1100 Jahre

Ursheim

und Appenberg

Ursheimer und Appenberger Flurnamen

(Die Plannummern stehen hinter den Namen in Klammern)

Nur noch die älteren Leute im Dorf können sich daran erinnern, wie einmal unsere Feldmarkung in kleine und kleinste Äcker und Wiesen zerstückelt war. Sie glich einem "Fleckerlteppich" mit vielgewundenen Feldwegen und Gangsteigen, mit Hecken und Buschgruppen. An fast jedem kleinen Flurteil haftete einst ein Name. Manche sind schon vor tausend und mehr Jahren entstanden, jüngere erst im vorigen Jahrhundert. Sie wurden meist nicht von einer Behörde verordnet, sondern sind dem Volksmund entwachsen.

Die Bewohner von Ursheim und Appenberg haben im Laufe der Zeit ihren Wirtschaftsraum mit Namen erfüllt. Das geschah nicht in einem Zuge wie etwa die moderne Flurbereinigung in den siebziger Jahren unseres Jahrhunderts, sondern allmählich im Laufe eines Jahrtausends. Die Forschung bezeichnet alle diese Namen als Flurnamen. Sie finden heute nur mehr wenig Beachtung, ja manche von ihnen sind schon der Vergessenheit verfallen, andere werden folgen, denn was bedeuten schon in den Ohren der modernen Menschen solche Flurnamen. Sie halten sie für nichtswürdig und einfältig, wie die Mundart, deren sich manche heute schämen und dafür ein Hochdeutsch gebrauchen, das aber oft recht fad aus ihrem Munde fällt. Doch wer sich Gedanken über ihren Inhalt und ihre Entstehung macht, dem eröffnet sich ein Blick in das Denken und Fühlen vergangener Generationen, die nicht dümmer waren als die global denkenden Technokraten unserer Tage, die aber an die kleine Welt ihrer Dorfgemarkung gebunden waren, aus der sie nur selten herauskamen und die weitere Umgebung meist mit den Füßen mühsam erwandern mussten.

Umso inniger erfassten sie ihren kleinen, engen Lebensraum von Feld und Flur, von Wiesen und Wald, von Weide und Heide mit ihren vielfältigen Erscheinungen. Niemand anders kann für diese innige Verbundenheit unserer bäuerlichen Ahnen mit ihrem heimatlichen Lebenskreis ein besseres Zeugnis geben als die Flurnamen, die nicht abstrakt gebildet wurden, wie viele Namen der industriellen Artikel unserer Tage, sondern in denen stets ein sinnvoller Gehalt verborgen liegt. Aus einer ungeheuren Fülle von verstandsmäßigem Denken, von scharfer Beobachtungsgabe, von reicher Fantasie und gemütvoller, von Herzen kommender Betrachtungsweise und tief religiöser Geborgenheit unserer Ahnen sind die Flurnamen entstanden. Von Generation zu Generation wurden sie mündlich überliefert, bevor sie einmal in schriftlicher Form Eingang in die Kataster und Grundbücher fanden und dadurch auch oft ihrem ursprünglichen Inhalt nach umgedeutet und verderbt wurden. Wir wollen versuchen ihre Welt zu erschließen und ihre Vielfalt zu ordnen.

1. Namen, die mit Bodenformen verbunden sind

Die Gemarkung von Ursheim weist wie die von Appenberg eine große Vielfalt von Bodenformen auf. Das Gelände ist an der einen Stelle bergig oder lieblich bewegt, an anderer ruhig auslaufend oder verhältnismäßig eben. Für ansteigende Formen begegnet uns zunächst einmal der Name "Berg" als allgemeine Bezeichnung für eine Höhe. Seine Grundbedeutung ergibt sich aus dem Tätigkeitswort bergen, das heißt "sich in Sicherheit bringen". In Zeiten eines feindlichen Einfalls in das Land haben sich die Menschen auf freistehende hohe Berge geflüchtet wie auf die "Gelbe Bürg" im Altmühltal oder auf den weithin sichtbaren "Ipf" bei Bopfingen. Im südlichen Hahnenkamm bei Ursheim sind solche Höhen bescheidener Art, werden aber auch als Berge bezeichnet, wenn auch ihre Schutzfunktion kaum in Frage kommen kann. Im Ortsnamen Ober- und Unterappenberg ist ein Personenname mit dem Grundwort -berg verbunden, denn er wird gedeutet als "Berg eines Appo". Vielleicht darf man in diesem Appo das Oberhaupt einer Sachsenfamilie sehen, die zur Zeit Kaiser Karls des Großen (768-814) in dem stillen Waldtal am Sachsenhard angesiedelt wurde und dem die beiden Appenberg ihr Dasein verdanken.

