Ein Bad in der eigenen Wohnung oder mehrere Bäder im eigenen Haus, getrennt für alt und jung, ist in unserer modernen Wohlstandsgesellschaft zu etwas Selbstverständlichem geworden. Wer zu Besuch kommt, dem führt die Frau des Hauses gerne ihre aufwendige Wohneinrichtung vor, als Krone aller Herrlichkeiten das luxuriös ausgestattete Bad. Da blitzen und blinken an den Wänden vom Fußboden bis zur Decke die elegantesten und teuersten Fliesen. Da leuchtet es in Chrom und Silber, da glaubt man, in eine Zauberwelt versetzt zu sein, wie sie auch in Katalogen und Werbeprospekten nicht etwa nur vorgegaukelt wurde. Die neuzeitliche Technik hat es ermöglicht, dass jedermann am Luxus des modernen individuellen Badens zur Pflege der Gesundheit, Sauberkeit und Schönheit teilnehmen kann. Es muss eingestanden werden: Was die Hygiene anbelangt, haben wir es besser als die Fürsten vor ein paar hundert Jahren.
Wie ganz anders noch vor 50 und 60 Jahren. Alte Leute können es bestätigen: Damals gab es auf dem Lande kaum ein Haus mit Badezimmer, mit Badofen und Wanne. Und wenn ja eines vorgesehen war, dann war es - gemessen an unseren Tagen - gewiss sehr primitiv eingerichtet und wurde vielfach noch als Abstellraum, wenn nicht gar als Rumpelkammer, verwendet.
Im 18. und 19. Jahrhundert und auch in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (1914 - 18) war es um das Badewesen auf dem Lande schlecht bestellt. Bewegliche Badewannen aus Zinkblech kamen erst spät in Mode. Meist war auch noch keine Wasserleitung vorhanden und an eine Vertäfelung des Baderaumes dachte kein Mensch. Zum Bad, das nur selten erfolgte, begnügte man sich mit einem niedrigen hölzernen Schaff, Kufe genannt, die der Büttner gefertigt hatte. Zur Bereitung des heißen Wassers füllte die Mutter ein paar gusseiserne Töpfe mit Wasser, rückte sie mittels einer zweizinkigen Ofengabel in den Kachelofen an das offene Feuer und holte sie damit auch wieder heraus, wenn das Wasser erhitzt war. Sodann stellte sie das hölzerne Badeschaff im Sommer in die Küche, im Winter in die Stube dicht an den Kachelofen, goss kaltes Brunnenwasser und heißes Wasser darein, brachte Kernseife und Handtuch und der Badevorgang konnte beginnen. So bequem wie heutzutage war das natürlich nicht. In dem engen Holzschaff konnte man kaum ausgestreckt liegen, nur in einer Art Hockerstellung verweilen oder man badete im Stehen. An ein Traumbad mit voller, schaumbedeckter Badewanne und duftenden Zusätzen und mit beliebig langem Verweilen konnte zu dieser Zeit noch nicht gedacht werden.
Man war zufrieden, wenn man gesäubert wieder dem Schaff entsteigen konnte. An ein tägliches Bad oder gar an eine Brause dachte vor dem Zweiten Weltkrieg (1939-45) kaum ein Mensch auf dem Lande. Die Bauernknechte führten ihre Morgenwäsche am Brunnentrog durch oder sie wuschen sich aus dem Handbecken im Pferdestall und kippten das Wasser auf den Misthaufen. Die Mägde vollführten ihre Morgentoilette in der Mägdekammer ohne Haarspray und Parfümfläschlein, ohne Puder und Duftseife. Das Leben auf dem Lande vor 50 und mehr Jahren war noch einfach und bescheiden und von fast spartanischer Härte.
Vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48) war das Badewesen im Dorf noch eine öffentliche Angelegenheit. Nicht dass es da auf dem Lande Badeanstalten oder Hallenbäder im modernen Sinne gegeben hätte. O nein, davon war man noch weit entfernt. Aber in jedem Dorf im Hahnenkamm und Altmühltal stand im Mittelalter ein kleines Häuslein, das Badhaus oder die Badstube. Nicht ein Privatmann, sondern die Gemeinde hatte die Badstube errichtet und darum musste sie auch allen Leuten im Dorfe offenstehen. Ein im Badewesen einigermaßen erfahrener Mann, der Dorfbader, hatte die Badstube zu betreuen und sie von der Gemeinde zu "bestehen", wie man damals sagte. Wie ein neu aufziehender Bauer seinen Hof vor seinem Grundherrn in feierlicher Form "bestehen" musste, so der Bader seine Badstube vor der Gemeinde.
