu bewirken, was die Verfasser von Heiligenleben mit virtus bezeichnen, was man aber nicht gut mit Tugend übersetzen darf. Sie wurden, nachdem durch den Sieg des Christentums kein Märtyrertum mehr möglich war, als Heilige verehrt. Nach christlich-mittelalterlichem Verständnis wuchs zunehmend die Annahme, dass auch im toten Körper des Heiligen diese Kraft, Wunder zu wirken, noch vorhanden sei (1).

Der Vorstellung, dass der Heilige im Gottesdienst der Gläubigen in der Kirche zugegen sei und um Fürbitte und Hilfe angerufen werden könne, kam auch noch die Lehre entgegen, dass Leib und Seele etwas grundsätzlich Verschiedenes seien. Der Körper des Menschen entsteht durch menschliche Zeugung; er zerfällt nach dem Tod in seine Glieder, ist also teilbar. Die Seele dagegen, der göttliche Funke, das göttliche Geschenk im Menschen, ist unteilbar und wohnt als Ganzes in jedem Teil des Körpers. Wenn nun in einer Kirche oder Kapelle auch nur eine kleine Reliquie vom Körper des Heiligen vorhanden ist, so bedeutet dies die Gegenwart des Heiligen. Schutz und Hilfe können von ihm erbeten werden. Daher legte man bei der Weihe der Kirche oder eines Altares eine oder mehrere Reliquien von Heiligen nieder. Das bedeutete deren Gegenwart. Große Bischofskirchen wie etwa der Bamberger Dom wurden bei ihrer Weihe und der ihrer Altäre mit einer großen Reihe solcher Reliquien von Heiligen bedacht, so dass z.B. Bamberg zu einem Zentrum der Frömmigkeit aufsteigen konnte (2).

Bischof Gundekar von Eichstätt weihte am 1. August 1064 den Altar der heiligen Apostel Petrus und Paulus im Dom unter Beisetzung von 54 Reliquien und am 14. September 1064 den Altar des Heiligen Kreuzes im Dom mit 40 Reliquien (3). Durch die Gegenwart der Heiligen in ihren vielen Reliquien wuchsen die Domstädte zu Frömmigkeitszentren und ganzen Sakrallandschaften empor. Aber auch in gewöhnlichen Dorfkirchen und Kapellen blieb die Erinnerung an die Heiligen durch ihre Reliquien lebendig. Ihre Legenden verlasen die Priester im Gottesdienst, ihre Wunder wurden bildhaft an den Wänden dargestellt. So trugen Heiligenverehrung und ihre Reliquien wesentlich zur Ausbreitung der Verchristlichung des Landes bei (4).

In der Sakrallandschaft des Gunzenhäuser Landes sind die verschiedensten Kirchenheiligen vertreten, seltene und überall bekannte. Dr. Theodor Stark, der ehemalige Pfarrer von Dittenheim (5) hat in seinem „Heimatbuch der Gemeinden des Landkreises Gunzenhausen“ (6) und im „Gunzenhäuser Heimatboten“ (7) die Kirchenheiligen der einzelnen Orte aufgeführt. Pfarrer Werlin, der als letzter Pfarrer von St. Maria in Berolzheim tätig war, verfasste 1935 im „Gunzenhäuser Heimatboten“ einen Aufsatz: „Etwas über unsere Kirchenheiligen“ (8). In einer grundlegenden Arbeit über „Patrozinienforschung und Eigenkirchenwesen mit besonderer Berücksichtigung des Bistums Eichstätt“ von Dr. Karl Puchner wurde auch der im Gunzenhäuser Land verehrten Kirchenheiligen gedacht (9). Trotz der vielen guten Arbeiten bleiben bei manchen dieser Patrozinien Fragen offen, die noch unser Interesse erwecken dürften. So liest man neuerdings immer wieder etwas von einer Martinskirche in Degersheim, während Puchner in dem Ort als Kirchenpatron den Diözesanheiligen Wunibald annimmt. Es ist bei der Suche nach den Patronen der einzelnen Kirchen nicht leicht, die Umstände zu verfolgen, wie aus der Vielfalt der Heiligen gerade der eine oder andere ausgewählt wurde. Doch gerade das macht die Forschung nach ihnen interessant.

Anmerkungen:

  1. Anne-Marie Helvetius, „Hagiographie u. Heiligenverehrung“ in „Die Franken, Wegbereiter Europas“, Textband Reiss Museum, S. 401-406.
  2. Gerd Zimmermann, „Bamberg als königlicher Pfalzort“ in Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd.19/59, S. 203-222.
  3. Heidingsfelder, Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 234 u.235.
  4. Stephan Beissel, „Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland im Mittelalter“, Nachdruck 1983, Darmstadt.
  5. Dr. Schrenk, „Pfarrer Dr. Theodor Stark von Dittenheim“ in „Alt-Gunzenhausen“, Heft 19/1981, S. 69-77.
  6. Dr. Stark „Heimatbuch der Gemeinden des Landkreises Gunzenhausen“, Selbstverlag 1939, S. 30-43.
  7. Dr. Theodor Stark, Dittenheim „Die Namen unserer Kirchen“ in Gunzenhäuser Heimatboten, Bd. V, Nr. 27, S. 105-106.
  8. Pfarrer Werlin, „Etwas über unsere Kirchenheiligen“ in Gunzenhäuser Heimatboten, Bd. V/1935, S. 41/42.
  9. Dr. Karl Puchner, „Patrozinienforschung und Eigenkirchenwesen mit besonderer Berücksichtigung des Bistums Eichstätt“, Kallmünz 1932. Allgemein: Johann Dorn, Beiträge zur Patrozinienforschung in Archiv für Kulturgeschichte, S. 9-49 u. S. 220-255.