Nun liegen die Weiler Ober- und Unterappenberg nicht auf einer Höhe, sondern im Tal. Doch es gibt viele Beispiele, dass eine Talsiedlung, wenn sie sich an einen Berg anlehnt, auch nach diesem genannt wird. Eine weitere Flurbezeichnung "hinter dem Berg" ist in Oberappenberg im Flurplan eingetragen. Gemeint ist damit das Gelände hinter den Höhen nordwestlich des Ortes an der Gemarkungsgrenze zur Altsiedlung Hüssingen. Der Hettensberg (1791), ein verschwundener Weiler an der Markungsgrenze Hüssingen, Oberappenberg, Hechlingen wird gedeutete als "Siedlung am Berg eines Hattin oder Hettin" und der schon 1197 erwähnte "Stahlsberg" (Gemarkung Hechlingen) als "Siedlung zum Berg eines Stahal". Der Bergershof hieß ursprünglich Lienensberg, was etwa bedeutet "Hof zum Berg eines Lienhard". Später wurde er Bergershof genannt, wohl nach den Leuten auf dem Berg. Ein Erlesberg wird 1448 genannt. Darunter verstand man damals die Hanglage südlich vom Stahlsberg, die mit Erlen bewachsen war. Nikolaus Mayr aus Ursheim besaß 1448 ein Viertel Acker "leit (liegt) unter dem erleßperg und stößt auf den stahelsmüller". Eindrucksvoll über dem Ort Ursheim erhebt sich der Schmiedsberg (1360-67), dessen Name wohl an den Schmied erinnert, der dort ursprünglich seine Schmiedekohlen brannte. Ein zweiter Schmiedsberg (1845) erscheint in Oberappenberg, obwohl dort kein Schmied beheimatet war, wenigstens ist keiner nachweisbar. Ein Schmied von Hainsfarth hatte vom Grafen von Oettingen einen Zehnten zu Gunderstal zu Lehen. Gunderstal lag unterhalb des Schmiedsberges. Das Schafberglein (1301) hat seinen Namen sicherlich von den dort weidenden Schafen, das Hahnenberglein von den auf ihm sich häufig aufhaltenden Feldhühnern (Rebhühner). Schließlich sei noch an den Mittelberg (1304-1359) gedacht. Er liegt in der Mitte zwischen dem Schmiedsberg und dem Hahnenberg und seine Mittellage verursachte seine Benennung.

Die Hochlagen von Schmiedsberg und Mittelberg waren einmal Weide oder Waldweidegebiet, wurden dann nach Abschaffung des allgemeinen Weideganges unter die berechtigten Dorfgenossen in kleine Stücke geteilt und durch die große Flurbereinigung zu größeren Einheiten zusammengelegt. Sinnverwandt mit dem Grundwort Berg ist Burg, denn sie bezeichnet das Gebäude oder den Platz, in dem man sich bergen, das heißt in Sicherheit bringen konnte. Auch in Ursheim muss im hohen Mittelalter (11.-13. Jahrhundert) eine Ritterburg gestanden haben. Ihre Lage ist freilich im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, doch um 1395 wird hier ein "Burgstall" und um 1400 ein "Burckstallholz" erwähnt. Die Burg muss zu dieser Zeit allerdings schon in einem ruinösen Zustand gewesen sein, denn unter einem Burgstall versteht man nicht etwa einen Viehstall auf der Burg, sondern "eine Stelle, auf der einmal eine Burg stand". Womöglich erinnert noch der im Grundbuch eingetragene Burg- oder Hopfengarten (911) an das feste Haus der Ritter von Ursheim.