Die Betreuung der Badstube war in den meisten Fällen ein Gemeindeamt. Ein Bader hätte sich eine eigene Badstube und ihre Einrichtung mit dem großen Kupferkessel gar nicht leisten können. Zu seinem Lebensunterhalt wurden ein Äckerlein und ein Wieslein mit der Badstube verbunden. Die Flurnamen Badwiese, Badacker, Badrain, Badstriegel u.a. erinnern noch heute an die Badstube im Dorf. Das Holz zum Beheizen der Badstube wurde in der Regel aus dem Gemeindewald entnommen und dem Bader durch spannfähige Hubenbauern zugefahren. Zu seiner Unterstützung konnte sich der Bader in größeren Orten einen Knecht halten. Es gab viel zu tun in der Badstube, weil dort auch Wunden verbunden, Pflaster und Salben aufgelegt, Blutegel und Schröpfköpfe aufgesetzt und Zähne gezogen wurden, wenn ein Arzt nicht ansässig war.
Von dem Bader und was man selben, wenn er die Badstuben bestehet (übernimmt) zu tun schuldig ist
Ist zu merken, was ein Bader in einer Gemeind zu tun schuldig ist.
Mit dem Baden im eigenen Haus oder in der engen Wohnung hatte es im Mittelalter seine liebe Not. Ein eigenes Bad wie heutzutage konnten sich nur die Vornehmen leisten, wie etwa der Kastner Wolf Gräfenstetter im Jahre 1535, der neben seinem unteren Haus, Stadel und Schafstall auch noch ein "Badhäuslein" zur Verfügung hatte (1).
Die meisten Leute im Markt waren nicht in der Lage, sich einen teuren Kupferkessel zum Erhitzen des Wassers zu beschaffen. Man musste sich, wollte man zuhause baden, mit einem hölzernen Kübel oder einem Schaff zufrieden geben. Doch es bestand Brandgefahr und Holzmangel, so dass schon im Hohen Mittelalter (11. und 12. Jahrhundert.) öffentliche Badstuben eingerichtet wurden. Sie waren wegen der Feuersgefahr meist in Stein gemauert. Auf dem Lande kannte man kaum die verhältnismäßig gut eingerichteten Badstuben wie in den Städten. In Heidenheim bestanden um 1400 zwei Badstuben: eine für die Insassen des Klosters, die andere für die Leute im Markt. Darüber berichtet ein Eintrag in das Salbuch des Klosters:
Über die Badstube im Kloster steht geschrieben:
Betreut wurden die Badstuben von einem Bader, der zu jener Zeit nicht nur den Badegästen das Bad besorgte, sondern an den festgesetzten Wochentagen auch den Kopf zwackte (wusch), die Haare scherte, den Männern den Bart rasierte und zu bestimmten Zeiten zur Blutentziehung (Aderlass) Blutegel ansetzte oder Schröpfköpfe auflegte. Bei Verletzungen kümmerte sich der Bader auch um die Wundbehandlung.
Das Badhaus, die Badstube, wie man im Volksmund sagte, konnte der Bader wegen der teuren Einrichtung nicht selbst erbauen. Er musste sie bei der Marktgemeinde "bestehen", wie der Bauer einen Hof des Klosters. Das wöchentliche Bad war nicht nur wegen der Reinigung so beliebt, sondern aus Furcht vor dem Aussatz, der gefürchteten Krankheit des Mittelalters. Daher wurden vor allem Schwitzbäder genommen. Zur Untertützung des Baders kamen ihm Badknechte und Badmägde zu Hilfe, wobei vor allem in den städtischen Badstuben bisweilen die Grenze zur Prostitution überschritten wurde und die Badstuben oft in Verruf gerieten.
Neben äußeren Eingriffen, die auf dem Land bis zum Zahnziehen, in den Städten bei wenigen Spezialisten bis zu Steinschnitten, Starstichen, Amputationen und Operationen gingen, hatten die Bader auch mit innerlich wirkenden Medikamenten (Purgiermittel, Salben und Pflasterbereitung) zu tun. In späterer Zeit sahen die Barbierer dann in der Schönheitspflege, im Pudern und Perückenmachen neue Aufgaben. Die meisten unter ihnen, vor allem auf dem Land, verdienten ihr Geld mit der Bereitung der Bäder, mit Rasieren pro Woche, mit Zahnziehen und Schröpfen. Wegen der ansteckenden Geschlechtskrankheiten (Franzosen), mit denen auch nach den Aussagen des Klostermüllers Fellenwald um 1535 die Konventbrüder in Heidenheim beladen waren, kam das öffentliche Baden in den Badstuben im 17. und 18. Jahrhundert vielerorts ganz außer Gebrauch, die Badstuben gingen ein. Der Bader kam bis in die neueste Zeit noch wöchentlich zum Rasieren von Haus zu Haus. Neben seinem eigenen Häuslein unterhielt er meist noch eine kleine Landwirtschaft. Badwiese, Badschober, Badrain und Badstriegel, diese Flurnamen erinnerten noch lange an das einstige Badewesen.