Bodenerhebungen geringeren Ausmaßes werden im Volksmund als Buck bezeichnet. Um den Sinn dieses Namens klären zu können, muss wieder von der Grundbedeutung "biegen" ausgegangen werden. Die Stelle, an der das Gelände wie gebogen erscheint, heißt oft Buck. Der Rötenbuck in Ursheim wird so genannt, weil er in der Röt , einer großen Flurabteilung im Norden des Dorfes liegt. Der Steinbuck (867-873) in Ursheim besteht in seinem Untergrund aus den Steinen des Süßwasserkalks, den der Riessee ablagerte, der Steinbuck in Oberappenberg (1965-66) aus Weißjuragestein, das anlässlich des Meteoriteneinschlags aus dem Rieskrater herausgeschoben wurde. Der Wasserbuck (976) erhebt sich am Rande der Au, die früher noch weitgehend stauende Bodennässe führte. Der Wiesmühlbuck (1090-99) steigt in der Nähe der ehemaligen Wiesmühle aus dem Rohrachtal an. Als seltener Name im Hahnenkamm darf der Schlotterbuck oder Schlettersbuck (781-783) gelten. Er wird um 1400 auch als Schletterbach erwähnt. Es muss am Schlotterbuck ein Hof gestanden sein, denn im 15. Jahrhundert steht geschrieben: "Kilian Rupp hat bestanden seines Vaters seligen halben Hof, genannt Schletterbach". Der Name ist über einen großen Bereich der Trendler Gemarkung verbreitet. In der Flurkarte ist ein hinterer und vorderer Schlotterbuck eingetragen. Zugrunde liegt das mittelhochdeutsche Wort slate, das im Volksmund zu Schlatt und Schlett wird und "Sumpfgelände mit Schilfrohr und Sumpfgras" bedeutet.

Nach seiner rundlichen Form wurde der Bolleitenbuck (1728-29) zwischen Ober- und Unterappenberg bezeichnet, denn das mittelhochdeutsche Wort bolle bedeutet eigentlich "Knospe" aber auch "kugelförmiges Gefäß" und wurde hier in der Fantasie der Leute auch auf eine rundliche Erhebung übertragen. Der Name Bolleitenbuck bedeutet also "rundliche Erhebung an der Leite". Der Grillenbuck (202) in der Ursheimer Markung ist eine grasbewachsene Erhebung, an der sich viele Grillen aufhalten, die mit den Heuschrecken verwandt sind, im Erdboden wohnen und sich durch ihr eigenartiges Wispern bemerkbar machen. Als Herrenbuckacker (1861-64) sind einige Grundstücke in Oberappenberg am Schmiedsberg eingetragen. Sie gehörten einmal zum Hof Gunderstal, der 1252 von dem Ritter Ulrich von Ursheim an das Kloster Auhausen geschenkt wurde. Da auch die Ritter im Mittelalter als Herren betitelt wurden, wäre es denkbar, dass der Flurname Herrenbuck noch die Erinnerung an sie festhält. Ob der Spatzenbuck (671-74) nach seiner geringen Erhebung, nach den Feldspatzen oder nach seinem Besitzer namens Spatz benannt ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

Eine in der Ursheimer Gemarkung verhältnismäßig seltene, im Hahnenkamm infolge seiner auf- und absteigenden Bodenformen häufige Bezeichnung für Erhebungen ist Bühl, die für Hügel verwendet wird. Hier liegt auch wieder die Grundbedeutung "Biegung, Buckel" vor. Als Keibühl, auch Keierbühl (715-18; 914-49) wird jener Hang bezeichnet, der zu den fruchtbaren schwarzen Landen aufsteigt. Das Bestimmungswort Kei- müssen wir uns aus Gehei- zusammengezogen denken, mundartlich auch Koa (Ghoa) in Koareislein und Koahof. Unter einem Gehei (mundartlich Ghoa) verstand man in früheren Zeiten Grundstücke oder ganze Flurteile, die entweder durch Einzäunung oder Strohwische dem Zutritt der Allgemeinheit entzogen wurden. Man sagte, sie sind geheit, das heißt gehegt, geschützt. Der Keibühl war eine Erhebung, wohl einmal mit Wald oder Buschwerk bedeckt, das der Dorfherde als Weideplatz bestimmt und vor privater Nutzung "geheit" sein sollte. Der Steigenbühl (1265-66) führte seinen Namen nach dem ansteigenden Gelände nördlich der Straße nach Döckingen. Verwandt mit Bühl dürfte auch die Flurbezeichnung am Büchelein" (749) sein, wenn es nicht einen "mit jungen Buchen bestandenen Hügel bezeichnet.

Der Geländeabfall tritt bald stärker, bald schwächer ins Auge und findet daher im Volksmund nach den Gradunterschieden eine Anzahl von Benennungen. Für einen Berghang ist oft Leite (185-191), mittelhochdeutsch lite, gebräuchlich. In Ursheim wie in Oberappenberg ist die Leite im Flurnamengut vertreten. "Unter der Leiten" ", so hießen in Ursheim Äcker und Wiesen in Richtung Stahlmühle, weil hier Steilhänge in das Rohrachtal abfallen. Die Steinleiten am tiefen Weg ist wohl nach dem steinigen Untergrund benannt. Von der Bolleiten in Oberappenberg war schon die Rede. Dort sind auch im Hohentrüdinger Salbuch vom Jahre 1535 8 Morgen Holz "in der Finsterleiten" genannt, die zum Meierhof gehörten. Das Eigenschaftswort finster erweckt bisweilen den Eindruck des Dunklen, des Unheimlichen, hervorgerufen entweder durch enge Talschluchten oder durch schattenden Nadelwald, in dem Tannen und Fichten vertreten sind. Im Laubwaldgebiet des Hahnenkamms ist im Flurnamenschatz der Begriff "finster" selten vertreten, nur in einem ehemaligen Hohlweg in Sammenheim, der "finstere Gassen" heißt. Steil in die Tiefe fallende Geländeteile werden im Volksmund auch oft mit der Flurbezeichnung "am Hanger, unter dem Hanger" oder einfach nur mit Hanger (353-54) belegt. Zugrunde liegt das Zeitwort hangen, hängen. In beiden Gemarkungen ist der Hanger als Flurbezeichnung vertreten. In Ursheim haftet er an dem nördlichen Geländeabfall zum tiefen Weg an der Straße nach Appenberg; in diesem Ort an dem Abfall des Geländes von der Höhe des Bergershofes zum Appenberger Tal.

Wenn es gilt, tief gelegene Grundstücke zu benennen, so griffen die Leute oft zu Vergleichen mit den wenigen, ihnen aber wohlvertrauten Hausgeräten. In vielen Häusern war ein eiserner oder kupferner Kessel vorhanden, von den Keßlern oder Kesselschmieden gefertigt. Man brauchte ihn im Haushalt vor allem bei der Schlachtschüssel. Was lag da näher in der Fantasie der Menschen, auch ein tiefgelegenes Grundstück, das sich der Form eines Kessels riesigen Ausmaßes näherte, auch als Kesselgrub (251) zu benennen. Ein ähnliches Hausgerät, der Trog, der vor allem als hölzerner Backtrog im Haushalt Verwendung fand, drängte sich zu einem Vergleich mit einem tief gelegenen Grundstück auf, so beim Trogacker (253). Ein Kesselgraben und eine zweite Kesselgrub (774-778) findet sich südwestlich von Ursheim an der Au. Ein Kesselacker (1956-57) erscheint in Oberappenberg. Ein von Höhen umfasstes Tälchen heißt oft Grund, so in Grundacker (278-81) in der Röt oder der Grund- oder Saueracker (956-60) oder der Grundacker unter Wirths Hopfengarten (963). Manche Vertiefungen im Gelände wurden durch Sand- oder Lehmentnahme durch Graben mit der Hacke und Schaufel künstlich geschaffen und mit den Namen Sandgrube, Sandgrubenacker (1026-29) belegt. Von der ehemaligen Wolfsgrube (1037), die zur Bekämpfung der Wolfsplage angelegt wurde, ist allerdings kaum noch eine Vertiefung zu sehen. Schließlich werden Vertiefungen im Boden einfach mit dem Eigenschaftswort "tief" benannt, so die weitgreifende Bezeichnung "im tiefen Weg" (329-338). Ein verhältnismäßig seltener Name für Vertiefungen im Boden ist die Stauchbreite in Oberappenberg, die 1535 im Salbuch genannt wird. Sie gehörte zum Meierhof und bezeichnete eine Stelle, die eingestoßen ist.